Hintergrund : Friedrich Merz: Coronakrise könnte den USA und China nützen

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz warnt vor einem Rückschlag für Europas Industrieunternehmen durch eine falsche Rettungspolitik in der Coronakrise. "Wenn Europa nicht aufpasst, werden vor allem China und die USA gestärkt aus der Coronakrise hervorgehen", sagte der Kandidat für den CDU-Vorsitz in einem Reuters-Interview.

"Meine große Sorge ist, dass mit Europas Industrieunternehmen das geschehen wird, was mit Europas Banken nach der Eurokrise passierte – dass sie nach der Krise hinter der Konkurrenz aus den USA und China zurückfallen", betonte Merz.

Die entscheidende Strategie fehlt

Schuld sei eine fehlende strategische Ausrichtung bei der Rettung angeschlagener Firmen. China und die USA seien ohnehin im Vorteil mit einem einheitlichen Markt und einer einheitlichen Regierung. In der Schuldenkrise habe die US-Regierung Banken zwangsrekapitalisiert und China Geldhäuser zwangsfusioniert. "Die Banken aus beiden Ländern sind heute in Europa stärker als je zuvor", sagte Merz.

Die europäische Bankenlandschaft sei dagegen immer noch zersplittert. "Bei den Industrieunternehmen deuten sich jetzt ähnliche Entwicklungen an." Auch Siemens-Chef Joe Kaeser hatte im Reuters-Interview gewarnt, dass vor allem die USA und China aus der Coronakrise gestärkt hervorgehen könnten.

Beispiel Luftfahrtbranche

Als Beispiel für Unterschiede bei den Hilfsmaßnahmen nannte Merz die Luftfahrtbranche. "Die USA haben ihrer Luftfahrtindustrie bereits 50 Milliarden Dollar als Kapitalhilfe in Aussicht gestellt, ohne dass sich die Regierung in die Geschäftspolitik einmischt."

Die deutsche Politik habe dagegen Wochen darüber gestritten, wie man die Lufthansa retten solle. "Und die Koalition konnte sich lange nicht einigen, ob sie nun 25,1 Prozent der Aktien übernehmen soll und Regierungsvertreter in den Aufsichtsrat schickt oder nicht", kritisierte Merz.

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"Politik muss zwei Fragen gleichzeitig beantworten"

Dabei müsse die Politik zwei Fragen gleichzeitig beantworten. Es gehe nicht nur darum, Unternehmen in der aktuellen Krise mit genügend Liquidität auszustatten. Genauso wichtig sei der Blick darauf, wie die strategische Perspektive nach der Krise aussehe, um wettbewerbsfähige Unternehmen in den globalen Märkten zu haben. "Diese strategische Debatte muss auch in Europa geführt werden, nicht nur in Deutschland."

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Deshalb sei auch die deutsch-französische Initiative richtig, die Rahmenbedingungen in der EU so zu verbessern, dass europäische Champions entstehen können. Merz forderte in diesem Zusammenhang Veränderungen im EU-Wettbewerbsrecht. "Es gibt nicht nur Wettbewerb in der EU, sondern weltweit", unterstrich er.

"Wir brauchen große europäische Unternehmen"

Die kartellrechtliche Abgrenzung des sogenannten "relevanten Marktes" könne sich nicht mehr allein auf Europa beziehen. "Wir brauchen gerade nach der jetzigen Krise große europäische Unternehmen, die in der Lage sind, mit den Unternehmen aus den USA und aus China zu konkurrieren", sagte er.

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Ausdrücklich verlangte Merz eine aktivere Rolle der Wirtschaftsminister. "Das ist die Stunde einer europäischen Wirtschaftspolitik. Auch die Bundesregierung darf die strategischen Fragen, um die es jetzt geht, nicht allein der Finanzpolitik überlassen", sagte er.

Zu dem Kandidatenrennen für den CDU-Parteivorsitz sagte Merz, dass es in Ordnung und mit ihm abgesprochen sei, dass die Wahl nun auf dem regulären Bundesparteitag im Dezember stattfinden solle. Es werde wegen der Corona-Pandemie ohnehin Monate dauern, bis die CDU wieder normale Parteiversammlungen abhalten könne. (reuters/apa/red)