Autotest : Die Vortriebsmaschine

Autotest Rudi Richter SAP Audi
© Thomas Topf

Eines ist sicher: Das Coupé ist die lustvollste Bauform eines Fahrzeuges, denn sie bringt die meiste konstruktive Verschwendung. Auf fünf Meter Auto kommen gerade einmal zwei Türen. Klappt man die Vordersitze um, entsteht eine Einschlüpfluke, durch die sich Fahrgäste auf die hintere Sitzreihe winden können. So ist das Coupé die typische Vorfamilien- oder Lebenskrisenbauform, in der die Menschen zu zweit mit so viel Gepäck verreisen, wie in keinen Sportwagen mehr passt.

Weil aber in München, Ingolstadt und Stuttgart nicht nur autoverrückte Konstrukteure, sondern auch umsatzverliebte Programmlinienentwickler sitzen, gibt es so etwas wie unser Testauto. Ein Coupé mit 4 Türen. Bei BMW heißt das euphemistisch Gran Coupé, bei Mercedes technisch CLS und bei Audi eben Sportback. Ein Wagen, der gerne gleichzeitig sportlich und praktisch sein will. Wir prüfen gemeinsam mit dem Chef des deutschen Softwarekonzerns SAP in Österreich, Rudolf Richter, 46, ob der rote Bolide dieses Versprechen einhält.

Geschäftsführer in Palästina

Wir treffen unseren Tester mitten in der Stadt. Der Wechsel hinters Steuer erfolgt fliegend an einer Bushaltstelle. Richter ist ein Vielfahrer, und das merkt man auch. Bevor wir den ersten Satz gewechselt haben, fährt er schon los. Für unsere kleine Ausfahrt hat er den passenden Vergleich: Sein Dienstwagen bei SAP ist ein BMW 4er-Coupé mit ebenfalls sechs Zylindern. „Der passte damals gerade noch in die Fuhrpark- Policy“, meint er entschuldigend. Damals, als er im Konzern noch für das CRM-Geschäft im gesamten EMEA-Raum zuständig war, ist noch nicht allzu lange her.

Seit Anfang des Jahres ist er nun Österreich-Geschäftsführer des deutschen Softwareriesen. Seine ersten 20 Berufsjahre verbrachte der Wahltiroler in der IT-Branche – die erste Hälfte davon bei Hewlett Packard, die zweite bei SAP. In seinem Lebenslauf finden sich so skurrile Einträge wie die Geschäftsführung von HP Palästina, als man noch daran glaubte, einen neuen Staat mit Infrastruktur ausrüsten zu können. Als die zweite Intifada nicht nur dem IT-Riesen einen endgültigen Strich durch die Rechnung machte, wechselte Richter nach Kairo. Bei SAP verlief seine Karriere nicht weniger international. Er war in Singapur für den öffentlichen Sektor zuständig und viel in Osteuropa unterwegs.

Als Österreich-Geschäftsführer des deutschen Softwareriesen folgt er auf Klaus Sickinger, der künftig als COO für Zentral- und Osteuropa zuständig ist.

Von brav zu hart

Mittlerweile haben wir die Stadtgrenzen hinter uns gelassen und Richter findet Zeit, sich ein wenig mit den Einstellungen des Testwagens zu beschäftigen. Auf großes Interesse stößt der Dynamik-Modus. Den wählt er aus und drückt aufs Gas. Der Testwagen wandelt sich blitzschnell vom braven Limousinentier zum harten Renngerät. Unter seiner Hau be werkt ein 6-Zylinder, der ab rund 1.300 Umdrehungen 500 Newtonmeter Drehmo ment auf die Welle bringt. Und das praktisch dauerhaft über den gesamten Drehzahl-bereich. „Tja, da merkt man, der hat schon mehr Punch als mein BMW“, sinniert Richter. Die 354 PS des S5 reichen für die meisten Lebenslagen, ge nau genommen für alle, die auf Straßen stattfinden, die nicht im Kreis führen. Übertragen wird die üppige Leistung über eine 8-Gang-Wandlerautomatik nach deutscher Industrienorm.

