Diskussion : Energiewende: Harte Kritik von Experten

"Alles ist durcheinandergekommen", beklagte die Generalsekretärin des Branchenverbandes Oesterreichs Energie, Barbara Schmidt. Der Strompreis an der Leipziger Strombörse EEX sei im Jänner 2013 im Schnitt bei 43,3 Euro je MWh (4,33 Cent je kWh) gelegen. "Auf dem Spotmarkt lagen die Preise Ende Jänner bei 26 Euro pro Megawattstunde, 2,6 Cent pro Kilowattstunde", berichtete Schmidt. "Die deutschen Stromkunden zahlen 5,3 Cent EEG-Umlage (Erneuerbaren-Förderung, Anm.) pro Kilowattstunde." Die Preise an den Strombörsen seien so niedrig wie nie zuvor, aber die Konsumenten würden davon nichts spüren, sagte Schmidt."Es ist pervers" CO2-Emissionszertifikate würden aktuell nur rund 4 Euro pro Tonne CO2 kosten. "Der Preis von Steinkohle ist von 120 Dollar (89,30 Euro) auf 90 Dollar je Tonne gesunken. Das hat zur Folge, dass Kohlekraftwerke die Megawattstunde Strom um 25 bis 30 Euro günstiger anbieten als die ökologisch vorteilhafteren Gaskraftwerke." Dabei sei das Problem in Deutschland viel größer als in Österreich, weil man in Österreich einen behutsameren Weg gewählt habe, den sich Österreich als Nummer 1 bei der erneuerbaren Stromerzeugung auch weiter leisten könne. "Es ist ja pervers, dass in Deutschland Kraftwerke gebaut werden und die Leitungen dazu nicht."In die gleiche Kerbe schlug auch Fernwärme-Wien-Geschäftsführer Thomas Irschik. Österreichs Energiewirtschaft habe das Thema Klimaschutz und Versorgungssicherheit bisher gut gemeistert. In Deutschland würden saubere Gaskraftwerke und "schmutzige" Braunkohle-Kraftwerke hochgefahren. Allerdings seien auch Österreichs Kohleimporte aus den USA signifikant gestiegen. Lesen Sie weiter: "Die Ursache allen Übels"

Gegen "Askese" im Umgang mit Energie sprach sich der Energievorstand der Wiener Stadtwerke, Marc Hall, aus. "Wir müssen nicht auf Energie verzichten, und wir müssen auch nicht auf vieles andere verzichten, damit wir uns Energie leisten können." Österreichs Energiesituation sei ganz anders als etwa jene Deutschlands. Schon in der Nationalhymne sei vom "Land am Strome die Rede", und "sie habe sehr bewusst nicht gesagt 'Land am Winde, Land der Sonne, Land der Kohle unbegrenzt', das kommt nicht vor".Die anderen EU-Länder würden auch 2020 nicht den Anteil an erneuerbaren Energien haben, den Österreich schon jetzt habe. Das Thema "Bürgersolarkraftwerke" ist nach Ansicht Halls ein "relatives Elitenthema", für das sich nicht der Großteil der Bevölkerung begeistern werde. Gerhard Christiner, Vorstand der Verbund-Netztochter Austrian Power Grid AG (APG), sieht den Strommarkt wegen des örtlichen und zeitlichen Auseinanderfallens von Erzeugung und Verbrauch vor großen Herausforderungen. "Wir haben den Netzausbau vorangetrieben, so gut es ging, jedoch nicht in der Geschwindigkeit und Dimension wie es notwendig wäre." Dennoch habe man es geschafft, in den letzten zwölf Jahren 460 Kilometer 380-kV-Systeme zu bauen und 19 Umspannwerke.Stabilität, Spannungshaltung, Frequenzhaltung Derzeit funktioniere der Strommarkt nicht mehr, wie er sollte. "Es gehen viele thermische Kraftwerke völlig aus dem Markt, was wiederum nicht unbedingt für die Versorgungssicherheit das Beste ist." Es gebe zwar genug Energie, aber es gehe auch um die Systemsicherheit. "Stabilität, Spannungshaltung, Frequenzhaltung: Das sind die Themen, die in der breiten Öffentlichkeit natürlich nicht angesprochen werden, die ich aber auch in der gesamten Diskussion dieser Energiewende zunehmend vermisse, wo wir aber massive Probleme im täglichen Netzbetrieb sehen."Frage der Integration "Ursache allen Übels" ist für E-Control-Co-Chef Walter Boltz die Frage, wie man Wind- und Solarenergie in den Stormmarkt integrieren kann. Man habe es in Österreich im Unterschied zu Deuschland geschafft, in der politischen Diskussion eine Deckelung der Förderungsbeträge festzulegen. "Bei uns kostet die Erneuerbare um ungefähr 50 bis 60 Prozent pro Megawattstunde weniger als in Deutschland." Die unbegrenzte vorrangige Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren sei allerdings nicht vermieden worden. "Ab einer gewissen Anzahl von erneuerbaren Erzeugungsanlagen, vor allem, wenn sie zu Spitzenzeiten so viel Strom produzieren, dass eigentlich diesen Strom keiner braucht, wird das ein Problem." Man werde "manche heilige Kühe", wie die prioritäre Einspeisung von Erneuerbaren nicht halten können. "Wenn ich 100 Prozent Erneuerbare habe, aber nur 90 Prozent brauche, dann ist die prioritäre Einspeisung ein Humbug." Kapazitäten zur Stromerzeugung gebe es in Europa genug, betonte Boltz. Wichtiger wäre es, Leitungen zu bauen. Ob der Markt alleine in der Lage sei, für optimale Investitionsentscheidungen zu sorgen, stellte Boltz in Frage. "Weder Mellach noch Timmelkam hätten je gebaut werden dürfen, wenn es rein nach betriebswirtschaftlichen Businessplänen gegangen wäre." Solche Entscheidungen würden politisch bzw. unternehmenspolitisch getroffen. "Solange wir in Europa eine Vielzahl solcher Entscheidungen haben, wird es auch genug Erzeugungsleistung geben." Subventionen von Produktionskapazitäten seien daher nicht notwendig. (APA)