Interview : Henn-Chef Martin Ohneberg: „Andere kochen auch nur mit Wasser“

Ohneberg Martin CEO Henn
© Henn

Herr Ohneberg, Sie sind Mitglied des 134-köpfigen Bundesvorstandes der Industriellenvereinigung, der am 18. Juni in geheimer Wahl über die Nachfolge von Georg Kapsch befinden wird. Wissen Sie schon, wen Sie wählen?

Martin Ohneberg (lacht) Nachdem ich mich selbst zur Wahl stelle, weiß ich, dass ich mich selbst wählen werde.

Was macht es für Sie attraktiv, IV-Präsident zu werden?

Ohneberg Ich bin seit 28 Jahren mit der Industriellenvereinigung verbunden. Ich habe als einfaches Mitglied der Jungen Industrie begonnen, bin Vorsitzender der Jungen Industrie in Wien geworden, dann Vorsitzender auf Bundesebene und zwei Jahre von Jungunternehmern auf europäischer Ebene. Seit 2015 bin ich Präsident der Vorarlberger Industriellenvereinigung und habe gesehen, was alles verändert und gestaltet werden kann.

Ich habe im Laufe meines Berufslebens extrem viel lernen dürfen, vieles davon durch die Arbeit im Rahmen der Industriellenvereinigung.

Was denn zum Beispiel?

Ohneberg Dass Unternehmer auch nur mit Wasser kochen, aber sehr konsequent sind, ihre Strategie verfolgen und nicht aufgeben. Der Kontakt mit den vielen Mitgliedern der IV war immer sehr wertvoll. Jetzt möchte ich auch etwas zurückgeben und andere motivieren, aktiv zu werden.

Warum glauben Sie – in einem Satz –, dass Sie der beste Mann für den Job sind?

Ohneberg Weil ich authentisch eine moderne Industrie verkörpere, mit den Menschen kann und ein politisches Gespür habe – egal welches Couleur oder welche Vertreter der Sozialpartnerschaft.

Welche anstehende politische Entscheidung halten Sie für wichtig?

Ohneberg Das wichtigste Thema der nahen Zukunft wird die Stimulation von Konsum und Investitionen sein. Es wird unsere Aufgabe sein, Belastungen durch neue Steuern und Abgaben abzuwehren – es braucht jetzt genau das Gegenteil. Außerdem werden wir das Thema Klimaschutz aktiv angehen müssen. Wir müssen verdeutlichen, dass wir als Industrie Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sind. Und: Industrie braucht faire Globalisierung. Für unsere Industrie ist das Land und der europäische Markt längst zu klein.

Wäre mit Ihnen als IV-Präsident ein Konjunkturpaket machbar, das sich strikt nach klimapolitischen Kriterien richtet?

Ohneberg Es darf nicht ein „Entweder ­oder“ sein. Selbstverständlich sollen klimaneutrale Investitionen oder Investitionen in die Digitalisierung stimuliert werden. Aber es darf nicht sein, dass die Anstrengungen der Industrie der letzten Jahrzehnte im Bereich Klimaneutralität gerade hier in Österreich nicht gewürdigt werden. Wir sind für einen lebenswerten, wettbewerbsfähigen Industriestandort – beides ist möglich, davon bin ich überzeugt.

Sie positionieren sich als Kandidat der Jugend und jüngeren Generation in der IV. Die Industrie steht einer zunehmend klimabewegten, globalisierungskritischen Jugend gegenüber: Was hat die Industrie jungen Leuten anzubieten, die auf die Straße gehen, weil sie sich fürchten, dass die Klimakrise ihre Zukunft zerstört?

Ohneberg Wir als Industrie gemeinsam mit unseren Mitarbeitern sind Teil der Lösung, das müssen wir klarer kommunizieren. Dass es etwa gar nichts bringt, die ressourcenschonende, effiziente Produktion hierzu­ lande zu kritisieren – und dann Produkte aus einem Land zu kaufen, wo weitaus weniger klimaneutral produziert wird. Wir müssen mit der Jugend in einen Dialog gehen und unsere Aktivitäten stärker offenlegen. Ich möchte der Jugend und der jüngeren Generation auch ein ehrliches Signal geben, dass es in Österreich möglich ist, durch Fleiß, Zielsetzung und Kontinuität etwas zu erreichen.

