Special: "First Place to work" : Flink und wendig: Agiles Arbeiten bei FACC, Andritz & Co.

Google, Netflix, Spotify und Apple tun es. Es ist das Arbeits- und Organisationsmodell der Zukunft. Und auch die heimische Industrie hat die Vorteile des „agilen Arbeitens“, das streng gegliederte Hierarchien und Jobbezeichnungen mit fixen Tätigkeitsbeschreibungen über Bord wirft, für sich entdeckt: Innovationen werden durch das Aufbrechen langer, hierarchisch-linearer Entscheidungswege ausgebremst und große Teile des Potenzials der Mitarbeiter bleiben unerkannt und ungenutzt.

Was aber ist agiles Arbeiten? Während bei herkömmlichen Firmenstrukturen eine Top-down-Führung und -Entscheidung (klassisch: von oben nach unten) vorherrscht, arbeiten agile Firmen in selbstorganisierten, interdisziplinären Teams, die eine hohe Flexibilität und Freiheit genießen. Hier heißt das Leitungscredo: Bottom-up (modern: von unten nach oben). Das Ziel: Die Organisation soll selbstlernend werden. Agiles Arbeiten lässt sich am einfachsten mit Segelbooten vergleichen: Auf so einem Schiff sind verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Für jeden Bereich gibt es einen Profi. Wenn die zusammenwirken, dann kommt die Mannschaft schneller an ihr Ziel. Und diese kleineren Boote sind zudem auch wendiger als ein großer Kahn. In solchen Booten (im agilen Fachjargon: „Squads“ – Teams) sitzen oft nicht mehr als sieben bis zehn Leute. Und davon gibt es mehrere. Sie haben ein Ziel, das sie über sogenannte „Sprints“ zeitlich definieren: das gemeinsame Unternehmen schneller nach vorne zu bringen.

Blum, Mondi oder XXXLutz suchen

Klassische Industrieunternehmen in Österreich sind gerade dabei, solche neuen Arbeitsformen einzuführen. Der global agierende Vorarlberger Beschlägehersteller Blum etwa, der sich allerdings noch nicht wirklich in die Karten schauen lassen will. Ein Blick in die Karriereportale des Landes verrät: Der globale Verpackungskonzern Mondi, der Möbelriese XXXLutz, die Austrian Airlines, das Pharmaunternehmen Roche Diagnostics GmbH, Agfa Healthcare oder Banken wie die Erste Bank und Raiffeisen International suchen derzeit sogenannte Agile Coaches – also Bindeglieder zwischen Teams und Führungsebenen in selbstlernenden Organisationen. Am weitesten in Richtung agiler Arbeitsformen – gemessen an den großen Industrieunternehmen Österreichs – ist bisher die Andritz AG gegangen. Das Grazer Maschinen- und Anlagenbau-Unternehmen hat die sogenannte „Sprint & Scrum“-Methode im Bereich der Informationstechnologie 2016 eingeführt.

Andritz: Sprint & Scrum

Die Idee, die der Grazer Anlagenbauer umsetzt, ist eigentlich revolutionär: Teammitglieder – bei Andritz derzeit im IT-Bereich, der nicht zum Kernbereich des Maschinenbauers gehört – organisieren sich selbst, einen Projektleiter im traditionellen Sinne gibt es nicht. Projektinhalt ist die Herstellung fertiger Produkte – und zwar nicht wie bisher über die Formulierung detaillierter Lasten- und Pflichtenhefte, sondern anhand der erforderlichen Eigenschaften aus Anwendersicht. Diese Anforderungen werden Stück für Stück in kurzen Intervallen, sogenannten Sprints, umgesetzt. Am Ende eines Sprints steht („Scrum“ – Gedränge) die Lieferung eines potenziell lieferbaren Teilprodukts. Im Anschluss an den Zyklus werden Produkt, Anforderungen und Vorgehen überprüft und im nächsten Sprint weiterentwickelt. Michael Buchacher, Chef der Finanz-, Investor Relations- und Communications-Division bei Andritz: „Mit der Einführung des ‚Andritz Agile Process‘ konnte eine beträchtliche Verbesserung in der Übersicht sowie der Planungsgenauigkeit erzielt werden. Damit haben wir die Kundenzufriedenheit erhöht und gleichzeitig die Durchlaufzeit vermindert.“

