Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH : Ex-ÖIAG-Aufsichtsratschef Mitterbauer: „Für die Zukunft der ÖBIB bin ich skeptisch“

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Herr Mitterbauer, überrascht Sie das Ausmaß der öffentlichen Kritik, die seit Sommer über die ÖIAG hereingebrochen ist?

Mitterbauer: Das ist nichts Neues. Die ÖIAG hatte immer einen schweren Stand in der Öffentlichkeit. Sie kontrolliert die staatlichen Anteile an einigen der wichtigsten Unternehmen der österreichischen Wirtschaft. Und da geht es immer um Politik und um Kategorien wie "unsere Leute" und "deren Leute". Das sorgt für einen ständigen Fluss an Neuigkeiten in die Redaktionsräume.

Wie politisch unabhängig war der ÖIAG-Aufsichtsrat in der Realität?

Vollkommen unabhängig. Das war eine meiner Bedingungen, als ich 2006 die Position übernommen habe. Natürlich gab es stets einen intensiven Austausch zwischen dem Finanzminister als Eigentümervertreter und der ÖIAG. Aber es gab keine Anweisungen oder Wünsche, denen wir nachkommen hätten müssen. Die ÖIAG hat unter meiner Mitwirkungszeit vollkommen weisungsfrei agieren können.

Es gibt dazu auch andere Darstellungen. Ihr Nachfolger als ÖIAG-Aufsichtsratschef, Siegfried Wolf, wird in einem "Kurier"-Interview vom 17.10.14 mit den Worten zitiert, dass er anstehende Aufsichtsrats-Nachbesetzungen mit den Verantwortlichen der Regierung absprechen würde. Wörtlich: „Jedes Aufsichtsrats-Mitglied hat ein Vorschlagsrecht, diese Vorschläge wurden diskutiert und anschließend an den zuständigen Finanz-Minister kommuniziert und abgestimmt.“ Dies beschreibt alles andere als den Sachverhalt der „Weisungsfreiheit“ und „Unabhängiglkeit“.

Ich spreche nicht über die Zeit nach meinem Rückzug aus dem Aufsichtsrat. Wie es da war, weiß ich nicht. Definitiv ist, dass es während meiner Zeit als Präsident keine diesbezüglichen Weisungen des Finanzministeriums oder anderer politischer Institutionen gab.

Frühere AR-Mitglieder sprechen von "informellen Prozessen", über die Einfluss genommen wurde ...

Ich weiß nicht, von wem Sie da sprechen. Es gab natürlich ständige Kontakte zu den Eigentümervertretern. Die ÖIAG war kein Selbstläufer. Aber – und das ist mir jetzt wichtig – es gab keine Weisungen seitens der Politik, weder formell noch informell. Wenn ein neues Aufsichtsratsmitglied zu bestellen war, dann hatte jedes AR-Mitglied ein Vorschlagsrecht, die dann im Gremium diskutiert wurden und letztendlich zur Abstimmung gebracht wurden – alle waren einstimmig. Das Finanzministerium wurde danach informiert, mehr aber nicht. Ich habe weder bei Grasser oder Molterer noch bei Pröll, Fekter oder Spindelegger angefragt, ob Kandidaten passen.

Der ÖIAG-Aufsichtsrat hat das Image eines automotiven Lobbyingverbandes mit weidmännischen Amigo-Verstrickungen. Wie kommentieren Sie diese Darstellung?

Dies ist eine unsägliche Diffamierung und Schwachsinn, und wird auch durch permanente Wiederholung nicht wahr. Ich wusste auf Grund meiner Erfahrungen, dass man nicht wehleidig sein darf, wenn man eine derartige Funktion übernimmt. Was aber an persönlichen Anwürfen abgelaufen ist, das hat den normalen Rahmen weit gesprengt.

