Deutschland : Gewerkschaft befürchtet Kahlschlag bei Jobs wegen Elektroautos

Die deutsche Gewerkschaft IG Metall gibt für die Autoindustrie trotz neu entstehender Jobs rund um die Elektroauto-Batterien keine Entwarnung beim Thema Stellenabbau. "Es wird deutlich mehr im Gebälk krachen, was die Beschäftigungsseite angeht", sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Denn die verschärften Ziele zum Abbau der CO2-Emissionen bedeuteten für Deutschland, dass bis 2030 zwei von drei Neuwagen Elektro- oder Hybridautos sein müssten. "Und jedes Elektroauto mehr ist ein Verbrenner weniger", ergänzte Hofmann. "Ohne Investitionen und die Industrialisierung (alternativer Antriebe) in Deutschland laufen wir in ein Beschäftigungsfiasko hinein."

Jobs durch Elektroautos: "Das sind falsche Hoffnungen"

Wer die These streue, der Arbeitsplatzwegfall könne komplett ausgeglichen werden, säe falsche Hoffnungen, erklärte Hofmann. Selbst mit Investitionen in die Batterietechnik bleibe es eine Riesenherausforderung. Unter dem Strich fielen bei verschärften Klimazielen Stellen weg, auch wenn mehr als die früher angenommenen 40.000 Jobs entstünden. In der Autoindustrie seien rund 260.000 Arbeitsplätze bei Herstellern und Zulieferern vom Verbrenner abhängig.

"Davon stehen mehrere Zehntausend im Feuer", sagte Hofmann.

Vor drei Jahren hatte eine von Gewerkschaft und Arbeitgebern gemeinsam beauftragte Studie ergeben, dass 120.000 Verbrennerjobs bis 2030 gefährdet waren. Doch an dieser wollte Hofmann nicht festhalten, weil sie auf die aktuelle Lage nicht angepasst wurde. Das Ifo-Institut errechnete, dass bis 2025 mindestens 178.000 Beschäftigte vom Wandel zur Elektromobilität betroffen sind. Zugleich dürften bis dahin rund 75.000 Beschäftigte in Rente gehen, sodass gut 100.000 andere Jobs finden müssten.

"Neue Technologien hier industrialisieren"

"Deshalb ist es wichtig, dass neue Technologien hier industrialisiert werden - also von der Zellfertigung bis zum Batterierecycling oder der Produktion von Brennstoffzellen", erklärte Hofmann. Es sei absehbar, dass der Wandel bei den Autobauern "mit Mühe sozialverträglich zu bewältigen ist", ergänzte er. Diese saugten alles auf, was es an neuen Bauteilen für E-Autos gebe und holten auch Produkte wieder ins Haus, die früher Zulieferer herstellten.

"Es kommt deshalb zu einer Unwucht der Belastung zwischen Herstellern und Zulieferern. Für letztere wird der Kuchen doppelt kleiner." Vor allem bei kleineren Zulieferern werde es Firmen geben, die nicht weitermachen könnten. "Standortschließungen sind ein reales Risiko", sagte Hofmann. "Das verschärft sich noch, wenn Neues nicht in Deutschland entsteht, sondern in Billiglohnländern oder in 'Best Cost Countries', wie es bei den Arbeitgebern zynisch heißt", warnte der Gewerkschaftsboss.

Einige Regionen viel stärker betroffen als andere

Auch manche Regionen in Deutschland seien stark betroffen. In Teilen des Saarlandes, Thüringens und in Süd-Westfalen stelle sich die Frage nach den Perspektiven für Beschäftigte am schärfsten. Auf Drängen der IG Metall wurde im vergangenen Jahr ein Zukunftsfonds Automobil beschlossen, der mit 200 Millionen Euro vom Staat gefüllt wird. "Wir versuchen, mit finanzieller Hilfe des Zukunftsfonds Automobil so bald wie möglich in Pilotregionen regionale Transformationsnetzwerke auf den Weg zu bringen, um den drohenden Wegfall von Industriearbeitsplätzen auszugleichen", sagte Hofmann. Alle Akteure müssten sich hier jetzt gemeinsam auf den Weg machen und nicht erst dann, wenn Standortschließung mit Entlassungen vor der Tür stünden.

IG Metall strikt gegen ein Verbrennerverbot 2030

Die IG Metall stellt sich strikt gegen ein Verbrennerverbot 2030, wie es die in Umfragen gerade starken Grünen fordern. "Ein Verbrennerverbot 2030 ist keine sinnige Forderung", sagte Hofmann. "Ich sehe nicht, dass die Ladeinfrastruktur in Deutschland und Europa sich so dynamisch entwickelt, dass sich ein solches Ziel bis 2030 realisieren lässt." Denn im Moment sei das größte Problem nicht die Produktionsseite oder der staatlich geförderte Absatz von E-Autos. "Aber wir laufen sehenden Auges in eine extreme Mangelsituation beim Thema Ladeinfrastruktur hinein." Die Politik habe das erkannt, handle aber zu wenig. Es gebe zwar die "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität" als Leitstelle. "Aber Leitung ohne Durchsetzung ist eine schwache Nummer", kritisierte Hofmann. (reuters/apa/red)