Automesse Shanghai : China wird ein unsicheres Terrain für westliche Autobauer

In Shanghai hat die wichtigste Automesse des weltgrößten Absatzmarktes ihre Tore geöffnet. Doch für die westlichen Autobauer ist China derzeit unsicheres Terrain: Zwei Jahrzehnte nahezu ungebremsten Wachstums neigen sich dem Ende zu. Außerdem wächst die einheimische Konkurrenz, angetrieben vom staatlich verordneten Umstieg auf Elektroautos.

China bleibt Spitzenreiter trotz Minus im Vorjahr

Trotz eines Minus von 2,8 Prozent im vergangenen Jahr bleibt China mit 28 Millionen verkauften Wagen Spitzenreiter. Vor allem die deutschen Autobauer setzen voll auf das Reich der Mitte. Die Volkswagen-Gruppe verkauft dort mittlerweile vier von zehn Wagen, BMW und Daimler jedes vierte Auto weltweit. Analyse zu China: Weltweit größter Automarkt in "kritischer Situation" >>

Peking gibt auch deutschen Autobauern den Takt vor

Dank staatlicher Subventionen, Einschränkungen für Benziner auf den Straßen und Produktionsquoten könnten laut Dudenhöffer heuer bereits mehr als zwei Millionen Autos mit E-Antrieb in China verkauft werden. 2020 sollen es drei Millionen werden.

Das bedeutet, dass Peking auch für die deutschen Hersteller zunehmend den Takt vorgibt. Die Botschaft Pekings heißt laut dem Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen: "Wir sind als Markt so groß, dass niemand mehr an uns vorbeikommen wird, also setzen wir die Regeln."

Und das heißt auf der einen Seite größere Autos, auf der anderen aber elektrische Antriebe. 40 Prozent der Neuwagen in China waren im vergangenen Jahr SUV. Und obwohl der Anteil der Elektroautos 2018 noch bei nur vier Prozent lag, wird er schnell wachsen. Denn die Regierung hat den Herstellern einen Mindestanteil von zehn Prozent E-Fahrzeugen vorgeschrieben. Für beide Segmente werden die internationalen und einheimischen Hersteller in Shanghai viele neue Modelle vorstellen.

BMW und Daimler wollen Elektroautos in China bauen - und von China aus exportieren

Symptomatisch für die wachsende Bedeutung Chinas für Autos ist, dass sowohl BMW als auch Daimler die elektrisiert fahrenden nächsten Generationen ihrer Kleinwagenserien Mini und Smart mit Partnern in China bauen und von dort aus auch exportieren werden.

Chinas große Autobauer wie Geely, BAIC oder BYD haben schon seit Jahren E-Autos im Angebot. Die größten Innovationstreiber sind aber junge Firmen wie Nio oder Byton, die ausschließlich E-Autos produzieren.

Eine chinesische Marke namens "Weltmeister"

Auch die chinesische Automarke "Weltmeister" gehört dazu. Mit dem Namen versucht die Firma, vom immer noch ausgezeichneten Image deutscher Hersteller in China zu profitieren. Auch beherrscht China den Markt für Batterien. 35 Prozent der weltweit produzierten Zellen für Elektroautos kamen im vergangenen Jahr von den beiden großen chinesischen Herstellern.

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Chinesische Konkurrenz wird im eigenen Land immer mächtiger

Doch vor allem bei den E-Autos hängen die Deutschen anderen Herstellern hinterher. Wichtigster Hersteller in China ist auch nicht etwa der US-Elektropionier Tesla, sondern die einheimische Marke BYD. Um den technologischen Rückstand zu verringern, suchen die deutschen Hersteller die Zusammenarbeit: BMW arbeitet bei der Elektrifizierung des Minis mit Great Wall zusammen, Daimler lässt seinen Elektro-Smart künftig von Geely bauen. Dudenhöffer glaubt: "China wird Technologieführer im Autogeschäft."

Der Umbau der Antriebe kostet die Hersteller viel Geld. Gleichzeitig wird aber auch das ehemalige Zugpferd China dieses Jahr keine Rekordgewinne in die Taschen spülen, sondern eher aufgrund des harten Wettbewerbs die Margen drücken.

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Die beiden Autoexperten Dudenhöffer und Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach gehen jeweils von einem schrumpfenden Markt aus. Dudenhöffer glaubt allerdings: "Der 'Durchhänger' ist kurzfristig." Ab 2020 komme die "Wachstumsmaschine China" wieder in Gang.

Industrieverband VDA gibt sich kämpferisch

"Erhebliches Zukunftspotenzial" bei E-Autos in China attestierte der deutsche Branchenverband VDA den deutschen Herstellern. Man sei zuversichtlich, dass sie ihren bisher noch kleinen Marktanteil in dem Segment von derzeit fünf Prozent ausbauen werden, sagte VDA-Präsident Bernhard Mattes in Shanghai.

Auch beim zweiten großen Zukunftsthema, der Vernetzung des Autos, sieht Dudenhöffer die Chinesen vorn. So sei der Netzwerkausrüster Huawei Technologiefuhrer beim schnelleren mobilen Internet 5G. Der Suchmaschinenkonzern Baidu arbeite an einem selbstfahrenden Roboterauto, das mit hoher Wahrscheinlichkeit zuerst in China den Marktdurchbruch feiern dürfte.

Wieder ein Anstieg des Wachstums in den nächsten Wochen erwartet

In Shanghai gaben sich die deutschen Hersteller zuversichtlich, dass die derzeitige Wachstumsschwäche auf ihrem wichtigsten Markt bald überwunden ist. Man sei "vorsichtig optimistisch", sagte Daimler-Entwicklungschef Ola Källenius. Nach Wachstum im ersten Quartal rechne der Konzern auch für das Gesamtjahr mit Zuwächsen.

Ähnlich äußerte sich BMW-Finanzchef Nicolas Peter. Auf dem wichtigsten Einzelmarkt China werde das Unternehmen trotz der aktuellen Marktschwäche mehr Autos verkaufen. "Wir werden zwischen fünf und zehn Prozent in diesem stagnierenden Markt wachsen und damit Segmentanteile gewinnen", sagte Peter.

"Wir haben leichte Signale, dass sich die Bedingungen am chinesischen Markt in den kommenden Wochen, vielleicht schon im Mai, entspannen könnten", hatte VW-China-Chef Stephan Wöllenstein bereits gesagt. VW ist als Hersteller von kleinen und mittleren Fahrzeugen am stärksten von der derzeitigen Kaufzurückhaltung in China betroffen.

(red mit afp, reuters, apa)