Türkis unter Beschuss : Ermittlungen gegen Kurz: „Jeder kämpft um sein Leiberl“

TSA-Chef Günther Eichhübl
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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Eichhübl, in den U-Ausschüssen der Republik geht es rund. Nicht schön anzusehen, oder?

Günter Eichhübl: In der Tat nicht. Es braucht diese wichtigen Kontrollmechanismen im Parlamentarismus. Doch wer das Schauspiel verfolgt, gewinnt den Eindruck, all das ist auch ein gefundenes Fressen für die politischen Gegner. Da wird der Ausschuss für Lächerlichkeiten missbraucht, anstatt sich jetzt auf die wirklich wesentlichen Dinge zu konzentrieren.

Sie meinen vermutlich, wirtschaftlich heil aus der Pandemie zu kommen?

Eichhübl: Es wird so wahnsinnig viel Energie verschleudert. Jeder kämpft um sein Leiberl. Und da muss sich auch der Kanzler an die Nase fassen. All die Affären kosten Zeit, die man sinnvoller verwenden könnte. Es gibt so große Pläne: Den Aufbau- und Resilienzplan 2020–2024. Den Comeback-Plan. Die Standortstrategie 2040. Wir wollen Champion werden, produzieren momentan aber nur Schlagworte und Schlagzeilen.

Mit einem schnellen Ende ist wohl nicht zu rechnen: Eine Entscheidung zu einer allfälligen Anklage gegen den Kanzler ist für Herbst zu erwarten.

Eichhübl: Das setzt auch die Ministerien unter Druck. Die Kabinette sind wesentliche Gestalter des Fahrplans in die Zukunft der Wirtschaft in Österreich. Und ich denke nicht, dass die jetzt hundertprozentig bei der Sache sind, solange die Ermittlungen laufen. Diesen Rucksack gilt es abzulegen.

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Wie fällt denn Ihre Zwischenbilanz zur Regierungsarbeit aus?

Eichhübl: In der Krise wurde gut gegengesteuert. Instrumente wie die Investitionsprämie machten sich bezahlt. Jetzt aber ist der Schalter zur langfristigen Standortsicherung umzulegen. Die Schlagworte müssen mit Inhalten gefüllt werden. Wie oft ich jetzt schon von der Breitbandmilliarde gehört habe...

Mit dem Vorstand der steirischen Industrieholding GAW und früheren IV-Steiermark-Präsident Jochen Pildner-Steinburg schoss nun ausgerechnet ein Unternehmer aus den eigenen Unterstützerreihen der Partei scharf gegen Kanzler Kurz.

Eichhübl: Das ist nachvollziehbar, dass es in einem Wahlunterstützer gärt. Wobei ich seine Sichtweise, die Wirtschaftspolitik agiere schon zu lange orientierungslos, nicht gänzlich teile. Pandemiebedingt war natürlich eine Teillähmung der öffentlichen Institutionen unausweichlich, aber wirtschaftspolitisch auf die Krise fokussiert.

Was lernen wir daraus?

Eichhübl: Der Schluss liegt nahe, dass in privatgeführten Unternehmen offenbar ein umfassenderer Begriff von Compliance entwickelt ist als in der Politik. Denn solche Spielchen könnte man sich im unternehmerischen Umfeld nicht leisten.

2017 trat Kanzler Kurz mit einem neuen Stil an. Ein Erneuerer, in den große Hoffnungen gesetzt wurden.

Eichhübl: Diese Hoffnungen habe ich nach wie vor. Nach Mitterlehners Ablöse empfand ich so etwas wie Erleichterung. Wir haben neuen Schwung. Die lange Liste an Vollmachten, die sich Kurz mitgeben hat lassen, signalisierte: Da hat einer die Dinge fest in der Hand.

Dieses Interview erschien in INDUSTRIEMAGAZIN-Ausgabe 6/21.

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