Kurzarbeit : Coronavirus: Wie Österreichs Fertigungsunternehmen in den Notbetrieb schalten

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© Anger Machining

Die Rezeption: Seit Tagen unbesetzt. Die wenigen Mitarbeiter an den Montagearbeitsplätzen: auf Abstand zueinander. Die Umkleiden: nur sequenziell benutzbar. Der Maschinenbauer Anger in Traun ist wie viele andere Fertigungsbetriebe Österreichs im Krisenmodus, trotz voller Auftragsbücher. Seit den vergangenen 48 Stunden ist der Betrieb beim Transferzentrenhersteller beträchtlich eingeschränkt. Projekte in europäischen und amerikanischen Kundenwerken wurden gestoppt, „auch einzelne Projekte in Traun sind betroffen, „weil die Lieferkette unterbrochen ist“, berichtet Dietmar Bahn, Leiter des Business Developments in der Trauner Unternehmenstochter des taiwanesischen Maschinenbaukonzerns Tongtai.

Mitarbeiter mit erhöhtem Gesundheitsrisiko schickte man nach Hause, der Belegschaft ginge es gut, sagt Bahn. Automobilkonzerne schließen reihum ihre Werke, das spüren auch die Trauner - aber noch nicht in allen Bereichen. „Die Fertigung einzelner Maschinen schreite noch voran und die Serienfertigung von Komponenten für Batteriewannen für den Volkswagen-Konzern sei im Dreischichtbetrieb „weiterhin in vollem Gang“, sagt Bahn.

>> Anmerkung: IM-Redakteur Daniel Pohselt ist laufend in Kontakt mit heimischen Fertigungsbetrieben und berichtet darüber regelmäßig auf www.industriemagazin.at. Auch heute wird er ein Update online stellen. Hier finden Sie den ersten Rundruf unter österreichischen Betrieben.

Auch im Vertrieb, dem Projektmanagement und dem Service stehe man „Gewehr bei Fuß“. Der Zusammenhalt in diesen schwierigen Tagen sei offenkundig, nicht nur im Raum Oberösterreich: „Der Austausch zwischen Kollegen der Branche ist intensiv“, sagt Bahn. Ein Thema, das jedoch alle beschäftigt: Kurzarbeit oder nicht?

„Die Inanspruchnahme des neuen Modells wird nach Abbau der Zeitkonten und Urlaubspolster sehr wahrscheinlich“, sagt Bahn.

Aktuell hat auch die Voestalpine Kurzarbeitsmaßnahmen in 50 Gesellschaften ausgerufen. Kündigungen in Österreich sind bisher nicht geplant. Auch Andritz hat als "Vorsichtsmaßnahme" seine 3.800 Mitarbeiter für Kurzarbeit angemeldet.

>> Hier finden Sie alle Informationen für Unternehmen, die jetzt wichtig sind: Von Kurzarbeit, Steuerstundungen über Versicherungsschutz und Höhere Gewalt bis hin zu Hauptversammlungen und Maßnahmen für EPU - und darüber hinaus, wie Sie diese Maßnahmen beantragen können

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„Kontrolliertes Reduzieren“

Schon am Sonntag zeichnete sich beim Industrieanlagenbauer Framag nach Abstimmung mit der Eigentümerfamilie und im Austausch mit dem Betriebsrat ein „kontrolliertes Reduzieren“ der Arbeit beim 116 Mitarbeiter starken Industriebetrieb mit Produktion und Dienstleistung in Frankenburg am Hausruck ab. „Die Abteilungen sind gut ausgelastet, die Versorgung mit Rohmaterial ist gegeben und neue Produkte stehen kurz vor der Einführung“, sagt Geschäftsführer Roland Haas.

Dringende Auftragslose konnten zu Wochenbeginn ausgeliefert werden, von Kunden, mit denen man eng abgestimmt die weiteren Aktivitäten plane, erfahre Haas viel „Verständnis für die Sachlage“.

