Kommentar : Darwins Lehre

Erinnern Sie sich an die Goldgräberstimmung in der Telekombranche um die Jahrtausendwende? Den Eigentümern der Infrastruktur wurde damals aufgrund der heraufziehenden Digitalisierung ein goldenes Jahrzehnt vorausgesagt. Heute wissen wir: Das Wachstum war sogar noch größer als gedacht. Aber das Geschäft haben andere gemacht.

Steht der österreichischen Industrie ein solches TelekomSchicksal bevor? Eine Mehrheit der österreichischen Industriemanager scheint sich nicht vor verschärftem Wettbewerb durch die Digitalisierung in der eigenen Branche zu fürchten, wie eine Umfrage, die INDUSTRIEMAGAZIN im Auftrag der Unternehmensberatung A.T. Kearney durchführte, ergeben hat.

Fraglos: Kein Branchenneuling ist mittelfristig in der Lage, Prozess-Know-how aufzubauen, das Maschinen oder Komponenten in europäischer Qualität konkurrenzfähig produzieren kann. Das lässt sich weder per „America first“ anordnen noch auf der grünen Wiese aufbauen, wie die Probleme, mit denen Tesla bei der Herstellung seiner Elektroautos kämpft, beweisen.

Doch Produktionswissen ist längst nicht mehr notwendig, um das Machtgefüge ganzer Branchen zu drehen. Eine technologiegetriebene Idee mit Mehrwert am Ende ihres Wertschöpfungsprozesses genügt, um sie ins zweite Glied zu verdrängen.

Ziehen wir eine Lehre aus dem Schicksal der (in unseren Fabriken produzierten) Infrastruktur: Sie ist längst nicht mehr notwendig, um zum globalen Transport- oder Tourismus- oder Telekommunikationsunternehmen (Uber, AirBnB, Facebook, Skype) der Welt zu werden. Lassen wir nicht zu, dass es unseren Geschäftsmodellen ergeht wie jenen der Nutzer unserer Produkte. Nicht das stärkste, das schnellste oder das intelligenteste Unternehmen wird überleben, sondern jenes, das sich am schnellsten anpassen kann. Immerhin: Acht Prozent der befragten Industriemanager haben das erkannt.