Wettbewerb Effizienteste Produktion : Fabrik2010: Motivationsschub und Pulsanstieg

Hampf Fabrik 2010
© Waldner

Im Opel-Werk Wien-Aspern entfachte Wilfried Sihns Aufruf zur Teilnahme zweifellos Wind. „Bei Fabrik2010 handelt es sich nicht um einen Schönheitswettbewerb“, stellte der Fraunhofer-Produktionsexperte im Vorfeld des Wettbewerbs klar. Es gehe um „eine objektive Messung des Wirkungsgrads heimischer Betriebe“. Diese Ausrichtung auf nationale Betriebe „gab für uns den Ausschlag, dabei zu sein“, erzählt Rudolf Hamp, Generaldirektor GM Powertrain-Austria. Benchmarks erhebe man zwar laufend. „Meist aber nur im internationalen Automotive-Segment“, so Hamp. Also legte man für Fraunhofer die Kennzahlen der Wiener Opel-Produktion offen. Sie beeindruckten das Prüfteam so sehr, dass der Betrieb ins Vorfinale preschte. Die Suche nach dem besten Produktionsstandort geht damit jetzt erst richtig los: Jeweils einen Tag lang nimmt Fraunhofer die betrieblichen Abläufe der zwölf Vorfinalisten vor Ort unter die Lupe. Hamp: „Es ist spannend, aus einer völlig anderen Ecke beleuchtet zu werden“. Messen mit den Besten. Die Pulszahl steigt im Wettbewerb von Fraunhofer Österreich, Factory und INDUSTRIEMAGAZIN: In wenigen Tagen schon erwarten die ersten Vorfinalisten Besuch vom Fraunhofer-Team. „Für die Ermittlung der drei Finalisten betrachten wir die Betriebe entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette“, berichtet Daniel Palm, Geschäftsbereichsleiter Produktions- und Logistikmanagement bei Fraunhofer Austria. INDUSTRIEMAGAZIN blieb gerade noch Zeit, Stimmen in den Unternehmen einzufangen. Wie begründet man die Teilnahme? Was zeichnet die Produktionsstandorte aus? In den Betrieben nahm man sich – so viel sei vorweg verraten – kein Blatt vor den Mund. „Einen Spiegel vorhalten“ soll der Wettbewerb dem Autozulieferer Mahle Filtersysteme Austria. Im Oktober 2009 schaltete der Betrieb in St. Michael ob Bleiburg seine Lean-Organisation scharf. „Wir sind als verlängerte Werkbank angetreten und in den Jahren hochgewachsen“, begründet Geschäftsführer Klaus Schöffmann die Neuausrichtung auf Wertströme. Im Zuge des Wettbewerbs will man herausfinden, „ob die Richtung stimmt“, so Schöffmann. Bereits 2009 hat der Kranhersteller Palfinger Europe am Betriebswirtschaftlichen Branchen-Quick-Check teilgenommen. „Jetzt wollen wir uns auch hinsichtlich Produktionsorganisation mit den Besten messen“, sagt Kaizen Koordinator Wilfried Marketz. „Wir hoffen auf ein hochkarätiges Teilnehmerfeld“, betonte im Vorfeld auch Johann Seif, Supply Chain Manager beim Vorfinalisten Henkel Central Eastern Europe. "Schöne Auszeichnung".Der Vorstoß ins Vorfinale sei „eine schöne Auszeichnung“, erzählt Helene Leitner vom Kärntner Metallurgie- und Chemiespezialisten Treibacher Industrie. Die Fäden der Wettbewerbsvorbereitung liefen in ihren Händen zusammen. Keine leichte Aufgabe: „Am Standort Althofen haben wir zwölf Produktionen – von Pulvern für die Hochleistungskeramik bis hin zu Ferrolegierungen für die Stahlproduktion“, erzählt die Marketingleiterin. Ihr gelang es dennoch, alle Qualitätsprofis an einen Tisch zu holen: „Gemeinsam entschieden wir uns für einen repräsentativen Querschnitt, den wir den Auditoren vorstellen werden“, verrät sie. „Schon der Informationsrückfluss an sich ist ein Ereignis“, findet Thomas Bischof, Produktionsleiter von Zumtobel Lighting. Selbst wenn es die Dornbirner Lichtspezialisten nicht ins Filiale schaffen sollten: Aussagekräftige Benchmarkdaten vonseiten der Fraunhofer-Forscher sind dem Unternehmen gewiss. Lesen Sie auf Seite 2 warum sich Bosch, Infineon, Zumtobel und Senoplast Chancen ausrechnen.

