Bahnindustrie : Die Siemens-Alstom-Fusion als „Vernunftehe“

Pressekonferenz Siemens Alstom
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Es herrscht zwar Skepsis in Frankreich, ob Alstom beim Zusammenschluss mit Siemens unter die Räder kommt, trotzdem beschwören die beiden Konzernchefs die Bündnis-Vorteile. Denn mit einer „Zug-Allianz auf Augenhöhe“ wollen Siemens-Chef Joe Kaeser und Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge die beiden Konzerne fit für den harten Wettbewerb machen. "Wir setzen die europäische Idee in die Tat um“, sagt Joe Kaeser.

Er spielte damit auch auf den erst am Vortag vorgestellten Europa-Plan des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an. Zugleich bemühten sich beide Konzernlenker, Bedenken zu zerstreuen, dass der deutsche ICE-Hersteller Alstom mit seinem Aushängeschild TGV überrollen könnte. Es mache keinen Sinn, etwa über die Mehrheitsverhältnisse in dem kombinierten Unternehmen zu diskutieren. Ausschlaggebend sei der Erfolg bei den Kunden.

Siemens hält knappe Mehrheit

Am Vorabend hatten die Aufsichtsgremien beider Konzerne grünes Licht für das Zug-Bündnis gegeben, mit dem sie vor allem der Konkurrenz aus China die Stirn bieten wollen. Der dort ansässige Gigant CRRC, der vor zwei Jahren aus dem Zusammenschluss der beiden größten chinesischen Zughersteller hervorgegangen ist, bringt die Branche kräftig unter Druck. CRRC ist allein etwa doppelt so groß wie das neue kombinierte Unternehmen Siemens/Alstom, das auf gut 15 Mrd. Euro Umsatz und weltweit rund 62.300 Beschäftigte kommt.

Siemens soll mit knapp über 50 Prozent die Mehrheit an dem künftigen Unternehmen halten, das von Poupart-Lafarge geführt und an der französischen Börse notiert sein wird. Die Kartellwächter müssen noch zustimmen, Kaeser sieht aber "kein grundsätzliches Risiko". Künftig könnte das Unternehmen eine globale Zugplattform entwickeln, die sowohl in Frankreich als auch in Deutschland gebaut werde, sagte der Alstom-Chef auf die Frage, ob das neu formierte Unternehmen künftig einen gemeinsamen Hochgeschwindigkeitszug anbieten könnte.

Keine Sorge um österreichische Arbeitsplätze

Die Zusammenlegung der Bahn-Sparten von Siemens und Alstom unter einem gemeinsamen Dach allein bringt die Arbeitsplätze in diesem Bereich bei Siemens Österreich nicht in Gefahr. "So lang wir ausgelastet sind, gibt es keinen Grund, an eine Reduktion von Arbeitsplätzen zu denken", sagte Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun.

Die Werke würden von den Aufträgen leben, egal wer der Eigentümer dahinter sei, meinte Hesoun zu Beginn der "energy2050"-Tagung des Verbund in Fuschl. Solange es gelinge, gute Produkte zu fertigen und diese gut bezahlt würden, gebe es für den Standort keine Negativauswirkungen.

Lesen Sie dazu auch das ausführliche Gespräch mit Siemens-Chef Wolfgang Hesoun: "Erwarte keine negativen Auswirkungen"

Alstom spielt bisher eher geringe Rolle in Österreich

Mit einer kurzen Stellungnahme haben auch die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) auf die Fusion der Bahnsparten von Alstom und Siemens reagiert. "Wir sind interessiert, dass es in Europa eine ausreichende Anzahl an Anbietern von Schienenfahrzeugen gibt", hieß es auf APA-Anfrage aus den ÖBB.

Am österreichischen Markt bieten vorwiegend Siemens und Bombardier an sowie als Nischenanbieter der Schweizer Fahrzeughersteller Stadler. Alstom spiele in Österreich bisher eine sehr geringe Rolle. Beobachter meinen daher, eine Fusion der Bahnsparten von Siemens und Bombardier hätte die ÖBB stärker getroffen, weil dann die fusionierten Anbieter eine Quasi-Monopolstellung in Österreich gehabt hätten.

Die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) sieht das Bündnis positiv: "Der Zusammenschluss von Siemens und Alstom kann angesichts eines harten internationalen Wettbewerbs eine wichtige Zukunftschance sein", erklärte die Ministerin. "Basis dafür sind eine klare Zukunftsstrategie, Perspektiven für die Beschäftigten sowie der Erhalt der Mitbestimmung."

Fusion war „unumgänglich“

Im Zuge der Fusionsentscheidung hatten sich Unternehmen und Arbeitnehmervertreter nach Angaben der IG Metall auch auf vierjährige Standort- und Jobgarantien, auf den Erhalt der Mitbestimmung und die Absicherung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in Deutschland und Frankreich geeinigt. Die französische Gewerkschaft CFE-CGC nannte den Zusammenschluss "unumgänglich". Sie äußerte aber zugleich aber "große Sorgen" über die sozialen Konsequenzen. Man werde "solide Garantien" verlangen, damit "das, was heute klar eine Übernahme zu sein scheint, wirklich eine ausgewogene Fusion zwischen Frankreich und Deutschland wird".

Die Deutsche Bahn verspricht sich Vorteile von der geplanten Fusion. Das Bündnis bedeute eine "Internationalisierung des Eisenbahnmarktes", die neuen Schwung in diesen Markt bringen werde, sagte eine Konzernsprecherin am Mittwoch in Berlin. Man halte es zudem für wahrscheinlich, dass das verbundene Unternehmen stärker als bisher Produktinnovationen hervorbringe. Zugleich gehe die Deutsche Bahn davon aus, dass Siemens die laufenden Verträge erfüllen werde. Sie hätten ein Volumen von 5,6 Mrd. Euro, darin enthalten sind vor allem 130 Züge der neuen ICE-4-Flotte, die bis 2023 ausgeliefert werden sollen. (apa/dpa)

In Wien-Simmering wird das weltweite Geschäft des Siemens-Konzerns für Metros, Straßenbahnen, Reisezugwagen und vollautomatisierte People Mover (VAL) verantwortet. Es ist einer der weltgrößten Fertigungsstandorte von Siemens mit 140.000 m2, davon 84.000 m2 Produktionsfläche. Bis zu 450 Fahrzeuge pro Jahr werden hier gefertigt, dabei kommen moderne Fertigungstechnologien wie Roboterschweißen und Klebtechniken zum Einsatz.

Der Standort Graz-Eggenberg ist innerhalb des Siemens-Konzerns das Weltkompetenzzentrum für Entwicklung und Fertigung von hochwertigen Fahrwerken für alle Schienenfahrzeuge (Straßenbahnen, Metros, Triebzüge, Hochgeschwindigkeitszüge und Lokomotiven). Die Werksfläche umfasst ca. 69.500 m2, davon sind ca. 46.000m2 Produktionsfläche. Die jährliche Fertigungsleistung umfasst durchschnittlich 2.500 Fahrwerke. (apa)