Interview : Kritik am Freihandelsabkommen Jefta: „Ich erlebe seit Jahrzehnten Japan First“

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© Thomas Topf

Herr Feichtl, am 1. Februar tritt das Freihandelsabkommen mit Japan in Kraft, das im Vorfeld als „das größte jemals geschlossene der Welt“ gefeiert wird. Wirklich zum Feiern ist Ihnen aber nicht zu Mute…

Als Werkzeugmaschinenbauer und in meiner Funktion als Präsident des europäischen Dachverbandes CECIMO habe ich den freien Handel in meiner DNA. Wie übrigens jeder Manager und Funktionär in meiner Branche. Schon aus einem einfachen Grund: Wir produzieren in Europa rund doppelt so viele Werkzeugmaschinen wie der heimische Markt benötigt. Aber ich befürchte, dass das Abkommen mit Japan – das übrigens gar kein Freihandels- sondern ein Partnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreement) und wohl als politisches Signal an Washington gedacht ist – für den Werkzeugmaschinensektor zur Einbahnstrasse wird. Es wird die bestehenden starken Ungleichgewichte im Handel zwischen Japan und Europa noch verstärken.

Wie kann der Abbau unfairer Handelspraktiken Ungleichgewichte verstärken?

Die Europäische Union hat bislang nicht realisiert, dass die Beseitigung der mittlerweile oft sehr geringen formalen Handelshemmnisse längst nicht mehr das alleinige und drängendste Problem in manchen Regionen des freien Welthandels sind. Denn gegen die subtilen Methoden, die man mancherorts entwickelt hat, um das westliche Wirtschaftssystem zum eigenen Vorteil zu nutzen, ist der Abbau von Handelsschranken wie Zöllen wirkungslos.

Was sind denn diese subtilen Methoden?

Gegen den politisch-industrielle Komplex in Japan, der aus kulturellen, gesellschaftlichen und sozialen Bindungen, der engen Verflechtung von Konsum- und Investitionsgüterindustrie und dem Fördersystem der japanischen Schlüsselindustrien besteht, hilft der Abbau von Zöllen wenig. Zumal wir beim Export von Werkzeugmaschinen nach Japan ohnehin schon längst kaum mehr Zölle gezahlt haben.

Sie konnten schon bisher zollfrei nach Japan liefern?

Durch den jahrzehntelangen Druck auf die Japaner, Handelsbarrieren zu reduzieren, ist der Zoll für europäische Werkzeugmaschinenbauer – ganz im Gegensatz zum Zoll für japanische Maschinen nach Europa! – sukzessive auf fast Null gesunken. Praktisch zollfrei haben europäische Weltmarktführer im Jahr 2017 aber nur um 232 Millionen Euro nach Japan exportiert, während japanische Unternehmen mit vier Prozent Zollaufschlag im vorvergangenen um 1,533 Millionen Euro Werkzeugmaschinen nach Europa exportierten. Dies obwohl die europäische Werkzeugmaschinenindustrie mit über 26 Milliarden, mehr als doppelt so groß ist als die japanische mit 11.7 Milliarden. Und dieser Zoll wird nun in den kommenden vier Jahren auf Null reduziert...

Wie hat man in der EU-Kommission auf Ihre Einwände als Präsident der Werkzeugmaschinenbauer reagiert?

Wir haben der EU-Kommission klar kommuniziert, dass wir für das Abkommen, das ja alle Branchen betrifft, Begleitmaßnahmen im Bereich der Werkzeugmaschinen brauchen. Doch man zeigte wenig Interesse für das reale Problem. Das Abkommen soll nach Einschätzung der Kommission dazu führen, dass mehr landwirtschaftliche Produkte und Konsumgüter aus Europa nach Japan verkauft werden…

…und inwiefern ist das positiv für den Werkzeugmaschinenbau?