Sie sind, im Gegensatz zum amtierenden Präsidenten, einer breiteren Öffentlichkeit eigentlich nicht bekannt. Wer ist der Unternehmer Martin Ohneberg?

Ohneberg Der Unternehmer Martin Ohneberg hat 2011 das Unternehmen Henn mehrheitlich übernommen. Das Unternehmen ist in der Automobilzulieferer­-Sparte tätig und produziert innovative Schnellkupplungen für den Bereich Ladeluft und Kühlwasser. Wir hatten, als ich das Unternehmen übernahm, 25 Mitarbeiter und 19 Millionen Euro Umsatz. Heute haben wir 300 Mitarbeiter und 100 Millionen Euro Umsatz, wir sind global unterwegs.

Der Martin Ohneberg, den man im Firmenbuch kennenlernen kann, kooperiert auch mit dem Investor Michael Tojner in verschiedenen Projekten: Sie sind da für die Aluflexpack, einen Packagingkonzern für die Lebensmittelindustrie, zuständig. Wie kam es dazu?

Ohneberg Mir war sehr früh klar, dass ich irgendwann alleinverantwortlich gestalten und Unternehmer sein will. Dazu habe ich mir viele verschiedene Unternehmen angesehen. Ich hatte zwar aus meinen bisherigen Managementfunktionen und Investments eigenes Geld, allerdings nicht ausreichend. Ich bin hier sehr transparent, weil auch diese Phase, wo man Investoren finden muss, gehört zum Unternehmertum dazu. Ich habe in dieser Zeit mit vielen Investoren gesprochen – jeder wollte an der Firma Henn die Mehrheit haben, die wollte aber unbedingt ich. Michael Tojner war mit einer Minderheit zufrieden. Wir haben uns vertraut und auch bei der Aluflexpack kooperiert, ich war aber nie abhängig von ihm.

Wie kam es zur Übernahme der Aluflexpack?

Ohneberg Das war eine Übernahme von der Hypo Alpe Adria. Ich habe das damals im Team verhandelt und abgewickelt und wir haben schlussendlich den Zuschlag bekommen.

Wie muss ich mir da Ihre Zusammenarbeit vorstellen?

Ohneberg Ich bin am Unternehmen beteiligt und ich bin Verwaltungsratspräsident. Die Mehrheit besitzt die Montana Gruppe von Michael Tojner. Die Aluflexpack gehört in gewissen Segmenten zu den Top 3 in Europa.

Sie sind außerdem stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Verbund AG und Beirat beim Vorarlberger Werkstoffhersteller Getzner und weiteren Betrieben. Was macht diese Unternehmen so attraktiv für Sie, dass Sie Ihre Zeit dafür aufwenden, sich in die Kontrollorgane einzubringen?

Ohneberg Für mich sind zwei Dinge entscheidend: Kann ich etwas einbringen? Und: Was kann ich lernen, für mich selbst und mein Geschäft? Ich habe über die letzten zwei Jahrzehnte viel Erfahrung sammeln können, viel operativ mit meinem Team gemacht. Ob das Unternehmensgründungen, Sanierungen, Übernahmen, Verhandlungen mit Betriebsräten, Börsengänge etc. sind. Der Verbund als Teil der kritischen Infrastruktur und gleichzeitig größter börsennotierter Energieversorger Österreichs ist ein tolles Unternehmen. Auch hier kann ich viel lernen – insbesondere die Zusammenarbeit mit der ÖBAG funktioniert ausgezeichnet. Die Getzner Werkstoffe ist hingegen ein im Familienbesitz befindliches, global ausgerichtetes und sehr innovatives Unternehmen in Vorarlberg. Ich lerne lieber in der Praxis, als dass ich einen MBA­-Kurs in Harvard besuche.

