Energiewende : Energiewende: Erneuerbare viel umfassender steuern

Windkraft Windkraftindustrie Erneuerbare Schwechat Wien Niederösterreich Burgenland Neusiedler See
© Peter Martens

Zu hundert Prozent auf erneuerbare Energiequellen umzustellen wäre in den kommenden Jahrzehnten möglich, erklärte die US-Energieforscherin Lucy Pao der APA am Rande einer Nachhaltigkeitskonferenz in Wien. Um die Stromnetze nicht mit zu viel des Guten zu belasten, müsste man die Wind-, Sonnen- und Wasserkraftwerke aber genau steuern und die Energie mehr speichern sowie international verteilen.

Die Konferenz "Global Sustainable Development Goals" begann kürzlich an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Internationale Experten erörtern dort, wie die Nachhaltigkeitsziele bis 2030 erreicht werden können, welche wissenschaftlichen und technischen Neuerungen dafür nötig sind und wie dieser gesellschaftliche Wandel bei den Menschen im Zeitaltar moderner Medien ankommt. Weitere Informationen zur Konferenz hier >>

Wasserkraft liefert derzeit die meisten Anteile

Derzeit deckt erneuerbare Energie aus Wind-, Sonnen- und Wasserkraft rund 25 Prozent des weltweiten Strombedarfs. In manchen Ländern mit stark ausgebauter Wasserkraft ist der Anteil sogar viel höher, wie zum Beispiel in Österreich (72 Prozent). Norwegen bezieht gar 95 Prozent seines Stroms aus Wasserkraftwerken, so Pao, die am Department of Electrical, Computer and Energy Engineering an der University of Colorado (USA) forscht. Windenergie (weltweit fünf Prozent) und Solarstrom (zwei Prozent) sind derzeit noch nicht so verbreitet, aber stark im Kommen. Das bringe einige technische Herausforderungen mit sich, sagte sie.

Wasser kann man hinter einem Staudamm zurückhalten, bis man den Strom braucht, und in genau dosierter Menge über die Turbinen schicken. Wann die Sonne scheint und wie stark der Wind weht, kann hingegen niemand beeinflussen. Zu viel Strom aus Wind- und Wasserkraft belastet die Netze, und zu wenig Strom aus erneuerbarer Energie ist nicht klimafreundlich. Deshalb müsse man deren Erzeugungsmengen besser steuern, speichern, und verteilen können, so die Ingenieurswissenschafterin.

Windräder, die man "dimmen" kann

Pao selbst arbeitet mit ihrer Forschergruppe daran, den Output von Windparks so zu steuern, dass der Bedarf der Netzbetreiber genau erfüllt wird. "Bisher konzipierte man die Windräder immer auf maximale Leistung. Jetzt, wo ihr Anteil in der Stromerzeugung steigt, muss man sich immer mehr darauf konzentrieren, sie auf die gewünschte Leistung hinauf- oder hinunterregeln zu können", sagte sie. Je nachdem, wie stark der Wind weht und wie viel Strom gerade verbraucht wird, dreht man also die Rotorblätter besser in den Wind oder lässt mehr Luft ungenutzt daran vorbeiziehen. Bei so einem dynamischen System wie dem Stromnetz und seinen Verbrauchern sowie verschiedenen Windparks brauche dies gefinkelte Kontrollalgorithmen.

Außerdem solle man die Stromleitungen zwischen den Ländern verstärken, damit Überschüsse aus einem Land erhöhten Bedarf in anderen Regionen ausgleichen. Dies funktioniere zum Beispiel im Norden Europas schon sehr gut: Dänemark und Deutschland haben sehr viel Windkraft, und wenn sie Überschüsse produzieren, schicken sie diese nach Norwegen. Norwegen hält dann das Wasser in den Kraftwerken zurück und verwendet den Exportstrom. Lassen die Winde in Dänemark und Deutschland nach, lässt Norwegen sein Wasser fließen und den Strom in die beiden südlicheren Länder. So werden die Netze nicht überlastet und der Bedarf gedeckt.

Auch die Stromspeicherung wird bei immer mehr Wind- und Solarenergie immer wichtiger. Tendenziell weht in der Nacht zum Beispiel mehr Wind. Dann wird aber viel weniger Strom gebraucht als tagsüber. Derzeit ist die einzige wirklich ausgereifte Technik, überschüssigen Windstrom zu verwenden, das Wasser in Pumpspeicherkraftwerken damit vom unteren ins obere Reservoir zu pumpen, um es bei höherem Strombedarf wieder über die Turbinen hinunter zu schicken.

Doch auch in der Batterietechnik gebe es massive Fortschritte, sagte Pao. Neben den gebräuchlichen Lithium-Ionen-Akkus, die immer verlässlicher, günstiger und leistungsfähiger werden, forsche man an anderen Batterie-Technologien. Bis diese aber weite Verbreitung finden, würden mindestens noch fünf bis zehn Jahre vergehen.

Elektroautos als Speicher

Große Speicherkapazität liege auch in Elektroautos. Man kann ihre Akkus aufladen, wenn der Strombedarf ansonsten sehr niedrig ist und sie könnten sogar wieder Strom ins Netz einspeisen, wenn er für andere Dinge sehr gefragt ist. Mit steigendem Bedarf werde es auch immer wichtiger, den Strom "smarter" zu nutzen. Mit geeigneter Software könnte man das Ladegerät für das Elektroauto oder Geschirrspüler, Waschmaschine und Trockner so programmieren, dass sie erst in der Nacht Elektrizität zapfen und aufgedreht werden, wenn gerade viel Strom zur Verfügung steht, der sonst nicht so stark nachgefragt wird.

Das "St. Florians-Prinzip" (Heiliger Sankt Florian, verschone mein Haus, zünde andere an), auf Englisch "Not in my backyard" (nicht in meinem Hinterhof), dass die Menschen Windenergie prinzipiell gut finden, aber die Windräder gefälligst nicht bei ihnen sondern anderswo aufgestellt werden sollen, sieht Pao im Schwinden. In den USA gebe es eine Studie, wonach die Grundstückspreise in der Nähe von Windrädern nicht signifikant anders sind als sonst wo. Mit steigendem Bewusstsein, dass nachhaltige Entwicklung wichtig ist und mehr Bildung, was es für den Klimaschutz braucht, würde die Akzeptanz für erneuerbare Energieerzeugung steigen.

(APAred)