Die Wettbewerbsteilnahme „löste bei uns im Haus einen zusätzlichen Motivationsschub aus“, erzählt Mondi Neusiedler-Geschäftsführer Karl Grill. Ein objektiver Check der eigenen Werke – „das hat Charme“, so Grill. Er rechnet sich gute Chancen für ein Erreichen der Finalrunde aus: „Wir haben bei der Herstellung grafischer Papiere auch in der Krise eine hervorragende Leistung gezeigt“, betont Grill. Mit der Teilnahme wolle man der Fachwelt „seine Leistungsfähigkeit an den vier Papiermaschinen und der Zellstofffabrik zeigen“, so Grill. Dem harten Wettbewerb stellt sich auch der Chiphersteller Infineon Technologies Austria. Die Villacher betreiben derzeit eine der größten Halbleiter-Fabriken Europas. In starken Jahren verlassen 25 Milliarden Chips das Werk. Doch „vergleiche man sich meist nur mit Mitbewerbern“, erzählt der Produktionsleiter Otto Graf. Demnächst führt es ihn nach Belgien, wo er sein Unternehmen bei der Vereinigung der Halbleiterhersteller vertritt. Beim Fabrik2010-Award, so sagt er, biete sich die eimalige Gelegenheit, mit anderen Branchen in Wettbewerb zu treten. Das könnte schöne Mitnahmeeffekte bringen: „Wir wollen von der Logistikkette der Automobilzulieferer lernen“, gibt Graf ein Beispiel. Optimierungspotentiale heben will man auch bei der Piesendorfer Senoplast. „Wir erwarten uns konkrete Verbesserungsvorschläge für unsere Produktion“, sagt Produktionsleiter Ernst Rattensperger. Eine Schwachstelle des Herstellers von Kunststoff-Halbzeugen zum Thermoformen sei „unser veraltetes BDE-System“, verrät Rattensperger. Die Betriebsdatenerfassung erfolge noch manuell – dafür könnte es Punkteabzüge geben. „Keiner soll mit dem Erreichten sich zufrieden geben, sondern stets danach trachten, seine Sache noch besser zu machen“, formulierte Robert Bosch 1940 prägnant. Der Leisatz hat am Standort Hallein auch siebzig Jahre später noch Gültigkeit. „Die kontinuierliche Verbesserung ist in unserer Unternehmenskultur fest verankert“, schildert Michael Humer, Leiter des Veränderungs- und Verbesserungsmanagements. Der Fraunhofer-Wettbewerb kommt da wie gerufen: „Er soll Ansporn für unsere Mannschaft sein“, betont Humer. Standort-Kür.Was macht die zwölf Fertigungsstandorte, die im Vorfinale um die Wette glitzern, nun so besonders? Bei Mondi Neusiedler ist man stolz auf den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Tagtäglich wird er an den Standorten Hausmening und Kematen an der Ybbs gelebt. „Die große Zahl der eingebrachten Vorschläge zeugt vom Interesse unseres Teams, anderen stets ein paar Schritte voraus zu sein“, streicht Geschäftsführer Karl Grill hervor. Und er verweist auf eine tadellose Bilanz, die die Auditoren beeindrucken könnte: „Per Mitte Mai ist unsere Fabrik seit 480 Tagen unfallfrei“. Bei Zumtobel Lighting hebt man das „unkomplizierte Miteinander“ der flexibel arbeitenden Belegschaft hervor. In Villach könnte den Fraunhofer-Prüfern die hochmoderne Dünnstwaferfertigung der Infineon Technologies Austria gefallen. Im