Interview : "Bei Lenzing hat eine neue Ära begonnen"

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Herr Hofer, wie zufrieden sind Sie derzeit mit der Performance der drei Kernunternehmen Ihrer Stiftung, der AMAG, Lenzing und Semperit?

Wolfgang Hofer Unterschiedlich. Ich erlebe arbeitsbedingte und marktbedingte Resultate. Bei der Semperit sehe ich einigen arbeitsbedingten Misserfolg, der aktuell mit einem schwierigen Markt zu Rande kommen muss. Wir haben im letzten Jahr signifikante Verteuerungen im Naturkautschuk erlebt. So schnell können sie die Verkaufspreise gar nicht erhöhen wie der Weltmarktpreis gestiegen ist. Das sind eindeutig marktbedingte Misserfolge. Ich sehe bei Semperit aber auch arbeitsbedingte Misserfolge.

Der im März abgelöste Semperit-Vorstand Thomas Fahnemann hat 2017 einen komplexen Trennungsvertrag von asiatischen Geschäftspartnern unterschrieben. Beurteilen Sie die Scheidung vom thailändischen Latexkonzern Sri Trang als Fehler?

Hofer Nein. Aus meiner Perspektive war das ein Erfolg. Er hat ein leidiges Problem gelöst und Kapital freigesetzt. Es ist gut, wenn es nicht in einer immer weniger attraktiven Branche gebunden ist. Für westliche Companies ist das Engagement in der Latexbranche schwierig geworden. Europäische und US-Unternehmen reduzieren die Produktion und konzentrieren sich lieber auf die Diversifikation in intelligentere Branchen-Produkte. Einen ähnlichen Weg wird auch Semperit gehen müssen.

Was sind denn dann die „arbeitsbedingten Misserfolge“ bei Semperit?

Hofer Semperit hat seit dem Abgang von (Langzeit-CEO, Anm. d. Red.) Rainer Zellner 2011 weiter wichtige Entscheidungen hinausgeschoben. Es sind Werke mitgeschleppt worden, die man eigentlich schon hätte schließen oder veräußern sollen. Wieder andere Standorte wurden nicht ausgebaut. Auch die IT ist nicht am Stand der Zeit. Ein Manager hat mir vor einiger Zeit gesagt, dass die IT-Systeme von Semperit einen Standard von Industrie 1.0 darstellen, die maximal an der Schwelle zu Industrie 2.0 stehen. Von Industrie 4.0 ist da keine Rede. Das war für mich sehr plastisch.

Was erwarten Sie vom aktuellen Semperit-Chef Martin Füllenbach?

Hofer Ich will wirksame Maßnahmen sehen. Sonst kriegen wir bei Semperit nicht die Kurve. Da ist nicht nur Herr Füllenbach gefordert, sondern das ganze Vorstandsteam. Der AR hat das Top-Management nicht umsonst neu installiert. Derzeit läuft ein Prozess, der alles auf den Prüfstand stellt. Es geht zuerst um die Klärung des Ist-Zustandes: Wo stehen wir, wo ist die Wettbewerbsposition von Semperit, was machen die Mitbewerber, wie schauen die Märkte aus? Daraus wird dann die Strategie destilliert, von der zu erwarten ist, dass sie entschieden umgesetzt wird.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hätten wir ein ähnliches Gespräch über Lenzing führen können. Lenzing steckte bis 2015 in einem tiefen Konjunkturtal. Heute liefert der weltgrößte Faserproduzent ein Rekordergebnis nach dem anderen. Alles eine Frage der Marktsituation?

Hofer Lenzing spielt in einer anderen Liga – auch auf der Zufriedenheitsskala. Hier hat das Management die Konsequenzen gezogen und sehr gute Restrukturierungsarbeit geleistet – auch mit kräftiger externer Unterstützung für den Lenzing. Und darauf aufbauend hat mit Dr. Doboczky (aktueller Lenzing-CEO, Red.) eine ganz neue Ära begonnen. Dass dann in den letzten zwei Jahren auch der Rückenwind des Marktes dazugekommen ist, nehmen wir gerne mit. Aber aufs Tor schießen, müssen sie immer selber. Der günstige Wind trägt den Ball nicht von selbst hinein.

