Halbleiterhersteller : Erfolgsverwöhnte Chiphersteller kommen von zwei Seiten unter Druck

Ein fertiger Halbleiter: Die weltweite Produktion soll sich in den nächsten Jahren verdoppeln.
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Für die Chipindustrie kommt es gerade knüppeldick. Zum langsameren Absatzwachstum in der Autobranche gesellt sich nun auch noch die schwächelnde Nachfrage nach Smartphones. Der Markt, der jahrelang Hersteller und Zulieferer mit zweistelligen Wachstumsraten begeisterte, ist mittlerweile weitgehend gesättigt.

Das bekommt sogar Apple mit seinem iPhone zu spüren. Zuletzt überraschte der Konzern aus dem Silicon Valley Anleger mit einer Umsatzprognose, die unter den Erwartungen lag. Das werden im nächsten Schritt Zulieferer und damit die Chipkonzerne merken.

An der Börse hat der Ausverkauf längst eingesetzt. Seit seinem Rekord im Juni büßte der Stoxx-Index für die europäische Chipbranche ein Viertel an Wert ein. Dabei kannte das Barometer zuvor Verluste fast gar nicht mehr. Seit Anfang 2016 hatte sich die Bewertung nahezu verdreifacht. Derzeit geht kaum ein Experte mehr von einer baldigen Trendwende aus.

Denn die Geschäfte der Wirtschaft in der Eurozone sind im November so langsam gewachsen wie seit über zwei Jahren nicht mehr. Chefvolkswirt Chris Williamson vom Forschungsinstitut Markit begründet die Entwicklung unter anderem mit der Flaute im Automobilsektor.

"Wir rechnen mit dem Schlimmsten", sagt der für die Chipbranche zuständige Analyst beim Wertpapierdienstleister Mirabaud Securities, Neil Campling. Nach dem Boom der vergangenen Jahre - getrieben von der Nachfrage nach immer leistungsstärkeren und kleineren Halbleitern für Smartphones, Tablets, Computeruhren und vernetzte Autos - ernüchtert die Talfahrt nun umso mehr. So kassierten Apple-Zulieferer wie der Sensorenhersteller AMS, der Chipbauer IQE oder der im Bereich Gesichtserkennung tätige Lumentum-Konzern ihre Prognosen. Auch Texas Instruments oder StMicro schauen nur verhalten in die Zukunft.

2018 dürften die Umsätze in der europäischen Chipbranche laut Marktbeobachter WSTS noch um fast 16 Prozent steigen. 2019 wird dann aber nur noch mit einem Plus von 2,6 Prozent gerechnet.

Infineon - selbst besonders abhängig von der Autoindustrie - übte sich zuletzt trotz des negativen Branchentrends in Zuversicht. Wegen voller Auftragsbücher sehe der Halbleiterkonzern - "anders als einige Wettbewerber - keinen Anlass zu größerer Sorge", sagte Vorstandschef Reinhard Ploss. Allerdings gab auch er zu, Infineon sei nicht immun gegen einen Abschwung. Das Autogeschäft macht hier 40 Prozent der Erlöse aus. Und für die Autobauer läuft es seit geraumer Zeit nicht rund: Schuld sind der Handelsstreit mit drohenden Sonderzöllen, eine sinkende Nachfrage, aber auch hohe Investitionen, beispielsweise in die Entwicklung von Elektroautos.

Anleger haben sich ihre Meinung hinsichtlich der Aussichten für die Chipbranche längst gebildet. Infineon hat an der Börse im vergangenen Halbjahr ein Fünftel an Wert verloren. Zum Vergleich: Der Leitindex Dax kam nur auf ein Minus von elf Prozent. "Der Markt sagt: Ich glaube euch nicht", so Barclays-Analyst Andrew Gardiner.

Beim langfristigen Branchenausblick sind sich Experten noch nicht einig. Dafür sind die Auswirkungen der weltweiten Handelsstreitigkeiten zu unklar. "Es gibt Absatzprobleme bei den Luxus-Smartphones und Gegenwind in der Auto- und Industriebranche", sagt Analyst Campling. Dem Trend stellt sich bisher nur Dialog Semiconductor entgegen. Der deutsch-britische Chipentwickler reduzierte zuletzt mit einem 600-Millionen-Dollar-Deal (525,90 Mio. Euro) seine Abhängigkeit von Apple, was an der Börse positiv aufgenommen wurde. In den vergangenen sechs Monaten legte das Papier fast 55 Prozent zu. (reuters/apa/red)