Es ist aber Fakt, dass die Karrieren und wirtschaftlichen Interessen vieler Mitglieder zahlreiche Überschneidungen aufweisen …

Ich habe die meisten der Aufsichtsratsmitglieder erst durch die ÖIAG kennengelernt. Die einzelnen Personen wurden ständig nach einem bestimmten inhaltlichen Profil ausgesucht und gewählt. Es ist nicht immer einfach, die Position einer international erfahrenen Wirtschaftsrechtlerin mit Kenntnissen in der Industrie zu identifizieren und die Expertin dann auch noch für eine Mitarbeit im ÖIAG-Aufsichsrat zu gewinnen. Dass ihr Ehemann leitender Mitarbeiter in jenem Konzern ist, für den auch Siegfried Wolf arbeitet, darf kein Ausschließungsgrund sein.

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Sie sprechen von Frau Zöchling-Jud, Zivilrechtsprofessorin an der Uni Wien. Aber ist die Optik aus Ihrer Sicht nicht fragwürdig?

Es ist absurd, aus diesen Zufälligkeiten ein Komplott oder eine Verschwörungstheorie zimmern zu wollen. Was wir nicht gemacht haben, ist nach der politischen Couleur der Kandidaten zu schauen. Wir haben nie in diesen Schubladen gedacht, und dies ist es auch, was uns zum Vorwurf gemacht wird. Auch Brigitte Ederer ist wegen ihrer Industrie- und Führungserfahrung gewählt worden und nicht wegen ihrer früheren Funktionen in der Politik. Da geht es doch um Kompetenz und Urteilsvermögen und nicht darum, wie das ganze farbmäßig ausschaut. Es war und ist unfair, die Integrität von Menschen auf Grund derartiger Vorwürfe in Frage zu stellen.

Eine der gravierendsten Ereignisse in der jüngsten ÖIAG-Geschichte war die feindliche Übernahem der Telekom Austria durch den mexikanische Telekomkonzern American Movil. In der Öffentlichkeit blieb das Bild der dilettantisch vorbereiten Aufsichtsratssitzung hängen, in der ein Syndikatsvertrag mit den Mexikanern zu scheitern drohte, weil Sie und drei Kapitalvertreter sich abgemeldet hatten. Wie konnte das passieren?

Die Vorgänge treffen mich heute noch. Der Termin des 23. April war aus verschiedenen juristischen Gründen notwendig und konnte nicht weiter nach hinten gelegt werden. Als ich den Aufsichtsratstermin ausschrieb, wusste ich, dass dies die erste Sitzung sein würde seit meinem Eintritt in den Aufsichtsrat, an der ich nicht teilnehmen konnte. Ich hatte aus Anlass eines runden Geburtstages meiner Schwester seit langem meine Familie zu einer Pilgerreise nach Israel eingeladen.

Aber es handelte sich um eine der wichtigsten Aufsichtsratssitzungen der ÖIAG der vergangenen zehn oder 15 Jahre ...

Das war auch der Grund, warum ich im Vorfeld besonderen Wert darauf gelegt habe, die Beschlussfähigkeit des Gremiums sicherzustellen. Ich hatte die persönliche Zusage der Belegschaftsvertretung, dass sie an dem Termin anwesend sein werden. Das hat mir Herr Köstinger (Betriebsratsvorsitzender der Österreichischen Post AG, Anm. der Redaktion) in die Hand versprochen. Und dann kam am Tag der Aufsichtsratssitzung um fünf Uhr in der Früh ein SMS an den Herrn Kemler (CEO der ÖIAG, Anm. der Redaktion) und den stellvertretenden Vorsitzenden Wolf, dass sämtliche fünf Belegschaftsvertreter der Aufsichtsratssitzung fernbleiben würden. Es hat da offensichtlich eine lange nächtliche Sitzung von Gewerkschaft, Arbeiterkammerdirektoren, Belegschaftsvertretern und Parteiverantwortlichen gegeben, in der ganz am Ende der Boykott angeordnet wurde. Für mich war dies ein Wortbruch, wie ich ihn bis heute noch nicht erlebt habe.

Sie sind dann mit der Privatmaschine von Herrn Wolf eingeflogen worden ...

