Interview : Gebrüder Weiss Air & Sea Geschäftsführer Thoma: "Der Preis hat sich manchmal sogar stündlich neu gebildet"

Coronavirus Logistik

Die Preise bei Luft- und Seefracht sind aufgrund der geringen Kapazitäten zuletzt stark gestiegen. Wie haben sich diese konkret entwickelt? Haben Sie Beispiele?

Lothar Thoma Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Aus knappen Frachtraumkapazitäten haben unsere erfahrenen Mitarbeiter nach Dringlichkeit für die Waren unserer Bestandskunden Laderaum beschafft. Wir haben alle noch zur Verfügung stehenden Optionen der Luftfrachtgesellschaften (Carrier) ausgenutzt und die bestmögliche Variante für unsere Kunden organisiert. Der Preis dafür hat sich täglich, manchmal sogar stündlich neu gebildet. Das ist im Moment Marktwirtschaft in Reinkultur. Wir sind froh, dass wir unseren Kunden in den meisten Fällen eine Lösung vermitteln konnten. Das ist derzeit keine Selbstverständlichkeit und nur dem kreativem „out-of-the-box“-Denken unserer Mitarbeiter zu verdanken.

Wie hat Ihr Unternehmen auf die Preiserhöhungen reagiert?

Thoma Angebot und Nachfrage regeln den Preis derzeit. Wir haben teilweise Kapazitäten in Flugzeugen auf eigenes Risiko gechartert, um unseren Kunden überhaupt eine preislich vernünftige Lösung anbieten zu können. Unsere langjährigen Beziehungen zu den europäischen und asiatischen Airlines haben uns geholfen manchmal auch das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Es gibt keine Standard-Abläufe mehr, jede Sendung ist ein kleines Projekt, das mit enormen Dispositions- und Abstimmungsaufwand organisiert werden muss.

Aufgrund der Maßnahmen ist es zu Verzögerungen im Warenverkehr von China nach Europa bzw. Europa nach China gekommen. Wie hat das konkret in der Praxis ausgesehen?

Thoma Im Wesentlichen wurden die Verzögerungen durch den Shutdown in China im Januar und Februar verursacht. Jetzt läuft die Produktion wieder an und Waren stehen zur Verfügung. Durch die reduzierten Flugpläne der Fluggesellschaften ist ein großer Teil des Frachtraumes weggefallen, denn die meiste Fracht fliegt im Bauch der Passagierflieger (belly-freight). Die reine Frachtflugzeuge können die Kapazitäten nicht ausgleichen. Lufthansa und andere Carrier überlegen derzeit, mit Passagiermaschinen ohne Passagiere zu fliegen und dadurch mehr Frachtraum in den Markt zu bringen.

Wie sieht es mit der Kapazität der Schiffscontainer aus?

Thoma In der Seefracht liegen viele Container noch in bzw. vor den chinesischen Häfen und warten auf Entladung. In Europa und USA fehlen deswegen Container für den Export. Es wird noch einige Wochen dauern, bis sich dieses System wieder eingeschwungen hat. Die Maßnahmen in Europa und in den USA wirken da natürlich nicht positiv. Wir gehen davon aus, dass sich der Export aus China nun relativ schnell wieder auf einem höheren Niveau einpendelt und dann mit vier bis sechs Wochen Verzögerung die Container in Europa wieder zur Verfügung stehen. Dann hängt alles davon ab, wie die Lage in Europa sich bis dahin entwickelt und ob bzw. auf welchem Niveau die Produktion und damit das Exportvolumen läuft.

Welche Branchen/Länder waren besonders betroffen?

Thoma Alle Branchen sind gleichermaßen betroffen. In der Luftfracht waren die Länder in dem Maße betroffen, wie die Fluggesellschaften ihre Passagierflüge eingestellt haben. Mit Einstellung der Passagierflüge stand auch der verfügbare Frachtraum nicht mehr zur Verfügung. Wir konnten unseren Kunden weitestgehend alle Services von oder nach China noch recht umfangreich anbieten, weil die Chinesischen Airlines ihre Flüge nach Europa nicht komplett reduziert haben und wir uns auf unsere langjährige Zusammenarbeit mit dieses Carriern berufen konnten. Die Kapazitäten der europäischen Airlines sind nahezu gleichzeitig komplett weggebrochen.

Wann wird alles wieder „normal“ verlaufen?

Thoma Das wird mindestens zwei Monate dauern, wenn in USA und Europa die Maßnahmen bis Mitte April beendet sind. Dauern die Maßnahmen in Europa oder den USA länger an, dann wird das eine Exportflaute geben und eine Imbalance des Systems durch die Verzögerungen in Europa oder USA entstehen. Während China dann wieder relativ normal arbeitet haben wir dann die Produktionsstaus in den westlichen Ländern.

Wie wird sich die Lage bei der Luft- und Seefracht entwickeln?

Thoma Das hängt von der Dauer der Maßnahmen in Europa und USA ab. Wir hoffen, dass diese bis Ende April zurück genommen werden können und sich die Lage im Mai bzw. Juni erholt. Dann könnte das 2. Halbjahr wieder relativ normal laufen – wenn bis dahin keine Rezession in größerem Umfang eingetreten ist.

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