Das Unternehmen zeichne eine Eigentümerfamilie aus, für die Sicherheit Gesundheit und gesellschaftliche Verantwortung jetzt vor gehen. Für die nächsten Wochen habe man Arbeiten „im Minimalbetrieb“ ausgerufen. Für oder gegen Kurzarbeit gebe es noch keinen Entscheid, so Haas am Dienstag. Die von den Sozialpartnern geschnürten Maßnahmen seien jedenfalls „ein guter Wurf“, meint Haas.

Volle Lager, fehlende Aufträge

Weniger einen Versorgungsengpass als einen Nachfrageeinbruch in China und nun voraussichtlich auch Deutschland erlebt Ferrobotics-Geschäftsführer Ronald Naderer. Das auf Robotik spezialisierte Linzer Unternehmen sei dieser Tage voll lieferfähig, 90 Prozent der Lieferanten seien im Umkreis von 25 Kilometern angesiedelt. „Wir haben ausreichend Bestände, allerdings sind die Kunden im Augenblick eher abwartend“, sagt Naderer. Hinzu kommt: Der Komponentenbau - die Oberösterreicher fertigen flexible, intelligente Roboterkomponenten für unter anderem den Automobilbau - sei ein Geschäft relativ kurzer Durchlaufzeiten.

Aufgrund langer Projektzeiten seien Anlagenbauer längerfristig ausgelastet. „Unsere Auftragsbücher sind zwar gefüllt und unsere Liquidität ist gut aufgestellt, daher können wir gut durchtauchen. Aber auch unser 40-Mitarbeiter-Unternehmen wird vorerst die Kapazitäten anpassen“, sagt Naderer.

Zunächst durch Maßnahmen wie Heimarbeit und Urlaubsabbau und einen sicheren Fertigungsbetrieb, um Kunden versorgen zu können. Das Thema Kurzarbeit werde auch bei FerRobotics gerade wie in so vielen anderen Unternehmen geprüft.

Auslastung dank Aufträgen von Konzernschwestern

Eine Situation, die wir verhindern wollen“ - als solche bezeichnet ein Manager eines heimischen Industriebetriebs das Szenario Kurzarbeit. Die Auslastung im Werk sei aktuell unverändert hoch. Zum Jahreswechsel konnten sogar Fertigungslose an externe Partner fremdvergeben werden, so voll waren die Bücher. Aktuell fertige man am Standort Kernkomponenten für ein Schwesterwerk - „da sind wir mittendrin, diese Aufträge gilt es abzuarbeiten“, sagt der Geschäftsführer.

Einschränkungen gebe es aktuell keine, sagt er. Für die etwas über hundert Mitarbeiter wurden neben der Bereitstellung von Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel weitere Vorkehrungen getroffen. Ansammlungen werden vermieden. „Auch die Betriebskantine wurde angepasst“, sagt der Firmenchef. Bedenken von Mitarbeitern würden ernst genommen.

Miba: Vorerst keine Kurzarbeit

Beim oberösterreichischen Autozulieferer Miba spürt man die Werkschließungen der großen europäischen Autokonzerne noch nicht, aber "die Situation verändert sich gerade stündlich, daher ist es schwierig bis unmöglich, eine Prognose abzugeben" sagte Pressesprecher Wolfgang Chmelir gestern zur APA. Auch die Supply Chain funktioniere nach wie vor.

Das bedeutet für die rund 2.800 Mitarbeiter in Österreich - insgesamt sind es 7.600 - und für die weltweit 30 Produktionsstätten, dass es "im Moment" keine Schließungen und keine Kurzarbeit gibt. " Sollte sich diese Situation ändern, dann sind wir vorbereitet und werden Maßnahmen umsetzen", so Chmelir. Man versuche Lieferketten und Produktion am Laufen zu halten, "solange wie unsere Kunden die verlässliche Versorgung mit unseren Produkten benötigen".