Falsch. Ich war am See Genezareth und bin nach einer ersten Verständigung zurück in unser Hotel, habe meine Reisedokumente geholt und habe den ersten Linienflug nach Wien genommen. Gleichzeitig wurde auch noch Herr Winkler, der sich wie Frau Ederer und Herr Riklin ebenfalls entschuldigt hatte, nach Wien gebeten, und um 9 Uhr Abends waren wir beschlussfähig. Am nächsten Mittag war ich wieder in Israel, aber die ganze Sache hat mir, der ÖIAG und allen, die mit ihr zu tun haben, enorm geschadet. Ich hatte den Zusagen der Belegschaftsvertreter vertraut und bin am Ende wie ein Mensch dagestanden, der lieber auf Urlaub fährt als seinen Pflichten nachkommt. Und das ist mir nicht gleichgültig.

Warum hat die ÖIAG nichts gegen die Übernahme durch American Movil getan?

Was hätten wir tun sollen? Da wurden die Aktien am freien Aktienmarkt sukzessive aufgekauft und letztendlich in Bausch und Bogen an American Movil weitergegeben ...

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Man wehrt sich gegen eine feindliche Übernahme, indem man selbst Kaufangebote an die Aktionäre legt ...

Dies stand nie zur Diskussion, und das hätten wir auch nicht dürfen. Wir befanden uns in einem normalen marktwirtschaftlichen Prozess, in dem Streubesitz aufgekauft wurde. Ich selber habe Herrn Pecik (Wr. Geschäftsmann, der den Aktienaufkauf tätigte, Anm. d. Redaktion) in dem Zusammenhang das erste Mal kennengelernt. Unter den gegebenen Umständen haben wir mit dem Syndikatsvertrag das Beste für Österreich rausgeholt. Davon bin ich bis heute überzeugt.

Hat sich die ÖIAG nicht eher mutlos ihrem Schicksal ergeben? Die Vorgänge damals waren so undurchsichtig und in der Öffentlichkeit wenig thematisiert, dass bis heute immer noch 90 Prozent der Österreicher glauben, die ÖIAG hätte die Telekom Austria verkauft.

Noch einmal: Wir konnten nichts dagegen tun. American Movil hat am freien Markt die Aktienmehrheit an der Telekom Austria erworben. Die ÖIAG hat dabei keine einzige Aktie abgegeben, muss sich aber mit den neuen Mehrheitsverhältnissen arrangieren. Mit dem neuen Hauptaktionär konnten wir nach intensiven Verhandlungen einen Syndikatsvertrag abschließen, in dem festgelegt ist, dass das Headquarter in Österreich bleibt, wo die ÖIAG als Minderheitsaktionär den Vorstandsvorsitzenden vorschlägt und den Aufsichtsratsvorsitzenden stellt, wo das Innovationszentrum in Österreich bleibt und vieles mehr. Ein Mehrheitseigentümer muss dies nicht versprechen. Da hat die ÖIAG das Maximum rausgeholt. Dabei bleibe ich.

Die Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH ÖBIB soll mit März die ÖIAG ersetzen. Es wird keinen Aufsichtsrat mehr geben, der Finanzminister ist direkt weisungsbefugt an den Generalsekretär. Was sagen Sie zu den ÖBIB-Plänen?

Die kenne ich im Detail nicht.

Das glaube ich jetzt nicht, Herr Mitterbauer. Sie nehmen doch sicher Anteil an der Entwicklung eines Gremiums, dem Sie acht Jahre lang vorstanden.

Ich weiß das, was die Medien transportieren. Und daraus schließe ich, dass die Politik die verstaatlichten Beteiligungen wieder voll in ihren Einflussbereich bringen wird. Ich habe in der Vergangenheit beobachtet, was dies bedeuten kann. Als gelernter Österreicher bin ich für die Zukunft skeptisch.

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Zur Person Peter MItterbauer: Industriellenvereinigung und ÖIAG

Peter Mitterbauer, Jahrgang 1942, war von 1996 bis 2004 Präsident der Industriellenvereinigung und von 2006 bis Juni 2014 Vorsitzender des ÖIAG-Aufsichtsrates. Der Senior-Chef, der den Unternehmensvorsitz im Sommer 2013 an seinen Sohn Peter übergeben hat, ist in seinem eigenen Aufsichtsrat nur gewöhnliches Mitglied. Das 610-Mio-Euro-Umsatz-Unternehmen Miba tätigt sein Kerngeschäft im automotiven Zulieferbereich.