Der Aluminiumkonzern AMAG zählt zu den jüngsten Beteiligungen der B&C. Hohe Investitionen und gute Ergebnisse haben die letzten Jahre geprägt. Was geht in Ranshofen?

Hofer Wir haben dort vergleichsweise still in den letzten Jahren über 550 Millionen Euro investiert. Damit haben die Aktionäre und deren Aufsichtsräte strategische Entscheidungen getroffen, die den weiteren Weg vorgeben. Das ist eine Bobbahn, die wir jetzt hinunterfahren und aus der es keine Abzweigungen gibt. Das neue Warmwalzwerk (2014 eröffnet, Red.), das ja noch hochgefahren wird und das Kaltwalzwerk (2017 eröffnet, Red.) werden die Kapazitäten der AMAG gegenüber von 2014 verdreifachen. Das muss gut verkauft werden. Gegenwärtig hilft der Aluminiumpreis, der wieder in gutbürgerlichen Höhen schwebt. Kein Mensch weiß, warum er jetzt so hoch ist.

Bei Semperit und in der B&C Holding hat es zuletzt viele Zu- und Abgänge auf den Führungsebenen gegeben. Auch bei Lenzing war man bis vor zwei Jahren personalmäßig „flexibel“. Wird man im Umfeld der B&C-Holding schnell geheuert und gefeuert?

Hofer Die Vorstände werden ja von den Aufsichtsräten bestimmt. Und da sitzt ja nicht nur die B&C drinnen. Aber ich gebe Ihnen recht: Es interessiert uns brennend, was diejenigen tun, die unser Vermögen verwalten. Daher holen wir uns Einblick, um arbeitsbedingten Erfolg oder Misserfolg vom marktbedingten Erfolg oder Misserfolg zu unterscheiden. Und bei einer signifikanten Häufung von arbeitsbedingten Misserfolgen muss man Konsequenzen ziehen. Ohne Ansehen von Stand, Person, Freundschaft, langjährigen Verbindungen. Dann muss gehandelt werden. Das ist wie im Fußball.

Der 38-jährige Rechtsanwalt Stefan Fida ist als Nachfolger des verstorbenen Georg Bauthen zu Ihnen und Ex-Bank Austria Chef Erich Hampel in die B&C aufgerückt. Ist das der Beginn einer Generationenwende?

Hofer Ein wenig schon. Sie können aber sicher sein: Die Kontinuität ist gewahrt. Unsere Aufgabe ist es, den Stiftungsvorstand so zu komponieren, dass er den eingeleiteten Entwicklungen entspricht und zukunftsfit ist.

Was meinen Sie damit?

Hofer Das bedeutet, dass wir nicht nur auf der Managementebene, sondern in weiterer Zukunft auch im Stiftungsvorstand die Kompetenzen verbreitern müssen. In der Holding haben wir mit der Berufung des Industriemanagers Hanno Bästlein begonnen und diesen Weg mit Christoph Kollatz und Felix Fremerey fortgesetzt. Damit haben wir, wenn Sie so wollen, die Beraterlastigkeit zurückgedrängt. In der Vergangenheit waren diese Kenntnisse beim Genussrechtsrückkauf, Bereinigung des Portfolios und Tilgung der Verbindlichkeiten sehr nützlich. Jetzt benötigen wir mehr Industriemanagement-Know-how und technische Kompetenz. Dieser Wandel wird in Zukunft auch auf der Stiftungsebene erforderlich sein.

Sind in naher Zukunft weitere Veränderungen im Stiftungsrat zu erwarten?

Hofer Soweit absehbar, wird sich in naher Zukunft in der Frage nichts tun. Alles will auch gut vorbereitet sein.

Wo liegt die Zukunft der B&C-Holding?

Hofer Wir haben aus der Stiftung den Auftrag, darauf zu achten, dass es österreichische Unternehmen gibt, die international erfolgreich sind und die ihre österreichische Identität verteidigen können. Es ist Stiftungszweck, dass Industrieunternehmen österreichisch bleiben, nicht ans Ausland gehen und auch Unternehmer oder ihr Know-how nach Österreich zu holen. Wir wollen die bestehenden Kernbeteiligungen stark machen und weiterentwickeln.

