Klimaerhitzung : Die Krise als mögliche Chance für den Klimaschutz

Der chinesische Ausdruck für Krise - "weiji" - besteht aus zwei Schriftzeichen: Das eine bedeutet "Gefahr", das andere "Chance". In der Corona-Krise sehen Wirtschaftsexperten in erster Linie das Risiko, manche aber auch eine zumindest kleine Chance für den Klimaschutz.

Das dürfte auch den von der deutschen und der britischen Regierung veranstalteten Petersberger Klimadialog bestimmen, der am Montag und Dienstag Weichen für die UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow stellen soll. "Die Regierungen geben gerade Unmengen Geld aus, um die Wirtschaft über Wasser zu halten", sagt Michael Oppenheimer, Professor für Geowissenschaften und internationale Angelegenheiten an der US-Universität Princeton. "Dieses Geld kann so ausgegeben werden, dass es das Klimaproblem verschlechtert oder aber verbessert."

Im Moment steht in allen Staaten die Bekämpfung der Pandemie im Vordergrund. Vernachlässigen sie deswegen das Klima, wird das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens - den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen - sicher verfehlt.

"Wir müssen die Corona-Pandemie gleichzeitig mit dem Klima- und Umweltnotstand angehen", fordert die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg. Das eine tun, ohne das andere zu lassen - dafür werben auch Umweltorganisationen wie Greenpeace und Germanwatch.

Auch der Chef der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), Petteri Taalas, mahnte, die internationale Staatengemeinschaft müsse "gegen den Klimawandel die gleiche Entschlossenheit und den gleichen Zusammenhalt zeigen wie gegen Covid-19".

Die Konzentration auf kurzfristige Notwendigkeiten dürfe nicht die langfristigen Ziele verdecken, sagt der Leiter der Klimaschutz-Abteilung bei der Weltbank, Stephen Hammer. "Das wichtigste dieser Ziele ist die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft", schreibt Hammer in einem Blog zusammen mit dem Weltbank-Wirtschaftswissenschaftler Stephane Hallegatte. Die billionenschweren Corona-Konjunkturpakete sollten daher etwa für Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und umweltfreundlichen Nahverkehr genutzt werden.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nennt die Corona-Krise eine "gewaltige Chance" für den Klimaschutz. "Wir haben jetzt die Möglichkeit, Milliarden in Unternehmen und Infrastruktur zu investieren. Warum dann nicht gleich in klimafreundliche Projekte, die der nächsten Generation helfen?", sagte sie der "Zeit".

Ob auch China diesen Weg einschlagen wird, ist unklar. Nach der Finanzkrise 2008 steckte Peking Billionen Yuan in energieintensive Infrastrukturprojekte, die die CO2-Emissionen enorm anwachsen ließen. "Heute hat die chinesische Führung mehr Optionen", sagt der chinesische Greenpeace-Klimaexperte Li Shuo.

In den USA will Präsident Donald Trump hunderte Milliarden Dollar in die Öl- und Gasindustrie pumpen und die Fluggesellschaften unterstützen. Diese Konjunkturpakete verhießen nichts Gutes für den Klimaschutz, sagt die Energieexpertin Elizabeth Wilson vom Dartmouth College.

Zumindest kurzfristig hat der Shutdown rund um den Globus den Energieverbrauch und die Kohlendioxidemissionen schrumpfen lassen. Jeffrey Sachs, Leiter des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University, ist zuversichtlich, dass die Pandemie auch eine langfristige Wirkung hat: "Die Krise wird den Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigen", sagt er.

Die Ausgangsbeschränkungen über Wochen oder Monate könnten Gewohnheiten dauerhaft verändern. "Die Menschen merken vielleicht, dass es auch ohne das teure und lästige Pendeln geht", sagt Wissenschafter Oppenheimer. Auch Flüge um die halbe Welt für einen einwöchigen Urlaub erscheinen dann möglicherweise fragwürdig.

Beim Petersberger Klimadialog bereiten Minister aus 30 Ländern ab Montag in Videokonferenzen den auf nächstes Jahr verschobenen Klimagipfel in Glasgow vor. Ob der zum Erfolg werde, hänge auch von der US-Präsidentschaftswahl am 3. November ab, sagt Oppenheimer. Wird Trump abgewählt, verbesserten sich die Chancen auf entschlossene internationale Klimaschutzmaßnahmen deutlich. Hoffnungen setzen Umweltorganisationen in Angela Merkel. "Jetzt ist der Augenblick für einen besseren Wiederaufbau", appellierte Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan an die deutsche Bundeskanzlerin.

(von Marlowe Hood/AFP/APA)