RHI: Teaminseln und Squads

Auch der weltweit führende Feuerfesthersteller RHI Magnesita bezog am Hauptsitz in Wien vor Kurzem ein neues Headquarter für 400 Mitarbeiter, das alle Stücke spielt. Wert wurde dabei vor allem auf den richtigen Raum gelegt. Für jede Situation gibt es den passenden Raum. Dieses Konzept folgt in etwa dem, was beim agilen Arbeiten als Squad bezeichnet wird: Es gibt Teaminseln und jedes Team sitzt in einem „open office“. Diese sind zwar von den anderen Teams getrennt – aber nicht durch Türen, sondern durch eigens gebaute Bereiche. Jede Veränderung bringt auch Bedenken mit sich. Um dem Open-office-System gleich von Beginn an jede Furcht zu nehmen, ist der RHI-Magnesita-Boss mit gutem Beispiel vorangegangen: Stefan Borgas hat sein Büro schon ein paar Monate vor der Umstellung in ein komplett einsehbares umgewandelt.

Wer dennoch seine Ruhe braucht, der findet bei der RHI Magnesita eigene Räume in mehr als ausreichender Zahl dafür vor: Boxen zum Telefonieren, Projekträume mit kreativen Möbeln (die man selbst zusammenstellen kann) und beschreibbaren Wänden, verschiedene Meeting-Rooms. Herzstück betreffend Mitarbeiterkommunikation ist nun das „Magnesite Cafe“. Hier kann man Gäste empfangen und mit Kollegen tratschen. Das hat bereits zu einer großen Mitarbeiterzufriedenheit geführt. Simone Oremovic, Executive Vicepresident bei RHI Magnesita, zuständig für „People and Culture“ und „Corporate Communications“: „Ein guter Arbeitsplatz trägt wesentlich zur Zufriedenheit im Unternehmen bei. Wer zufrieden ist, erbringt auch höhere Leistungen. Die hohe Kunst der Arbeitsplatzgestaltung ist es, einen Ort zu schaffen, der sowohl Konzentration als auch Interaktion leicht ermöglicht.“ Daneben bietet RHI Magnesita auch für alle ihre 14.000 Mitarbeiter etwas an: E-Learning per App und Sprachen-Training (acht Sprachen) per Skype mit Trainern. Die Sprachenfertigkeit ist hier deshalb so wichtig, weil es die Mobilität vergrößert, um in jedes Land wechseln zu können – wenn Interesse besteht und Bedarf vorliegt.

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FACC: Flexibel in die agile Welt

Die Vorteile der agilen Welt strahlen auch auf die Firmen ab, die noch keine Umstellung diesbezüglich gemacht haben. Viele fahren ihre herkömmlichen Strukturen weiter, weil sie damit bereits viel Erfolg und Anerkennung der Mitarbeiter eingeholt haben, und reichern sie um die moderneren Bausteine an. Ein Unternehmen darunter ist FACC, der oberösterreichische Zulieferer für die Flugzeugindustrie.

Hier genießen Mitarbeiter hohe Arbeitszeitenflexibilität. FACC-Chef Robert Machtlinger: „Wir unternehmen zahlreiche Maßnahmen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und Mitarbeitern ein optimales Arbeitsumfeld zu bieten. Insbesondere jüngere Mitarbeiter legen Wert auf flexible Arbeitszeiten, was FACC bereits mit einer sehr flexiblen Arbeitszeitregelung anbietet. So können Mitarbeiter über die FACC-Modelle frei entscheiden, ob mehr Freizeit, mehr Geld oder ein Mix aus beidem vorrangig ist – je nach momentanem Bedürfnis und eventuellen Prioritäten eines Lebenszyklus.“ Wie das konkret aussieht? Der Airline-Zulieferer hat dabei verschiedene Arbeitsrealitäten zu harmonisieren: Arbeiter und Angestellte.

