Zühlke : Nikolaus Kawka zu Mixed Reality: „Das Geld liegt auf der Straße“

Nikolaus Kawka - Geschäftsführer Zühlke Österreich
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Nikolaus Kawka ist seit 2011 Geschäftsführer von Zühlke Österreich und seit 2018 auch Partner des Innovationsdienstleisters.

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Kawka, Mixed Reality ist inzwischen kein reines Forschungsthema mehr, sondern im Produktionsalltag angelangt. Stimmt der Eindruck?

Nikolaus Kawka: Auf jeden Fall. Mixed-Reality-Anwendungen haben heute einen Reifegrad erreicht, der sie auch im Realbetrieb wirtschaftlich sinnvoll einsetzbar macht. Mit der Microsoft Hololens 2, die es ab nächstem Jahr auch in Österreich geben wird [mittlerweile ist sie bereit auf dem Markt, Anm.], kann man außerdem Mixed Reality und künstliche Intelligenz noch stärker als bisher miteinander verknüpfen. Das schafft dann unglaubliche Möglichkeiten: Es gibt bereits Show-Cases mit der Hololens 2, bei denen eine Person auf Deutsch spricht, während der chinesische Gesprächspartner eine Hololens trägt und einen Avatar dieser Person sieht, die Chinesisch spricht. Das wirkt wie in einem Science-Fiction-Film, ist aber Realität.

Eine häufige Kritik an Datenbrillen lautet allerdings nach wie vor, sie seien unpraktisch, unergonomisch, nicht intuitiv.

Kawka: Auch da verändert sich im Moment sehr viel. Die Hololens 2 zum Beispiel wird in der Lage sein, natürliche Gesten zu verstehen. Beim Vorgängermodell musste der User ja vorgegebene Gesten erlernen und sie dann verwenden, um die Brille zu bedienen. Noch wichtiger finde ich aber einen anderen Punkt: Wenn noch mehr künstliche Intelligenz in die Mixed Reality einfließt, dann wird die Hololens noch besser als bisher ihre größte Stärke ausspielen zu können, nämlich die Fähigkeit, Daten genau an dem Ort anzuzeigen, an dem man sie braucht, und das gleich grafisch perfekt auf bereitet.

Sie haben erwähnt, inzwischen rechnet sich der Einsatz von Mixed Reality. Von welchen Potenzialen sprechen wir da eigentlich?

Kawka: Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Aber nur um die Dimension anzudeuten: Wir haben unlängst ein Projekt für Thyssenkrupp gemacht. Thyssenkrupp produziert unter anderem Treppenlifte. Wer zu Hause einen Treppenlift braucht, braucht ihn oft dringend. Bislang ist ein Mitarbeiter von Thyssenkrupp zum zukünftigen Kunden gefahren, hat die Treppe händisch vermessen, oft musste er wegen Details noch einmal kommen, und dann wurde auf der Basis der Maße die Treppe gefertigt.

Mit der neuen Lösung kann er die Treppe per Hololens sofort beim Kunden vor Ort exakt abmessen, ein digitales Modell der Treppe live als Hologramm zeigen, das dann als Grundlage für die Produktion dient. Damit erreicht Thyssenkrupp Durchlaufzeiten von zwei Wochen, das ist viermal schneller. Wenn also ein großes Industrieunternehmen durch den Einsatz der Hololens derart massive Produktionssteigerungen erreichen kann, dann kann man mit Recht sagen: Hier liegt das Geld wirklich auf der Straße.

Die technische Umsetzung solcher Projekte dürfte aber nach wie vor schwierig sein, oder?

Kawka: Auch das hat sich geändert. Noch vor zwei Jahren haben wir tatsächlich sehr lange an der technischen Seite solcher Lösungen gearbeitet. Mit der neu gewonnenen Erfahrung sind Prozesse, für die wir früher Monate gebraucht haben, in wenigen Wochen umsetzbar.

Dieses Interview erschien erstmals im September 2019.