Management-Tipp : EU-Meldepflichtgesetz: Heute schon gemeldet?

Den 5. November wird Herr Blum wahrscheinlich noch länger nicht vergessen. Herr Blum, das ist der gewissenhafte Kollege aus der Buchhaltung eines kleinen Industriebetriebs in Österreich. Der 5. November, das war der Tag, an dem er eine Zahlung in die Vereinigten Arabischen Emirate veranlasst hat. In Folge einer steuerlichen Betriebsprüfung wurde ihm nunmehr eine Strafe vom Finanzamt per Brief zugestellt, da diese Zahlung gemeldet hätte werden müssen. Dies war Herrn Blum leider nicht bewusst.

Worum geht es?

Mit dem EU-Meldepflichtgesetz (EU-MPfG) wurde eine EU-Vorgabe in Österreich umgesetzt, nach der potenziell aggressive grenzüberschreitende Steuergestaltungen an die Finanzverwaltung zu melden sind. Dabei sind die meldepflichtigen Transaktionen allerdings keinesfalls immer „steuerlich aggressiv“, sondern umfassen auch „normale Alltagstransaktionen“, die in jedem Unternehmen regelmäßig auftreten können – wie eben jene Transaktion in unserem fiktiven Einleitungsbeispiel.

Um internationale Steuerplanung und Gewinnverlagerungen in Staaten mit günstigeren Steuersystemen zu begrenzen, wurde in allen EU-Mitgliedsstaaten eine Meldepflicht, das sogenannte „Mandatory Disclosure Regime“ oder kurz „MDR“, geschaffen. Die Meldepflicht soll es den nationalen Steuerbehörden ermöglichen, frühzeitig Informationen zu Steuerplanungspraktiken zu erhalten, um Steuerschlupflöcher zeitnah schließen zu können.

Wer hat zu melden?

Die Meldepflicht trifft grundsätzlich sogenannte Intermediäre, d. h. Berater wie insbesondere Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare, aber auch Banken, Family Offices und Steuerabteilungen in Konzernen. Allerdings sind auch Unternehmen selbst meldepflichtig, wenn kein Intermediär in die Transaktion involviert war oder dieser einer Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegt. Da das in Österreich beispielsweise für Steuerberater und Rechtsanwälte zutrifft, besteht die Meldepflicht in der Praxis vorrangig für die Unternehmen selbst.

Was ist zu melden?

Der Katalog meldepflichtiger Gestaltungen ist sehr umfangreich. Zum Beispiel sind konzerninterne Zahlungen an Gesellschaften in bestimmten Ländern ebenso meldepflichtig wie bestimmte Überführungen von Wirtschaftsgütern oder Funktionsverlagerungen. Auch ein bloßer Forderungsverzicht kann unter bestimmten Umständen bereits meldepflichtig sein. Dabei gilt für Österreich wie für die meisten europäischen Länder, dass im Wesentlichen lediglich grenzüberschreitende Transaktionen, die die Einkommens- und Körperschaftsteuer betreffen, zu melden sind. Einzelne Länder handhaben dies strenger und inkludieren beispielsweise umsatzsteuerliche Sachverhalte oder auch rein innerstaatliche Transaktionen.

Wie und bis wann ist zu melden?

Relevante Gestaltungen, die zwischen 25.6.2018 und 30.6.2020 umgesetzt wurden, waren bereits bis 31.10.2020 via Finanz Online zu melden. Ebenso waren verwirklichte Gestaltungen zwischen 1.7.2020 und 1.10.2020 bereits bis 31.10.2020 zu melden. Seitdem sind Gestaltungen innerhalb von 30 Tagen zu melden. Dabei ist zu beachten, dass der Fristenlauf unter anderem bereits beginnt, wenn die Gestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wurde – also beispielsweise wenn ein Berater ein umsetzbares Strukturpapier übergeben hat oder der Steuerberater das Unternehmen vom Übergang der Meldepflicht informiert hat. Die Meldungen werden in der Folge mit den Finanzbehörden der anderen EU- Mitgliedsstaaten ausgetauscht. Nicht- oder Falschmeldung werden in Österreich mit bis zu 25.000 Euro bei grober Fahrlässigkeit oder bis zu 50.000 Euro bei Vorsatz – jeweils pro Fall – geahndet. Eine nachträgliche Straffreistellung durch Selbstanzeige – wie dies bei anderen steuerlichen Verstößen durchaus möglich ist – ist bei Meldeverstößen ausgeschlossen.

Was müssen Industriebetriebe jetzt tun?

Aufgrund der potenziell sehr weitreichenden Meldepflichten sind nahezu alle grenzüberschreitend tätigen Industrieunternehmen von der Meldepflicht betroffen und müssen daher geeignete Vorkehrungen zur Erfüllung des EU-MPfG treffen.

Wir empfehlen, mit einer Impact-Analyse zu starten und Prozesse zur Informationsbeschaffung von relevanten Stellen im Konzern festzulegen, da in der Regel viele Abteilungen innerhalb kürzester Zeit eingebunden werden müssen. Auch der entsprechende Knowledge-Aufbau zur Identifikation potenziell meldepflichtiger Gestaltungen sowie die Erstellung von Checklisten und Schulungskonzepten gehören dazu. Unternehmen müssen zudem lokale Anforderungen und allenfalls weitergehende Verpflichtungen in anderen betroffenen Staaten mitbedenken. Zudem gilt es, betroffene Berater und andere Konzerngesellschaften zu koordinieren, um Doppelmeldungen zu vermeiden. Außerdem muss die Organisation der Meldepflicht an das Finanzamt an sich und die Dokumentation der Prozesse in Handbüchern, Guidelines und Policies sowie der meldepflichtigen und auch nicht-meldepflichtigen Gestaltungen zur Vorbereitung auf Betriebsprüfungen unbedingt von Beginn an mitbedacht werden. Das gilt im Übrigen auch für IT-Lösungen, denn digitale Tools sollten auf jeden Fall zur einfacheren und zeitsparenden Umsetzung eingeplant werden.

Die oben genannten Prozesse und Aufgaben vervollständigen jedenfalls ein steuerbezogenes internes Kontrollsystem, womit einem möglichen Vorwurf von Fahrlässigkeit und finanzstrafrechtlichen Konsequenzen vorgebeugt werden kann.

Fazit

Zur Erfüllung der Compliance-Verpflichtung und zur Abwehr finanzstrafrechtlicher Konsequenzen sollten Unternehmen zeitnah Prozesse zur Identifikation potenziell meldepflichtiger steuerlicher Gestaltungen, zur Informationsbeschaffung, zur Dokumentation meldepflichtiger, aber auch nicht-meldepflichtiger Gestaltungen und zur Abwicklung der Meldung etablieren und Berater frühzeitig einbinden. IT-Lösungen können bei der Bewältigung der neuen Anforderungen unterstützen.

Dr. Patrick Plansky ist Steuerberater bei EY Österreich. In seiner Rolle als Country MDR Leader berät er Unternehmen nicht nur bei Impact-Analysen und der Identifikation von meldepflichtigen Transaktionen, sondern auch beim Aufbau von Organisationsstrukturen zur Erfüllung dieser neuen Compliance-Verpflichtung und damit der Vermeidung von finanzstrafrechtlichen Konsequenzen.