Innovation : EIT Manufacturing: Von der Startup-Garage in die Industrie

Hannes Hunschofsky und Klaus Beetz, beide EIT
© Matthias Heschl

Wenn einer von der Pike auf gelernt hat, wie Industrieunternehmen ticken, dann ist es Hannes Hunschofsky. Der Tiroler, der in Hall geboren und in Jenbach aufgewachsen ist, kann heute auf vier Jahrzehnte Erfahrung in der Produktionswelt zurückblicken. Nur einen Steinwurf von seinem Elternhaus entfernt begann er beim Gasmotorenhersteller Jenbacher seine Laufbahn, die ihn schließlich zum Ventilhersteller Hoerbiger führte. Seit Juli letzten Jahres hat er einen Job, den der 60-jährige als abermals sehr erfüllend empfindet: Für die vom Europäischen Innovations- und Technologieinstitut (EIT) unterstützte Innovationsgemeinschaft EIT Manufacturing – ein gewaltiger europäischer Netzwerkhebel mit Sitz in Paris – hat Hunschofsky die Leitung des Co-Location Center (CLC) East, das 12 Länder in der CEE-Region umfasst, inne.

In dem als Verein aufgesetzten Verbund mit aktuell 67 Mitgliedern - darunter österreichische Industrieunternehmen wie Atos, Magna Steyr und Voestalpine High Performance Metals sowie Forschungsdienstleister wie Joanneum Research und TU Wien - dreht sich alles um Innovationsökosysteme. Es geht erklärtermaßen nicht ums Kerngeschäft, "einer Magna muss man nicht das Autobauen beibringen", sagt Hunschofsky.

Vom Prototyp zum Use-Case

Anknüpfungspunkte aber gibt es dort, wo es neue Blickwinkel, Kumulatives und Disruptives, und mehr Zirkulation solcher frischen Ideen braucht. "Wir kommen etwa dann ins Spiel, wenn ein vielversprechender, vielleicht sogar bereits getesteter Prototyp irgendwo an einem Institut herumliegt und nicht seinen Weg in die Industrie findet", sagt Hunschofsky. Man vernetze Erfinder und Interessierte aus der Industrie, setze einen Use-Case auf und schaffe daraus günstigenfalls die Basis für die Gründung eines potenziell durch die Decke gehenden Startups oder Scaleups. Finanzierungshilfe, so erforderlich, inklusive.

In Startup-Szene rührig

Mit einem Technologiereifegrad von Stufe Sechs und einer Truppe, die im Innovations- und Projektmanagement beschlagen ist und den Draht zu den Technologen und Kreativen hat, fluten Ideen zu Digitalisierung, Produktionsexzellenz und Nachhaltigkeit geradezu durch die EIT Manufacturing-Screenings. Jedes Jahr richtet man im Jänner und Februar wiederkehrend Matchmaking-Events aus, diese dienen zur Bildung von Konsortien für die jährliche Projektausschreibung im März. Und aktuell feilt Hunschofsky gemeinsam mit der Wirtschaftsagentur Wien an den letzten Feinheiten eines Calls, bei dem noch heuer Startups aus der Ostregion nach Wien eingeladen werden - potenzielle Ansiedelung eingeschlossen.

Der Projektspanne sind innerhalb der drei Tätigkeitsfelder Innovation, Ausbildung und Gründung grundsätzlich keine Grenzen gesetzt: Unlängst wurde für die visuelle Erfassung der Qualität von Speisetrüffeln am Institut für Fertigungstechnik der TU Wien eine Lösung auf den Weg gebracht - die Anfrage dazu erreichte das EIT Manufacturing aus Rumänien. Ebenso trat kürzlich ein heimisches Industrieunternehmen an das das CLC East heran, in der Ostregion nach vielversprechenden Startup-Partnern im Mikroelektronikbereich zu fahnden.

Vielleicht fällt dem EIT Manufacturing East Innovation auch deshalb so leicht, weil man selbst noch in den Startup-Schuhen steckt. "Wir sind immer noch inmitten der Aufbauphase", sagt Hunschofsky. Aber man wächst rasant. Zuletzt wurde das Team auf 13 Köpfe aufgestockt, Tendenz steigend.

Voestalpine High Performance Metals: Die nachhaltigen Prozessoptimierer

Das Unternehmen nutzt das Netzwerk, um Start-ups mit Lösungen für die Messung und Modellierung von CO2 Emissionen ausfindig zu machen.