Vortrieb ist King, für die stete Thronfolge von Audi sorgt der Quattro-Antrieb. Im Normalbetrieb sind 60 % der Kraft für die Hinterräder reserviert, das Verhältnis wandelt sich je nach Bedarf bis zu 70:30 oder 15:85. Damit ist die Sache mit dem Antrieb geklärt. Die der Straßenlage lässt sich auch schnell abhaken: Man sucht im S5 die Schienen, auf denen er zu fahren scheint. Und die Lenkung? „Die ist außerordentlich straff“, sagt Richter, „das schafft ein richtiges Sportwagengefühl.“ Unser Test-Audi hat eine Dynamik-Lenkung, bei der die Übersetzung abhängig von Geschwindigkeit und Lenkwinkel variiert. Daneben fährt eine Heerschar an Dienstboten mit: vom Ausweich-, Abbiege-, Querverkehrs- und Parkassistenten bis hin zum „prädikativen Effizienzassistenten“, dessen Arbeitsgebiet noch etwas schleierhaft ist.

Fokus Tempo

Richter ist viel im Auto unterwegs und drückt auch im Job aufs Tempo. Damit die interne Kommunikation und Abstimmung besonders im Sales-Bereich blitzschnell funktioniert, hat er kurzerhand eine Internetgruppe für die Sales Teams ins Leben gerufen. „Ich bin schon eher der Vertriebstyp“, sagt der studierte Wirtschaftsinformatiker. Seine Woche ist dann gut geplant, wenn in der Mitte des Kalenders ein dicker Balken mit externen Terminen steht. „Ich versuche sehr konsequent, möglichst wenig Zeit mit internen Themen und möglichst viel mit Kunden zu verbringen.“ Für seine Mitarbeiter setzt er in jedem Quartal eine Initiative, um besondere Leistungen zu prämieren. „Österreich ist für SAP der gesättigste Markt auf der Welt“, so Richter. Mit der Umstellung der sich bei den meisten Betrieben im Einsatz befindlichen R/3 Software auf S/4 HANA, haben die Dienstleister trotzdem wenig Grund zur Klage. Zwar ist der Umstieg auf die neuere Version noch nicht dringend notwendig, doch „wir werden 2018/2019 wahrscheinlich einen ziemlichen Mangel an Programmierern haben, wenn erst dann die große Umstiegswelle kommt“, so Richter. Für viele Berater bedeutet das Software-Release einen zweiten Frühling. „Gefragt ist ERP-Basiswissen und damit jene Leute, die vor 15 bis 20 Jahren SAP implementierten“, erklärt der SAP-Chef.

Äußere und innere Werte

Im Moment aber ist noch ein kritisches Urteil zum S5 gefragt. Bei der Gestaltung, sagt man in Ingoldstadt, habe man „emotionale Formen und athletisch gespannte Flächen in Einklang gebracht.“ Da sich das weder beweisen noch widerlegen lässt, finden wir zu einem etwas geradlinigerem Urteil: „Schaut super aus“, sagt Rudi Richter. Das Interieur im S5 ist sachlich und soll ein wenig den Eindruck der Fahrmaschine ins Innere holen. „Die Carboneinlagen jedenfalls finde ich sehr gelungen“, sagt unser Tester. Der Rest passt zum Fahrzeugpreis: deutsche Oberklasse, präzise und fehlerlos. Freude machen die Massagesitze, „wenn man viel fährt, eigentlich eine gute Idee“, findet Richter. Er schafft es auch, die Massagefunktion auszuschalten, ohne das Fahrwerk zu verstellen.

Platz rechtfertigt Spaß

Schließlich bleibt für die finale Beurteilung des knallroten Sportbacks nur mehr sein praktischer Wert. Und der liegt eindeutig über jenem der Limousine – jedes Coupé lässt er am Start stehen, sobald man die Heckklappe öffnet. Eine Ladeluke wie bei einem Fährschiff lässt die Fantasie sprießen. Wie man ein derartiges Fahrzeug rechtfertigt: Mit ein bisschen Argumentationsgeschick kann man die Kombination aus Business-Limousine und Sportwagen als das sinnvollste Fahrzeug verkaufen. Vielleicht also die beste Bauform eines Audi A5.