Hintergrund : Gilbert Frizberg geht vorzeitig - Gerhard Roiss wird Chefkontrolleur des Verbund

Der frühere OMV-Vorstandschef Gerhard Roiss ist wie erwartet einstimmig zum neuen Vorsitzenden des Verbund-Aufsichtsrats gewählt worden. Roiss war von der Hauptversammlung mit 99,98 Prozent in den Aufsichtsrat gewählt worden. Roiss folgt damit Gilbert Frizberg nach, der seit 2000 Verbund-Aufsichtsrat und seit 2007 dessen Vorsitzender war.

In der Verbund-Hauptversammlung ist wie erwartet der frühere OMV-Chef Gerhard Roiss in den Aufsichtsrat gewählt worden. Dort soll er neuer Vorsitzender werden, das entscheidet das Kontrollgremium im Anschluss selbst. Roiss erhielt 99,98 Prozent Zustimmung der anwesenden Aktionäre.

Roiss: Den Verbund immer um CO2-Freiheit beneidet

Roiss hatte zuvor in einer kurzen Wortmeldung gemeint, er freue sich bereits auf seine neue Aufgabe. Die Motivation für ihn, bei dem Stromkonzern tätig zu sein, sei die sehr starke Basis des Verbund für die neue Energiewelt. Hier wolle er mit ein Fundament aufbauen. "Ich habe immer neidvoll auf den Verbund geblickt, wenn es um die CO2-Freiheit ging", räumte der ehemalige Ölmanager ein.

Heute, in einer Zeit nach der Klimakonferenz von Paris, sei die Verantwortung eine sehr konkrete. Roiss soll an der Spitze des Verbund-AR auf Gilbert Frizberg folgen, der 17 Jahre dem Gremium angehörte, davon zehn als Vorsitzender.

Von Frühjahr 2011 bis Sommer 2015 hatte Roiss (65) den teilstaatlichen Mineralölkonzern OMV geleitet. Eingetreten war er dort 1990, in den Vorstand zog er 1997 ein. Anfang 2002 wurde der Wirtschaftsabsolvent (Unis Wien, Linz, Stanford) Vize-Vorstandschef, neun Jahre später CEO des größten heimischen Industriekonzerns.

Minister Mitterlehner lobt Roiss' internationale Vernetzung

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) als Vertreter des Verbund-Mehrheitseigentümers Bund gratulierte Roiss und würdigte ihn als "international vernetzter Manager mit wertvoller Kompetenz im Energiebereich". Diese Erfahrung werde er "voll in die Weiterentwicklung des Unternehmens einbringen. Von der sicheren und kundenorientierten Versorgung mit Strom bis zur Dekarbonisierung, die gerade für ein Unternehmen wie den Verbund große Chancen bietet", schreibt der Wirtschaftsminister.

Mitterlehner dankt darin gleichzeitig auch Frizberg für seine langjährige Arbeit. Der Aufsichtsrat habe "viel zur Kontinuität der Unternehmensentwicklung beigetragen und seine Aufgaben sehr gut erfüllt."

Vorzeitiger Rücktritt von Frizberg: Vorkommnisse in der Vergangenheit als Grund

Gilbert Frizberg hat in einem ausführlichen Gespräch mit der "Wiener Zeitung" auf seine Tätigkeit zurückgeschaut. Roiss als sein Nachfolger stehe seit Jänner fest, im Gespräch sei er seit Dezember gewesen, so Frizberg zur "Wiener Zeitung". Er habe sich aus zwei bis drei Kandidaten herauskristallisiert - auch, weil er das Vertrauen des Mehrheitseigentümers, der Republik Österreich, genieße. Die Republik hält einen Anteil von 51 Prozent am Verbund.

Sein um ein Jahr vorgezogenes Ausscheiden als AR-Vorsitzender begründete Frizberg in der HV mit verschiedenen Vorkommnissen der Vergangenheit. "Dringt man da nicht durch, ist es Zeit Platz zu machen." Ein Beispiel: "Die Struktur der Aktionäre und der Aufsichtsräte ist nicht ganz einfach", auch zwei Mitbewerber des Verbund säßen ja drin. So sei es etwa ein Problem geworden, die Verbund-Satzung weiterentwickeln zu wollen - eine Modernisierung werde hier blockiert.

Auch bei anderen Themen gebe es "zwei Seiten der Medaille", etwa wenn Aktionäre gemeint hätten, die Verbund-Mitarbeiter würden nicht gerade am Hungertuch nagen. Ja, dem könne er schon etwas abgewinnen, meinte Frizberg. Es seien viele Fortschritte erzielt worden, ein Abbau um 850 Leute von 2013 bis 2021 (davon 600 Ende 2017 erreicht) sei "kein Spaß", die Belegschaftsvertretung habe konstruktiv mitgewirkt.

Scheidender Aufsichtsrat erwartet auch künftig "Strukturbrüche" beim Verbund

Den Vorwurf, er habe zu viel Druck Richtung Einsparungen gemacht, wollte Frizberg so nicht auf sich sitzen lassen, meinte aber, er fühle sich schon auch den Aktionären verpflichtet. Strukturbrüche werde es beim Verbund auch in der inneren Organisation geben müssen - gemeint ist eine Verkleinerung des Vorstands -, darum werde der Aufsichtsrat in den nächsten Jahren nicht herumkommen, betonte Frizberg.

Er wünsche sich, dass im Verbund das wieder gelinge, was in den letzten neun Jahren der Fall gewesen sei, nämlich interne Dinge nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, so Frizberg mit Hinweis auf ganz andere Vorkommnisse bei der ÖIAG. Andererseits wäre es aber "auch ein Wahnsinn, wenn alle einer Meinung wären".

Zu Beginn der Abstimmungen waren 86,86 Prozent des Grundkapitals in der HV anwesend. Zum Dividenden-Vorschlag sagten davon 60,7 Prozent Ja. Die vier Vorstände wurden in Einzelabstimmungen mit jeweils 99,39 Prozent bis 99,47 Prozent Zustimmung entlastet, AR-Vorsitzender Frizberg mit 99,39 Prozent. Die zweite Neuwahl in den Aufsichtsrat - von Wiener-Stadtwerke-Holding-Vorstand Peter Weinelt - erfolgte mit 99,91 Prozent der anwesenden bzw. vertretenen Aktionäre.

(red/apa)