Europäische Union : „Außerhalb der EU wäre Berndorf weniger stark gewachsen“
Dreimal so viele Mitarbeiter, doppelt so viele Firmen in der gesamten Unternehmensgruppe und rund 500 hochqualifizierte Arbeitsplätze am Industriestandort Berndorf: Das seien Fakten, wenn man die Berndorf AG des Jahres 1995 mit jener des Jahres 2015 vergleiche. Dazwischen liegen zwei Jahrzehnte und die ersten 20 Jahre der EU-Mitgliedschaft Österreichs.
"Natürlich ist der Unternehmenserfolg nicht ausschließlich auf den EU-Beitritt zurückzuführen", sagt Berndorf AG-Vorstandsvorsitzender Peter Pichler, "aber einen wesentlichen Beitrag hat die EU-Mitgliedschaft dazu schon geleistet. Außerhalb der Europäischen Union wäre die Berndorf AG weniger stark gewachsen und heute ein anderes Unternehmen." Das "Projekt EU" sei jedoch nicht allein mit wirtschaftlichen Maßstäben zu messen, sondern vor allem ein politisches Projekt, an dem es zu arbeiten gelte. Was uns heute immer noch fehlt, ist ein echtes europäisches Bewusstsein, sagt Pichler: "Die nationale Politik entschuldigt eigene Unzulänglichkeiten viel zu oft mit einem Fingerzeig auf 'die in Brüssel'."
Bewusstsein nötig, um Standort zu nutzen
Aus Berndorfer Sicht sei das insofern bedauerlich, so Pichler weiter, "weil die EU nicht nur für unser Unternehmen, sondern für die Regionen rund um unsere Standorte eine Erfolgsgeschichte darstellt." Das Triestingtal galt noch vor 40 Jahren als chronisches Krisengebiet mit deutlich höherer Arbeitslosenrate als im Umland. "Die Förderung der EU-Ziel-1 & -2-Gebiete in den ersten Jahren haben Investitionen in Infrastrukturprojekte ermöglicht und unseren Geschäftsverlauf direkt und indirekt beflügelt. Die EU bietet Chancen, aber nützen müssen wir sie schon selbst."
Die Gemeinden im Triestingtal mit seiner knapp 200-jährigen Industriegeschichte seien dafür ein gutes Beispiel. Ihr Zusammenschluss zu einer LEADER-Region aus insgesamt zwölf Mitgliedsgemeinden habe allein in der europäischen Förderperiode 2007-2013 dazu geführt, dass 140 Projekte aus den Bereichen Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft, Energie und Bildung eingereicht wurden. Insgesamt ermöglichte das Investitionen in der Höhe von 9,1 Millionen Euro und wurde laut regionalem Abschlussbericht mit ca. drei Millionen Euro gefördert.
Berndorf AG-Technologie-Vorstand Franz Viehböck, Österreichs einziger Raumfahrer, kam erst 2002 als Industriemanager im Triestingtal an und spürte sieben Jahre nach dem EU-Beitritt die Aufbruchsstimmung vor Ort: "Sich in Europa zu bewegen war eine gute Vorbereitung, aber die Welt ist noch größer. Unsere Mitarbeiter, die das verstanden haben, sichern die Wettbewerbsfähigkeit Berndorfs auch in Zukunft", so Viehböck.
Vergleichswettbewerb
Jedes Jahr treten die besten Innovationsprojekte aus unterschiedlichen Berndorf-Unternehmen in einen internen Vergleichswettbewerb. Die besten Ingenieure aus Österreich, Deutschland und anderen Staaten, in denen Berndorf vertreten ist, matchen sich seit 2011 um den Titel des "Berndorf-Innovationskaisers". Viehböck: "Es ist beeindruckend, welche kreative Energie hier frei wird. Bei diesem Wettbewerb wird immer wieder deutlich, wie sehr die Berndorf AG heute zu einer vor allem in Deutschland sehr stark gewachsenen Gruppe geworden ist, die von Österreich aus geführt wird. Das wäre vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen." Vier von sechs Unternehmensneuzugängen seit 2007 in der Berndorf Gruppe kommen aus dem deutschen Hochtechnologiebereich.
Die starke europäische und internationale Vernetzung mit mittlerweile über 60 Berndorf-Tochtergesellschaften in mehr als 20 Ländern weltweit sichere Arbeitsplätze in Österreich und mache die Berndorf AG auch widerstandsfähig gegen Krisen. "Nicht immer kann es in jedem Bereich wirtschaftlich gut gehen. In Berndorf hat etwa der Bäderbau in den letzten Jahren eine sehr schwere Zeit mit Verlusten, aber auch mit großer Anstrengung und letztlich erfolgreich bewältigt. Das gelang, weil das Unternehmen nicht nur in Österreich aktiv ist", sagt Berndorf Finanzvorstand Dietmar Müller. "Ohne Mitgliedschaft Österreichs in der EU wäre das Wachstum bei uns in der Gruppe in den letzten zwanzig Jahren geringer ausgefallen. Und - auch wenn das viele im Alltag nicht so sehen wollen - die Kaufkraft der Österreicher ist heute weitaus höher als vor dem EU-Beitritt. Zusätzlich nützen immer mehr junge Menschen die Chance, schon in der Ausbildung internationale Erfahrung zu sammeln. Das ist in der Industrie gefragt."