Wie steht es um den Zukauf einer vierten Kernbeteiligung? Nach dem Verkauf von 12 Prozent von Lenzing ist die Kriegskasse voll.

Hofer Wir prüfen, wie wir neue Kernbeteiligungen generieren können. Aber es ist jetzt eine schwierige Zeit, um zu kaufen. Wir sind in einem Verkäufermarkt, in dem die Preise schon recht bis sehr hoch sind.

Wie schaut Ihr Suchraster aus?

Hofer Wir interessieren uns für Industrieunternehmen, die im Hochtechnologiebereich tätig sind und über wirklich zukunftsweisende Technologie verfügen. Da kann man dann schon auch ein ausländisches Unternehmen nach Österreich holen. Hätte ich gewusst, dass Kuka zum Verkauf steht, wären wir gemeinsam mit Partnern in den Ring gestiegen. Wir hätten das den Chinesen nicht so ohne weiteres überlassen. (Der Augsburger Roboterbauer Kuka wurde Ende 2016 für 4,5 Milliarden Euro an den chinesischen Hausgerätehersteller Midea verkauft, Anm. Red.)

Derzeit steht der Wieselburger Leuchtenhersteller ZKW zum Verkauf. Passt das Unternehmen in das B&C-Beuteschema?

Hofer Ja. Würde es. Wir haben unseren Hut deutlich sichtbar in den Ring geworfen. Das ist auch angekommen. Derzeit steht man aber bereits in exklusiven Verkaufsgesprächen mit einem anderen Unternehmen, wie ich gehört habe. Sollte es sich aus irgendwelchen Gründen spießen, ist das Unternehmen für uns nach wie vor interessant.

Ein weiterer Name eines österreichischen Unternehmens, der sich für einen Käuferinteressenten aufdrängt, ist die RHI-Magnesita. Ein Objekt der Begierde?Hofer Begierde ist etwas übertrieben formuliert. Das Unternehmen ist interessant. Wir beobachten, wie sich der Merger mit Magnesita anlässt. Da muss sich einmal der Staub legen. Wir werden sehen, wer von den bisherigen RHI-Aktionären rausgehen möchte und wer drinnen bleiben wird. Ich habe so das Gefühl, dass sich das in einem Jahr schon klären wird. Wir werden sehen.

Wäre die RHI vor dem Magnesita-Deal für B&C interessanter gewesen als heute?

Hofer Wir haben uns die RHI schon mal vor vielen Jahren angeschaut. Wir waren damals der Meinung, dass wir die RHI Magnesita unbedingt kaufen sollten. Aber die Brasilianer waren damals immens teuer. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es noch so gut ist, die Magnesita dabei zu haben. Aber das müsste man sich anschauen. Eines ist aber sicher: Hochtechnologie in unserem Sinne repräsentiert die Feuerfestbranche nicht.

Wie geduldig sind Sie bei der Suche nach der vierten Kernbeteiligung? Auf viel Geld zu sitzen ist heute nicht gerade lukrativ.

Hofer Die Niedrigzinsphase ist für liquide Unternehmen furchtbar. Aber mit dem Phänomen muss man ganz einfach leben. Wir sind wie gesagt in einem Verkäufermarkt. Und wir müssen Geduld haben, um nicht zu teuer zu kaufen. Für diese Suche braucht es eine Mannschaft mit ausreichenden Ressourcen. Wir sind dabei, ein M&A-Team aufzubauen. Ich habe gelernt, in Beteiligungsfragen geduldig zu sein. Wenn Lenzing nur auf den österreichischen Markt angewiesen wäre, könnten wir zu Drei-König schon die Produktion zusperren.

Zur Person Wolfgang Hofer

Wolfgang Hofer (65) ist Aufsichtsratsvorsitzender der B&C Industrieholding. Die Gruppe hält Beteiligungen am Aluminiumkonzern AMAG, dem Faserhersteller Lenzing und dem Kautschukverarbeiter Semperit. Wolfgang Hofer gilt als der Verbinder zwischen dem Stiftungsrat und den Geschäftsführern der Industrieholding. Im Brotberuf ist Hofer Partner der Rechtsanwaltskanzlei Grohs Hofer.