Vorjahr bereits für den Staatspreis Innovation nominiert, „arbeiten hier Mensch und Roboter eng zusammen“, streicht Produktionsleiter Otto Graf hervor. Bosch will die Auditoren mit den „schlanken Produktions- und Logistikprozessen“ beeindrucken. Sie hätten sich bei der Fertigung von Dosiersystemen für LKWs „besonders in der konjunkturschwachen Zeit bewährt“, erzählt Michael Humer, Leiter des Veränderungs- und Verbesserungsmanagements. Suche nach dem grünsten Betrieb. Ein Sonderpreis wartet auf den energieeffizientesten Betrieb im Lande. „Wir bewerten das Verhältnis von Energieeinsatz und Output sowie konkret umgesetzte Einsparprojekte“, erklärt Fraunhofer Austria-Experte Daniel Palm. „Mit dem Erreichen der ISO 14001 zeigen wir schon seit vielen Jahren große Sensibilität für ressourcenschonende Produktion“, betont Manfred Gerger, Geschäftsführer der Hella Fahrzeugteile Austria in Grosspetersdorf. Bei Mondi Neusiedler rechnet man sich ebenfalls gute Chancen auf den Preis aus. Durch eine Reihe von Energiesparmaßnahmen – etwa eine effizientere Fabriksbeleuchtung oder die Reduktion des Thermokompressordampfdrucks – „senkten wir den Energieverbrauch in der Papiererzeugung seit 2000 um 14 Prozent (2009: 2350 Megawattstunden pro Tonne)“, sagt Geschäftsführer Karl Grill stolz. Bei Infineon Technologies Austria ist die Zuversicht nicht minder groß, punkten zu können. Das Unternehmen produziert nicht nur spezielle Halbleiter, die den Energieverbrauch von Servern reduzieren. „Wir bringen uns auch in der Elektromobilitäts-Initiative Austria Mobile Power ein“, sagt Produktionsleiter Otto Graf. Gut aufgestellt glaubt sich auch der Kärntner Metallurgie- und Chemiespezialist Treibacher Industrie. Zuletzt optimierte man unter anderem den Herstellungsprozess von Vanadiumoxid. „Wir konnten die Temperatur bei der Erzeugung des Ausgangsstoffs für Ferrovanadium – ein Zusatz bei der Stahlerzeugung – um einige Grad absenken“, berichtet die Projektleiterin Helene Leitner. Seit letztem Jahr nutzt man verstärkt Abwärme - etwa aus der Drucklufterzeugung – für Prozesswärme. Naturverbunden.Bei Bosch in Hallein sind energieeffiziente Lösungen ebenfalls kein Lippenbekenntnis: „Unser Abgasnachbehandlungssystem reduziert Stickoxide im Abgas um 85 Prozent und senkt so den Kraftstoffverbrauch“, schwärmt Michael Humer, Leiter Veränderungs- und Verbesserungsmanagement. Die Umstellung auf CO2-neutrale Fernwärme im Jahr 2008 dürfte seitens der Fraunhofer-Forscher Gutpunkte bringen. Auf eine Kooperation mit dem Fernwärmeheizwerk Piesendorf kann Senoplast verweisen. „Wir stellen 3800 Einwohnern Energie bereit“, sagt Produktionsleiter Ernst Rattensperger. Auch von der Naturverbundenheit des Betriebs kann man sich südlich vom Standort ein Auge machen: „Wir legten ein Gewässer, den Rossbach, offen“, erzählt Rattensperger stolz. Seit 2006 gibt es dort nun eine Biotopanlage. Wie Fraunhofer das findet, bleibt abzuwarten. Bei Naturfreunden entfachte das Biotop jedenfalls Wind. Daniel Pohselt