Digitale Speditionen : Geschäftsmodell sucht Branche

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Der Ansatz ist so radikal anders, eine derartige Umkehrung des Gewohnten, dass man nur staunen kann. Seit Jahrzehnten agiert die Logistikbranche wie alle anderen auch: Auf neue Umstände – wie eben die Digitalisierung – reagiert man mit der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Und plötzlich stehen nun Außenseiter vor der Türe. Mit einem Geschäftsmodell in der Tasche, für das sie eine neue Branche suchen.

Und sie sind keine Anfänger. Der Gründer von FreightHub schaffte das Kunststück, ein Online-Portal aufzubauen, es an Google zu verkaufen, zurückzukaufen, zu restrukturieren und gleich nochmal zu verkaufen. Mit ordentlichem Gewinn, wie man vermuten darf. Mittlerweile ist er selbst Venture-Capital-Investor. Der Gründer von Cargonexx betreibt unter anderem einen Inkubator für digitale Geschäftsmodelle. Und FreightHub und Cargonexx sind nur zwei in einer ganzen Reihe von Startups, wenngleich wohl mit mehr Kapital und Erfahrung ausgestattet als viele andere. Übereinstimmend betonen sie, die Logistikbranche sei für sie so etwas wie der logische nächste Schritt gewesen. Subtext: Da gibt es eben noch besonders viel Nachholbedarf. Medienbranche und Handel haben das schon hinter sich. Genauer: Sie stecken mittendrin, mit all den hinlänglich bekannten Kollateralschäden.

Auf einen Kampf Digital versus Offline läuft das nicht hinaus. Der ist entschieden. Offline ist auch in der Transportbranche längst kein ausreichendes Modell mehr. Eher könnte es eine Frage der Skalierung werden. Die digitalen Speditionen werden auch in Zukunft wunderbar neben den Großen des Jahres 2017 leben können, die beiden Welten werden sich von verschiedenen Enden aus einander annähern. Gefährlich wird es für die kleinen Speditionen und die Frächter, denen eigene digitale Modelle nur dann helfen werden, wenn sie Schnittstellen zu den Großen entwickeln. Die Frachtenbörsen hingegen – vor 25 Jahren selbst in der Position des gefürchteten digitalen Angreifers – eilen wie Wagners Götter ihrem Ende zu.