Die Voestalpine High Performance Metals Division des Voestalpine-Konzerns - auf die Produktion und Verarbeitung von Hochleistungswerkstoffen und kundenspezifische Services spezialisiert - ist seit Start des EIT Manufacturing aktiv in dessen Aktivitäten eingebunden. Das Unternehmen, Spezialist für thermische Anwendungen, High-Tech-Oberflächenbehandlungen sowie additive Fertigungsprozesse und globaler Marktführer bei Werkzeugstahl, wurde nach Teilnahme an Innovationsprojekten als Activity Partner Anfang 2021 Mitglied bei EIT Manufacturing. Bei der Projektausschreibung 2022 ist es an vier Projekten beteiligt.

„Die strategischen Schwerpunkte von EIT Manufacturing passen sehr gut zu uns", sagt Philipp Horner, Head of Business Optimization & Circular Economy, Voestalpine High Performance Metals. Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Mitgliedern des EIT Manufacturing Ökosystems aus ganz Europa – seien es Industrie, Universitäten, Forschungseinrichtungen oder die Kooperation mit innovativen Start-ups – gebe dem Unternehmen enorme Möglichkeiten, gemeinsam Potentiale bei Innovation, Digitalisierung und nachhaltiger Produktion auszuschöpfen. "So sind wir zum Beispiel als einer von drei Corporate Partnern bei BoostUp! BRIDGE dabei, um Start-ups mit Lösungen für die Messung und Modellierung von CO2 Emissionen zu finden“, sagt Horner.

Magna Steyr: Die beharrlichen Effizienzmehrer

Der Automobilfertiger ist seit Gründungstagen beim EIT Manufacturing an Bord - und nutzt dessen weitverzweigtes Netzwerk.

Magna Steyr, weltweit führender, markenunabhängiger Engineering- und Fertigungspartner für Automobilhersteller, ist eine der 50 Organisationen, die als Konsortium die Gründung und Etablierung von EIT Manufacturing in Europa unterstützt und vorangetrieben haben. Das Unternehmen, dessen Leistungsangebot sich über die Produktgruppen Gesamtfahrzeugentwicklung bis hin zum Gesamtfahrzeug-Engineering sowie der Gesamtfahrzeugfertigung erstreckt, ist seitdem - auch mit diversen Tochtergesellschaften - aktiv in die Aktivitäten der Wissens- und Innovationsgemeinschaft eingebunden. „Wir sind sehr stolz, seit Beginn Teil des Konsortiums von EIT Manufacturing zu sein", schildert Christoph Krammer, Technologie Steuerung Contract Manufacturing bei Magna Steyr.

Krammer ist auch in das Advisory Board von EIT Manufacturing CLC East eingebunden. "EIT Manufacturing schafft mit seinen Initiativen ein wertvolles Ökosystem, um sich mit anderen Organisationen im Bereich der Fertigungsindustrie in ganz Europa zu vernetzen und neue Partner zu gewinnen", sagt Krammer. Besonders in den osteuropäischen Ländern sehe man großes Potential, "neue Supply Chains zu etablieren". EIT Manufacturing gebe die Möglichkeit, selbst die Zukunft der Fertigungsindustrie in Europa mitzugestalten.

Atos: Die agilen IT-Modernisierer

Der IT-Dienstleister schraubt als Partner von EIT Manufacturing unter anderem an gemeinsamen Datennetzwerken.

Atos ist seit der Gründung von EIT Manufacturing als Industrievertreter Teil des Partnerkonsortiums und schlägt hierin die Brücke von der traditionellen Fertigungsindustrie hin zu einer datengetriebenen Produktion. Atos, unter anderem auf Dienstleistungen und digitale Lösungen rund um sichere, dekarbonisierte intelligente Fabriken, SAP, Cybersicherheit sowie Cloud-Modernisierung und spezialisiert, ist darüber hinaus ein Nachbar des Co-Location Center East in der Seestadt Aspern in Wien. „Europa braucht ein gemeinsames Datennetzwerk und offene Kommunikation, um Big Data optimal zu nutzen", sagt Jordan Janeczko, CTO Global Client Innovation, bei Atos.

Datengenerierung, -analyse und -nutzung würden im Produktionsumfeld wichtiger, um global bestehen zu können. Dazu müssen Organisationen zusammenarbeiten und hier können EIT Manufacturing und seine Mitglieder aus allen Bereichen der Fertigungsindustrie eine Vorreiterrolle einnehmen. "Kooperation und Vernetzung stehen sowohl bei EIT Manufacturing als auch bei Atos im Zentrum“, so Janeczko. Atos unterstützt seine Kunden etwa bei der Entwicklung, dem Bau und dem Betrieb datengesteuerter Plattformen.