Bahnindustrie : Chinesischer Bahnriese CRRC bekommt einen Standort in Deutschland

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© Peter Martens

Der deutsche Bahntechnikkonzern Vossloh will seine Lokomotivensparte verkaufen. In Zukunft will sich das Unternehmen, das etwa 3.800 Mitarbeiter beschäftigt und zuletzt einen Umsatz von 865 Millionen Euro gemacht hat, stärker auf den Bereich Bahninfrastruktur ausrichten.

Mehrheitseigner von Knorr-Bremse will höhere Rendite

Ziel ist eine höhere Rendite, wie der Konzern im April angekündigt hat: Kündigungen und Spartenverkäufe beim Bahnkonzern Vossloh >>

Heuer hat übrigens der Münchener Unternehmer Heinz Hermann Thiele nach einer Kapitalerhöhung die Mehrheit an Vossloh übernommen. Der 78-Jährige, der auch Mehrheitseigentümer des Bremsen-Herstellers Knorr-Bremse ist, hält derzeit 50,1 Prozent an Vossloh. Dazu: Großaktionär Heinz Hermann Thiele hält jetzt die Mehrheit an Vossloh >>>

Deshalb werden die Geschäftsbereiche der Bahnsparte nach und nach verkauft. In den vergangenen Jahren wurde der Bereich "Bahnfahrzeuge" und "Elektrische Systeme" bereits verkauft. Jetzt folgt der Bereich für Diesel-Lokomotiven, in dem Vossloh rund 500 Mitarbeiter am Standort Kiel in Norddeutschland beschäftigt. An diesem Standort werden "hochmoderne Lokomotiven entwickelt und produziert" sowie "alle notwendigen Serviceleistungen rund um die Wartung und Instandhaltung dieser Lokomotiven angeboten", so der Hersteller.

Käufer der Lokomotivsparte: Ausgerechnet CRRC

Jetzt hat Vossloh auch einen Käufer für diese Lokomotivsparte gefunden: Es ist ausgerechnet der staatliche chinesische Konzern CRRC. Der "Vertrag über die Veräußerung des als nicht fortgeführte Aktivitäten ausgewiesenen Geschäftsfelds Locomotives" sei bereits unterzeichnet, meldet hier Vossloh.

Bei Vossloh lässt sich Konzernchef Andreas Busemann mit diesem Satz zitieren: "Wir freuen uns, dass wir nach einem langen und herausfordernden Verkaufsprozess nun den Verkauf des Geschäftsfelds bekannt geben können." Das Unternehmen CRRC Zelc sei ein "optimaler strategischen Partner für Vossloh Locomotives", der über die entsprechenden Ressourcen verfüge, "um das Lokomotivengeschäft langfristig erfolgreich weiter zu entwickeln."

Der Einstieg der Chinesen stehe noch unter dem Vorbehalt der Freigabe durch die Behörden in Europa und China, so ein Bericht der Zeitung "Die Welt" - besonders wegen kontrollrechtlicher und außenwirtschaftsrechtlicher Fragen. Der Vollzug des Verkaufs wird in den nächsten Monaten erwartet.

Gefürchteter Rivale von Siemens, Bombardier und Alstom

CRRC ist der größte Bahnkonzern der Welt, der vor einigen Jahren selbst aus einer Fusion zweier Bahnindustrieunternehmen entstanden ist. Das Unternehmen ist alleine größer ist als die Bahnsparten von Siemens, Bombardier und Alstom zusammen.

Mit diesem Konzern hat China einen neuen Riesen auf dem Markt der Bahnindustriekonzerne aufgebaut, der das Vielfache an Umsatz erwirtschaftet wie die westlichen Player Siemens, Bombardier und Alstom - übrigens mithilfe des berühmten chinesischen "Technologietransfers" und einer tatkräftigen Mitwirkung westlicher Konzerne, die damit geholfen haben, sich ihren künftigen Gegner selbst aufzubauen.

Zwei Versuche einer Fusion als Antwort auf neuen Bahnriesen gescheitert

Mit dem Deal zwischen CRRC und Vossloh dürfte nun Feuer am Dach der westlichen Hersteller sein - denn das plötzliche Auftauchen von CRRC war für Siemens der zentrale Treiber beim Versuch, die eigene Bahnsparte mit dem kanadischen Mischkonzern Bombardier zusammenzulegen - was damals gescheitert ist. Sowohl Siemens als auch Bombardier betreiben übrigens große Werke in Wien.

Im Rückblick:

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Danach hat Siemens versucht, seine Bahnsparte mit dem französischen Konzern Alstom zusammenzulegen. Nachdem diese Fusion schon komplett fixiert war, legte sich die EU-Kommission quer. Zuletzt boten beide den Verkauf von Firmenanteilen an, um die Bedenken der Brüsseler Wettbewerbshüter zu zerstreuen - vergeblich. Heuer im Februar hat die EU diese Fusion endgültig verboten. Die Warnungen des Siemens-Chefs Joe Kaeser explizit vor einer Übermacht des chinesischen Staatsriesen blieben ungehört.

Dazu:

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Folgen des Deals weitreichender als Plan bei der Westbahn

Für großen Wirbel in der Branche hat jüngst die Ankündigung des privaten österreichischen Bahnbetreibers Westbahn gesorgt, neue Züge bei CRRC zu bestellen. Die Westbahn verhelfe dem chinesischen Staatsriesen zum Durchbruch in Europa, hieß es heuer im Frühjahr.

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Chinesen bekommen direkten Zugang zum Markt in Europa

Der Deal von CRRC mit Vossloh dürfte sehr viel weitreichendere Folgen haben als der Plan der Westbahn - wenn auch Vossloh in dieser Sparte nur etwa 35 bis 40 Lokomotiven pro Jahr produziert. Dem Zeitungsbericht zufolge bekommen die Chinesen mit diesem Verkauf den direkten Zugang zum deutschen und europäischen Eisenbahnmarkt - und damit auch einen zentralen Vorteil bei den komplexen Zulassungsverfahren in Europa.

(pm)

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Grafik: Die größten Bahnindustriekonzerne der Welt