Rechtstipp : Der "Green Deal" fordert Investoren und Unternehmen

Kurz vor Weihnachten hat die neue Europäische Kommission ihr Leuchtturmprojekt präsentiert: Der „Green Deal“ sei „Europas ,Mann auf dem Mond‘-Moment“, verkündete Ursula von der Leyen. Weniger als einen Monat später hat die Kommission ihre Pläne zur Finanzierung des ambitionierten Klimapakets vorgelegt. Dieser „European Green Deal Investment Plan“ (EGDIP) oder „Sustainable Europe Investment Plan“ (SEIP) will bis 2030 eine Billion Euro mobilisieren. Doch er wurde medial sofort kritisiert, weil diese Summe zum größten Teil durch die Umschichtung von EU-Budgetmitteln und die Mobilisierung privater Gelder durch EU-Garantien zustande komme. Demgegenüber seien lediglich 7,5 Mrd. Euro tatsächlich „frisches“ Geld – es fließt in den sog. „Just Transition Fund“, also einen neuen Hilfsfonds, durch den von der Energiewende wirtschaftlich besonders betroffene Regionen unterstützt werden sollen.

Auf private Investoren kommt es an

Diese Kritik erstaunt. Bereits in ihrem Aktionsplan zur „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ hat die Europäische Kommission im März 2018 klar dargelegt, dass der Investitionsbedarf zur Erreichung der EU-Klima- und Energieziele 2030 zumindest rund 180 Mrd. Euro pro Jahr (!) betrage und dieser weder von der EU noch von den Mitgliedsstaaten alleine zu stemmen sein werde. Ganz im Gegenteil könnten diese Ziele nur mithilfe von privatem Kapital erreicht werden.

Zentrales Anliegen des Aktionsplans war daher, die regulatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen, um dieses private Kapital tatsächlich in nachhaltige Projekte umzulenken. Dabei hat die Kommission das Hauptaugenmerk auf Transparenz gelegt: Was als „nachhaltig“ einzustufen sei, müsse ausreichend klar definiert sein. Darüber hinaus brauche es Offenlegungspflichten, um den Endinvestoren den Vergleich zwischen unterschiedlichen Investments zu ermöglichen. Schließlich stammen rund 40 Prozent des gesamten Finanzvermögens aus Einlagen von privaten Haushalten.

Nachfrage übersteigt Angebot

An diesem Fokus ändert sich auch durch den Green Deal und den dafür erstellten Investitionsplan nichts. Denn tatsächlich gibt es genug privates Kapital, um sogar den nunmehr mit 260 Mrd. Euro (!) bezifferten jährlichen Investitionsbedarf zu stemmen, der sich aus der noch schnelleren Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft bis 2030 ergibt. Wie die Kommission in ihrem Investitionsplan treffend bemerkt, ist die Nachfrage derzeit deutlich höher als das Angebot an nachhaltigen Projekten bzw. Finanzprodukten. Das Hauptaugenmerk der EU liegt daher sinnvollerweise auf der Schaffung klarer regulatorischer Rahmenbedingungen, um Investoren die Entwicklung einer langfristigen Anlagestrategie und Unternehmen die langfristige Umstellung ihrer Business-Modelle zu ermöglichen. Mit der politischen Einigung auf die Taxonomie zur Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten noch vor Weihnachten sowie der Einführung verpflichtender Offenlegungspflichten für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater sind bereits erste entscheidende Schritte dafür getan.

Auch wenn dies von manchen als Regelungsflut wahrgenommenen werden mag: Erstaunen sollte das niemanden. Schließlich stehen wir – um mit den Worten von Blackrock-Chef Larry Fink, einem der mächtigsten Männer der Finanzindustrie, zu sprechen – vor einer „fundamentalen Umgestaltung der Finanzwelt“, die rasch zu einer „beträchtlichen Umschichtung von Kapital“ führen wird.

Rechtsanwältin Dr. Eva-Maria Ségur-Cabanac, LL.M. ist Partnerin und leitet die Kapitalmarktrechtspraxis bei Baker McKenzie in Wien. Sie ist Mitglied der globalen Sustainable-Finance-Service-Line von Baker McKenzie.