KOMMENTAR : “Die Politik darf nicht in Corona-Herbstmüdigkeit verfallen"

Hagleitner Austria Email
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Nicht nur für das Weihnachtsgeschäft und den Wintertourismus herrscht derzeit das Prinzip Hoffnung. Nach einem weitgehend ungenutzten Sommer war zuletzt die Kommunikation der Regierenden in EU, Bund und Ländern etwas erratisch. Es scheint nicht nur an einheitlichen und vergleichbaren Datengrundlagen und klaren Teststrategien zu fehlen; der Föderalismus allgemein und die Aufgeregtheit rund um die Wiener Landtagswahl haben sich als zusätzlicher Sand im Getriebe der Krisenbewältigung erwiesen.

Damit wurde das Vertrauen der Bevölkerung und der Unternehmen erheblich strapaziert. Von der Grenze der Erklärbarkeit zu den Grenzen der Belastbarkeit von Gesundheitssystem und Wirtschaft sind es wahrscheinlich nur ein paar (entscheidende) Wochen.

Einige Umfeldfaktoren wären eigentlich gut: Konjunkturpaket und Investitionsanreize der Bundesregierung aus dem Frühjahr kann man als gelungene Kombination von Beschäftigungs- und Klimaschutz anführen, auch der (bisher sehr abstrakte) Green Deal der EU macht Hoffnung. Damit diese aber Wirkung entfalten und gleichzeitig den notwendigen Strukturwandel fördern, braucht es neben der konsequenten Einhaltung der Hygiene- und Abstandregeln im Alltag auch bessere Testrategien mit raschen Ergebnissen, verkürzte Quarantäne und eine bessere internationale Abstimmung.

Nicht auszudenken, wenn eine lokale Quarantänesituation wie derzeit in Kuchl plötzlich eine oder mehrere spezialisierte Industrieregionen mit global vernetzten Schlüsselunternehmen trifft …

Langfristig werden effektive Lösungen honoriert und nicht eindrucksvolle Auftritte. Für unser Land, das einen wesentlichen Teil seines Wohlstandes und damit auch seiner Zukunft Export und Tourismus und nicht der schnellen Quote von Politik verdankt, ist speziell die Abstimmung mit den wichtigsten Partnerländern innerhalb der EU und darüber hinaus entscheidend. Jede Form von undifferenziertem oder latentem Lockdown befeuert von unreflektierter, parteipolitisch getriebener Kommunikation würde zum Knock-Down für Wirtschaft und Gesellschaft führen.

Was brauchen wir jetzt? Sachlichkeit und eine Rückkehr zu professioneller, transparenter Governance. Ein Krisenmanagement, in dem jede Entscheidung auf bessere Alternativen und Verhältnismäßigkeit sowie Verständlichkeit und Wirkung gecheckt wird. So könnten wir relativ gut durch den Winter kommen und weitere Kollateralschäden vermeiden.

Dr. Martin Hagleitner MBA ist CEO der Austria Email AG und Groupe Atlantic SA Konzerngeschäftsführer für die Region Deutschland-Österreich-Schweiz.