Im Arbeitsbereich ist man naturgemäß von den fixen Schichtzeiten abhängig. Hier wurden aber Arbeitszeiten-Konten eingeführt, um auch an dieser Stelle einen gewissen Grad an Flexibilisierung zu ermöglichen. Im Angestelltenbereich sieht die Lage anders aus: Für die „White-Collar-Worker“ gibt es ein hochflexibles Gleitzeitmodell, über das bis zu zehn zusätzliche Tage an Zeitausgleich im Jahr konsumiert werden können. Vermehrt wird Mitarbeitern auch die Option eines Home-Office-Arbeitsplatzes eingeräumt. Gelegentlich gibt es auch besondere Regelungen für Mitarbeiter, die etwa längere Ausbildungslehrgänge (etwa einen Master of Business Administration; MBA) absolvieren. Und für Frauen bietet FACC flexible Karenzrückkehrzeiten und Arbeitszeitgestaltung nach Rückkehr aus der Karenz.

Strabag: Am Weg in die Agilität

Mit erheblich mehr Personal muss der Bauriese Strabag jonglieren. Insgesamt sind bei der Strabag SE rund 73.000 Mitarbeiter beschäftigt. Auch hier bestimmen sich die Zeitmodelle nach der Art des Jobs. Zum einen gibt es sogenannte „Vertrauensarbeitszeiten“: Das sind flexible Arbeitsbeginn- und Arbeitsendzeiten, deren Einhaltung – wie der Name schon sagt – auf Vertrauen basiert. Darüber hinaus wird beim größten Bauunternehmen Österreichs auch mobiles Arbeiten unterstützt.

Dafür müssen zwei Voraussetzungen erfüllt werden: Einerseits muss die zu leistende Aufgabe für mobiles Arbeiten geeignet sein und andererseits muss der Angestellte eine Arbeitsplatzausstattung am privaten Arbeitsort haben, die in etwa dem betrieblichen Standard entspricht. Bei Nachjustierungen hilft das Unternehmen, soweit es geht. Einer immer stärker werdenden Forderung kommt auch die Strabag nach: Mütter wollen nach der Karenz wieder nahtlos an ihren alten Job andocken können bzw. auch Karriere in Teilzeit machen. Das ermöglicht die Strabag – über das Eltern-Rückkehr-Management. Auch dabei wird Teilzeit mit Home-Office kombiniert.

OMV: Agiles Arbeiten auch von zu Hause

Auch am Wiener Traditionsunternehmen, der OMV, mit seinen knapp 20.700 Mitarbeitern, ist das Thema der modernen Arbeitswelten nicht spurlos vorübergegangen. Der Öl- und Gaskonzern hat auch einiges getan, um den geänderten Mitarbeiterbedürfnissen und den sich verändernden Arbeitsweisen gerecht zu werden.

Auf die Frage, ob bei der OMV das agile Arbeiten umgesetzt worden ist, antwortet Isabell Hametner, Senior Vice President Human Ressources, so: „Versteht man unter ‚agilem Arbeiten‘ zeitlich und örtlich flexibles Arbeiten, so hat die OMV mit der Gleitzeitvereinbarung inklusive der Möglichkeit der Home-Office-Tage bereits jetzt Maßnahmen gesetzt, die das ermöglichen. Zudem fördern zunehmend diverse Human-Ressource-Prozesse gemäß den derzeitigen Digitalisierungs- und Automatisierungsanforderungen auch das agile Arbeiten.

Unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen steht beispielsweise eine App

zur Verfügung. Eintragungen von Zeitbuchungen, Abwesenheiten sowie das Abrufen von eigenen Daten wie z. B. Urlaubsanspruch oder Gehaltsnachweis können bequem über das Mobiltelefon eingetragen bzw. abgerufen werden.“