Hintergrund : Hauptversammlung bei Grammer: Attacken gleich zu Beginn

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Anmerkung der Redaktion:

Diese Meldung verweist auf zahlreiche Hintergründe und beleuchtet die Situation bis zum Nachmittag der Hauptversammlung. Wie die Abstimmung ausging, lesen Sie hier >>

Auf der Hauptversammlung (HV) von Grammer fliegen die Fetzen. Die Unternehmerfamilie Hastor hat VW das Fürchten gelehrt und greift jetzt bei dem bayerischen Autozulieferer nach der Macht. Die Abstimmung erscheint plötzlich nur noch als Zwischenetappe.

Bei der HV gab es am Mittwoch zahlreiche Anträge, die Abstimmungen auf dem kontroversen Aktionärstreffen werden sich vermutlich bis in den Abend hinein ziehen.

Als die Hastor-Anwälte den Grammer-Chef Hartmut Müller Ende Oktober anriefen, waren sie noch voll des Lobes: Der bayerische Autozulieferer sei gut geführt, deshalb habe die Familie Hastor ihr Aktienpaket aufgestockt.

Auf der Hauptversammlung am heutigen Mittwoch in Amberg dagegen ließen sie kein gutes Haar mehr an Vorstand und Aufsichtsrat. Absetzen, lautet ihre Forderung. Als neue Kontrolleure schlugen sie Manager aus Hastors Prevent-Gruppe vor.

Ausgang der Abstimmung zur Stunde noch völlig offen

Die Abstimmung auf der Hauptversammlung stand bis zur Stunde noch aus. Die Hastors sind mit ungefähr 23 Prozent der Anteile größter Grammer-Aktionär. Bereits ab 25,1 Prozent hätten die Hastors jedoch schon ein Vetorecht und könnten alle wichtigen Entscheidungen blockieren.

Das Problem: Bei dem Treffen der Aktionäre von Grammer sind oft nur 45 Prozent der Anteilseigner vertreten. Auch wenn heute sehr viel mehr gekommen sind.

Und ob der von Grammer kurz vor dem Treffen als zweitgrößter Aktionär an Bord geholte chinesische Autozulieferer Jifeng mitstimmen durfte, werde womöglich erst in fünf Jahren der Bundesgerichtshof klären, so Rechtsanwälte.

Einer gegen alle

Die Fronten waren von Anfang an klar: Der größte Grammer-Aktionär gegen alle anderen. Draußen demonstrierten 2.500 Beschäftigte der nahen Grammer- und Siemens-Werke gegen die "Machtübernahme der Hastoren".

Der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler sagte bei der Demonstration, in Deutschland seien 3.000, weltweit sogar 15.000 Arbeitsplätze "gefährdet, wenn die Hastors bei Grammer das Sagen kriegen. Deshalb kämpfen wir so vehement gegen diesen Investor." IG-Metall-Autoexperte Frank Iwer sagte: Wer "versucht, höhere Margen mit Gewalt durchzusetzen, setzt bewusst die Existenz von Betrieben, Beschäftigten mit ihren Familien, ja von ganzen Regionen aufs Spiel".

Aktionärsvertreter an Aktionäre: "Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen"

Drinnen Müller Konzernchef unter großem Beifall die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU): "Hastor veranstaltet einen unverantwortlichen Machtpoker auf dem Rücken des Unternehmens und seiner Mitarbeiter." Mehr dazu hier: Machtkampf bei Grammer - Showdown am Mittwoch erwartet >>

Günther Hausmann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) lobte die Einigung von Vorstand, Belegschaft, Politik und der wichtigsten Kunden. Den Hastors warf er einen "nicht nachvollziehbaren Anschlag auf das Unternehmen" vor.

Mit den Hastors müsse man Angst um den Bestand des Unternehmens, die Arbeitsplätze und den Wert der Aktien haben. Unter Vorstandschef Hartmut Müller habe sich das Unternehmen hervorragend entwickelt, seine Expansionsstrategie im Ausland sei richtig, die jüngsten Geschäftszahlen seien hervorragend.

"Bitte lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen", appellierte er an die rund 500 anwesenden Aktionäre: Grammer dürfe nicht "unter die Kontrolle undurchsichtiger Machenschaften" geraten.

Auf Grammer warten harte Zeiten - so oder so

Ganz unabhängig vom Ausgang der Abstimmung stünden Grammer harte Zeiten bevor, glaubt der Münchner Anwalt Oliver Krause: Setzten sich die Hastors durch, sei die Zukunft nicht rosig. Scheiterten sie, hätte Grammer einen mit dem Vorstand zerstrittenen Großaktionär an Bord.