Sie haben beim Wirtschaftsforum Vorarlberg im November 2019 gesagt: „Ohne die Bereitschaft, sich was zu trauen, ohne den genauen Ausgang zu kennen, gibt es keine Innovationen und keinen Fortschritt“: Was waren die größten Risiken, die Sie in Ihrem Leben je eingegangen sind?

Ohneberg Mein erstes Investment war im Rahmen der Dorotheum­Akquisition. Da habe ich mit 29 Jahren einen Kredit über 350.000 Euro, für den ich privat gehaftet habe, aufgenommen. Auch als ich die Firma Henn übernommen habe, habe ich für meine damaligen Verhältnisse substanziell investiert und alles auf eine Karte gesetzt. Mir hätte also schon vieles um die Ohren fliegen können...

Nach dem Einstieg ins Dorotheum haben Sie Ihre Anteile 2005 wieder verkauft, um zu Soravia zu wechseln, wo Sie wiederum 2009 ausgestiegen sind und Henn übernommen haben. Was sagt mir das über den Menschen Ohneberg? Ist der schnell gelangweilt, ungeduldig, getrieben?

Ohneberg (lacht) Ich würde sagen: zielorientiert. Ich habe sukzessive daran gearbeitet, dass ich meinen Traum, ein mehrheitlich im Besitz befindliches Industrieunter­ nehmen zu erwerben, erfüllen kann. Ich habe nicht in eine Eigentumswohnung investiert, sondern das Geld auf die Seite gelegt, um mir in Zukunft meinen Traum, Unternehmer zu sein, zu erfüllen. Außerdem bin ich es mein ganzes Leben gewohnt, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen. Meine drei Säulen sind aktuell meine Familie, mein Beruf – und die Industriellenvereinigung.

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Wie ist der Mensch Ohneberg? Sie sind Jahrgang 1971, geboren in Bregenz, haben dort die Hauptschule besucht, dann eine HAK und in Wien BWL studiert. Für die Hauptschule, haben Sie der Neuen Vorarlberger Tageszeitung mal erzählt, hätten Sie sich in Wien fast ein wenig geschämt...

Ohneberg (lacht) Ich stehe zu meinen Stärken und Schwächen. Ich war nie ein besonders ambitionierter Schüler. Kein schlechter, aber auch kein besonders guter. Ich habe auch eine Ehrenrunde in der Handelsakademie eingelegt. Als ich dann 1991 nach Wien gekommen bin, musste ich feststellen, dass eine Hauptschule in der Stadt einen ganz anderen Ruf hatte als in Vorarlberg. Ab diesem Zeitpunkt habe ich entschieden, meine erste Station im Lebenslauf mit der Handelsakademie zu erzählen. Hat nicht geklappt, wie Sie sehen.

Haben Sie ein unternehmerisches Vorbild?

Ohneberg Ja, Richard Branson hat mich als Unternehmer immer wieder inspiriert. Ein Unternehmer, der viele Erfolge und auch Niederlagen erlebt hat und trotzdem immer zielorientiert geblieben ist. Er hat mit der Virgin Group ein globales Unter­ nehmen in den verschiedensten Geschäftsbereichen aufgebaut. Er hat als Selfmade-Unternehmer Unglaubliches erreicht.

Abschlussfrage: Sie spielen – auf gar nicht niedrigem Niveau – Tennis und haben sich als Tennislehrer während des Studiums über Wasser gehalten. Welcher Tennisspieler entspricht Ihrem Führungsstil am besten?

Ohneberg Ich würde sagen: Thomas Muster. Er hat konsequent und hart gearbeitet. Letztlich war er sehr erfolgreich und hat es mit seinem Kampfgeist bis zur Nummer 1 der Welt gebracht.

...würden Sie behaupten, Sie sind ein Muster-Manager? Ein Grundlinien-Ausdauertyp, den Gegner zermürbend, mit Stamina?

Ohneberg Ich kann mich mit Thomas Muster sehr gut identifizieren. Sein Unfall in Key Biscane, von dem er sich wieder zurück an die Spitze gearbeitet hat, war extrem beeindruckend. Aber sportlich war das natürlich eine ganz andere Liga...