(lacht) Durch den höheren Export an Konsumgütern sollen höhere Maschineninvestitionen in Europa entstehen. Das war das Argument aus Brüssel. Genau solche Argumente haben zur Deindustrialisierung in den USA geführt. Und: Bei diesen erhofften zusätzlichen Investitionen in Europa haben dann die japanischen Werkzeugmaschinenbauer 4 Prozent Wettbewerbsvorteil gegenüber der Zeit vor dem Partnerschaftsabkommen.

War es aus Ihrer Perspektive ein Fehler, das Japan-Abkommen als Antwort auf die protektionistischen Töne aus den USA mit solch einer Eile voranzutreiben?

Jeder erregt sich derzeit über Donald Trumps lautes „America First“, ich erlebe in der gelebten Praxis schon seit Jahrzehnten ein stilles Japan First und China First.

Vor wenigen Tagen hat der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) ein unerwartet deutliches Positionspapier mit 54 Forderungen zur Stärkung der Europäischen Industrie gegen den chinesischen Staatskapitalismus vorgelegt. Von einzelnen Unternehmern hat man solche Töne immer schon gehört, von einem Verband noch nie. Eine Zeitenwende?

Ich mache seit 1993 Geschäfte in China. Der Markt ist wichtig und wir sind dort als Technologieführer auch sehr erfolgreich. Aber meine Erkenntnis ist auch: Dort hat man das System des Kapitalismus genau studiert und nutzt es für eigene Zwecke. Chinesische Unternehmen werden in Europa weitaus besser behandelt als umgekehrt, Schlüsselindustrie werden gezielt geschützt, Rechtssicherheit, wie etwa im britisch geprägten Indien, existiert nicht. Dies gilt auch für den Umgang mit Patentschutz. Während europäische Investitionen in China nur mit chinesischem Machtanspruch umsetzbar sind, kaufen deren Unternehmen strategisch Technologien im Westen, im Großen, wie bei Kuka aber auch im Kleinen, wie bei TMS in Linz. Bei Kuka in Augsburg werden trotz einer abgegebenen Beschäftigungsgarantie des chinesischen Eigentümers bereits Arbeitsplätze abgebaut, während Kuka nun in China in hochwertige Arbeitsplätze investiert.

Das ist alles längst bekannt, neu ist jedoch, dass erstmals ein Verband öffentlich Alarm schlägt…

Es hat sowohl in Deutschland als auch in Europa schon verschiedene Vorstöße gegeben, man hat für die Öffentlichkeit nicht sichtbar artikuliert. Jetzt ist man an die Öffentlichkeit gegangen. Offenbar ist man beim BDI der Meinung, man erreicht auf diesem Wege mehr.

Hat Donald Trump also doch Recht, wenn er Chinas unfaire Wirtschaftspolitik mit Zolldrohungen verändern will?

Ich bin beileibe kein Trump Fan. Aber ich glaube auf Basis meiner internationalen Kontakte, dass die Welt Europa derzeit politisch als Schwach einschätzt. Der Umgang mit den Themen Energiewende, dem Dieselskandal, der Immigration, dem Brexit und den Russlandsanktionen sorgen für ungläubiges Staunen. Und ich glaube auch, dass man an manchen Punkten in Verhandlungen eine Sprache der Stärke versteht. So simplifizierend das jetzt klingt: Europa wird von Politikern regiert. Die setzen in der Handelspolitik auf formal nachweisbare Dinge. Die USA werden von einem Geschäftsmann regiert, der sagt: Da findet in der Praxis etwas Unfaires statt, das abgestellt werden muss.

Zur Person

Roland Feichtl, 61, ist als Gesellschafter, Aufsichtsrat und Beirat verschiedener internationaler Industrieunternehmen tätig, u.a.auch in der Krause & Mauser Gruppe mit dem Wiener Feinbohr-Spezialisten Krauseco Werkzeugmaschinen GmbH oder der Feiba Engineering & Plants GmbH in Traun/OÖ, ein auf Automation und Robotik-Applikationen spezialisiertes Unternehmen. Als Präsident der europäischen Vereinigung der Werkzeugmaschinenbauer CECIMO setzt er sich weltweit für die Branche ein, die für ein Drittel der weltweiten Produktion steht.