"Wir bleiben dran", sagte der Hastor-Vertreter Steffen Jörgens. Hastor werde nach der Hauptversammlung nicht einfach verschwinden. Die Gruppe habe auch keine Absicht, ihr Aktienpaket nennenswert aufzustocken, sagte Enderle.

Untreue, Lüge, Verrat: Hastors Anwälte scheuen keine großen Worte

Untreue, Lügen, Verrat von Geschäftsgeheimnissen - die Liste der Vorwürfe von Hastor-Anwalt Franz Enderle ist lang. Pflichtvergessene Vorstände und Aufsichtsräte stellten den Erhalt ihrer "Pfründe" über die Interessen des Unternehmens, heißt es.

Müller und sein Aufsichtsratschef Klaus Probst hätten sich vom größten Grammer-Kunden Volkswagen sogar eine Abwehrstrategie gegen die Hastors schreiben lassen. Ihr Verhalten sei ein Skandal, lächerlich, abstrus.

Bitter: Erfolg schützt vor Übernahme nicht - im Gegenteil

Dass Grammer nach langer Durststrecke im vergangenen Jahr den bisher höchsten Umsatz und Gewinn einfuhr, quittierten die rund 500 anwesenden Aktionäre mit Beifall. Mehr zu den Ergebnissen: Rekordgewinn bei Grammer stärkt dem Management den Rücken >>

Enderles mehrfache Wortmeldungen dagegen wurden von Buhrufen und Pfiffen begleitet - großen Applaus bekam er nur einmal, als er sich in seinem Redetext verhedderte und abbrechen musste.

Gesamte Zulieferindustrie schaut zu - Autokonzerne auch

Die ganze Autoindustrie verfolgt, was sich da in Amberg in der deutschen Oberpfalz abspielt. Denn die Hastors haben die Spielregeln im Verhältnis von Autokonzernen und Zulieferern in Frage gestellt: Machtkampf bei Grammer - und das Bauchweh einer ganzen Branche >>

Der 66-jährige bosnische Unternehmer Nijaz Hastor hat Jahrzehnte mit VW zusammengearbeitet. Nun sind seine Söhne Kenan und Damir mit im Spiel. Der Wind habe sich verschärft, heißt es in Branchenkreisen. Mehr zur Firma Prevent, die zu Hastor gehört: Prevent, Gegner der Großen: Führender Manager geht >>

Die Zulieferindustrie beklagt immer wieder unfaire Geschäftsbedingungen und Preisdiktate durch die Konzerne. Manchmal gingen Zulieferer trotz hoher Vorleistungen leer aus und müssten zusehen, wie ihre Entwicklungen anderswo eingesetzt würden, kritisiert etwa Verbandsprecher Christian Vietmeyer.

Der Rückblick: So blockierte Prevent die Bänder bei Volkswagen

Prevent ließ im Streit mit VW die Muskeln spielen. 2015 lieferte man VW-Werken in Brasilien erst monatelang keine Sitze mehr. Im vergangenen August standen dann Bänder in Wolfsburg und Emden still, weil plötzlich keine Getriebeteile mehr kamen. Volkswagen lenkte ein, stellte aber sofort neue Aufträge auf den Prüfstand.

David gegen Goliath. Der Amberger IG-Metall-Chef und stellvertretende Grammer-Aufsichtsratsvorsitzende Horst Ott sagte, er habe damals sogar Sympathie für Prevent gehabt. Aber solcher Mut sei gefährlich: "Die meisten Helden liegen tot auf dem Feld."

Hier unser Hintergrundbericht zum Verhältnis von Autokonzernen und ihren Zulieferern: Markenhersteller versus Zulieferer: Revolution abgesagt? >>

Aufträge bei Grammer brechen schon ein

Seit der Veröffentlichung der Hastor-Forderungen bei Grammer sei der Auftragseingang um 60 Prozent eingebrochen, sagte Vorstandschef Müller. Die Hastors gefährdeten die Zukunft des Unternehmens.

Hastor hat sich jedenfalls in Deutschland keine unbekannte Anwaltskanzlei ausgesucht. das Team von Enderle hat schon an anderer Stelle langen Atem bewiesen. Für den Medienunternehmer Leo Kirch hatten sie die Deutsche Bank jahrelang auf Hauptversammlungen und vor Gerichten beschuldigt - und schließlich 925 Millionen Euro erkämpft. (dpa/apa/red)

So fing der Angriff an - hier unser Hintergrundbericht:

Der Kampf um Autozulieferer Grammer - und die Parallelen zu VW >>