Erdgas : Fall Nawalny bringt Nord Stream 2 in Gefahr

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Der Kreml hat Vorwürfe gegen die russische Regierung im Zusammenhang mit der Vergiftung des Oppositionsführers Alexej Nawalny als "absurd" zurückgewiesen. "Versuche, Russland irgendwie damit in Verbindung zu bringen, sind für uns inakzeptabel, sie sind absurd", sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, vor Journalisten in Moskau. "Wir erwarten, dass wir in den kommenden Tagen Informationen bekommen", sagte Peskow mit Verweis auf das Rechtshilfeersuchen der russischen Behörden an Deutschland. "Wir sind gespannt."

Das russische Außenministerium hatte Berlin zuvor vorgeworfen, die Ermittlungen im Fall Nawalny zu verschleppen. Dies wies der deutsche Außenminister Heiko Maas als "schlichtweg falsch" zurück. Zugleich verwies der Außenminister auf noch laufende Untersuchungen an der Berliner Charité, wo der russische Oppositionelle behandelt wird. Maas forderte, Russland müsse seinerseits seine Untersuchungsergebnisse nach der zweitägigen stationären Behandlung Nawalnys im sibirischen Omsk an Deutschland übergeben. "Viele Spuren" zu dem Fall lägen bisher nur in Russland vor.

Nord Stream 2: Merkel schließt erstmals Sanktionen nicht aus

Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel schließt indes nicht mehr aus, dass die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2, an der auch die österreichische OMV beteiligt ist, von möglichen Sanktionen gegen Russland betroffen sein könnte. Merkel schließe sich den Aussagen Maas' vom Wochenende an, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Maas hatte gesagt, er hoffe, dass Russlands Reaktion nicht dazu führe, dass man das Projekt überdenken müsse.

Es sei falsch, ein Element aus der Diskussion auszuschließen, so Seibert. Allerdings sei es viel zu früh für eine Entscheidung. Die EU habe eine Rechtsgrundlage für Nord Stream 2 gegeben, das ein europäisches und kein deutsches Projekt sei, sagte Seibert. Im übrigen gebe es weitere Pipeline-Projekte wie Turk-Stream, die ebenfalls russisches Gas nach Europa liefern sollen.

Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums antwortete auf die Frage nach möglichen Störungen der Gasversorgung bei einem Baustopp, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland "sehr hoch" sei. Der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, warnte unterdessen vor einem Imageschaden für die EU und Deutschland als sicherer Investitionsstandort durch einen Baustopp.

Österreichs Außenminister und deutsche Wirtschaft warnen

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat sich bisher dagegen ausgesprochen, an dem Projekt zu rütteln. Auch der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft warnt vor einem Imageschaden für den Standort Deutschland, falls die Gaspipeline kurz vor ihrer Fertigstellung noch gestoppt werden sollte. "Für das Image der EU und Deutschlands als bisher sicherer Investitionsstandort würde dies eine erhebliche Belastung bedeuten", teilte der Vorsitzende Oliver Hermes auf der Homepage des Ostausschusses mit.

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Wer den Anschlag auf Nawalny durchgeführt hat, ist unklar

Nawalny war am 20. August während einer Wahlkampftour auf einem Inlandsflug zusammengebrochen. Er wird in der Berliner Charité behandelt und liegt noch immer im Koma. Die deutsche Regierung hatte vergangene Woche erklärt, Nawalny sei "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden; sie verlangte von der russischen Regierung Aufklärung. Das Gift war in den 1970er Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern entwickelt worden.

Der Arzt, der Nawalny im sibirischen Omsk behandelt hatte, widersprach den Erkenntnissen aus Deutschland. Laborergebnisse hätten dies nicht bestätigt, sagte der behandelnde Arzt Alexander Sabajew. Es habe bei Nawalny stattdessen alles auf eine Stoffwechselstörung hingedeutet. Deshalb habe man die Behandlung mit Atropin abgebrochen. "Als Toxikologe bin ich mir sicher: Es war kein Nowitschok da", sagte Sabajew.

Aus Sicht von Nawalnys Unterstützern deutet der Einsatz des Nervengifts darauf hin, dass nur der russische Staat verantwortlich sein kann. Der Kreml wies von Beginn an jede Verwicklung in den Giftanschlag auf den prominentesten Kritiker von Staatschef Wladimir Putin zurück. (APA/AFP/dpa/Reuters/APA/red)