Stahlindustrie : Aufspaltung von Thyssenkrupp: "Mehr Fokus, mehr Leistungsfähigkeit" - ab 2020

Nach einer monatelangen Führungskrise wird der Essener Thyssenkrupp-Konzern grundlegend umgebaut und dabei in zwei eigenständige Unternehmen aufgespalten. Auf der einen Seite werde die "Thyssenkrupp Materials AG" unter anderem den 50-Prozent-Anteil aus dem fusionierten Stahlgeschäft mit dem indischen Partner Tata enthalten. Hinzu kommen der Handel mit Werkstoffen sowie der Marineschiffbau. In dem zweiten Unternehmen "Thyssenkrupp Industrials AG" soll dagegen etwa das Geschäft mit Aufzügen oder Zulieferungen für die Autoindustrie gebündelt werden. Beide sollen einen direkten Zugang zum Kapitalmarkt erhalten, Aktionäre sollen nach der Teilung zwei Aktien bekommen.

Über die konkrete Teilung muss laut Unternehmen dann die Hauptversammlung entscheiden. Das könne "in 12 bis 18 Monaten geschehen", heißt es. Der Traditionskonzern wird derzeit von einer Führungskrise beherrscht und legte zuletzt auch schwache Geschäftszahlen vor. Thyssenkrupp steht seit Monaten unter dem Druck der Aktionäre, vor allem die beteiligten Hedgefonds Cevian und Elliott Druc fordern ein schnelleres Tempo beim Umbau des Konzerns. Die überraschenden Abgänge von Vorstandschef Heinrich Hiesinger und Aufsichtsratschef Ulrich Lehner hatten den Konzern im Sommer in eine tiefe Krise gestürzt. Noch immer machen Thyssenkrupp die Folgen einer milliardenteuren Fehlinvestition zu schaffen. Als Sorgenkind gilt nicht nur die schwächelnde Sparte für Anlagenbau, die vor einer weiteren Umstrukturierung steht. Auch die kurz vor seinem Abgang von Hiesinger eingefädelte Stahlfusion mit Tata ist noch nicht vollzogen.

Die Krupp-Stiftung als Großaktionär von Thyssenkrupp hat die beschlossene Aufspaltung des Industriekonzerns begrüßt. "Dieser Vorschlag besitzt eine überzeugende industrielle Logik", sagte die Stiftungsvorsitzende Ursula Gather, die Mitglied im Aufsichtsrat des Dax-Unternehmens ist. Der Plan des zum Vorstandsvorsitzenden berufenen Guido Kerkhoff habe "die volle Unterstützung des Aufsichtsrates". Mit dem schwedischen Fonds Cevian hatte bereits ein anderer Großaktionär Zustimmung zu dem Vorhaben signalisiert, das der Aufsichtsrat am Sonntag in Essen beschlossen hatte. Die endgültige Entscheidung soll jedoch eine Hauptversammlung voraussichtlich erst im Jahr 2020 treffen.

Analysten sind vorsichtig positiv, was die Aufspaltung anbelangt: Ein wichtiger Schritt, aber noch keine fertige Strategie, so der Tenor. Eine einfache Teilung der Geschäfte reicht etwa dem Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer, noch nicht aus. Das "macht das Geschäft ja nicht profitabler", erklärte er gegenüber Reuters. "Da braucht man schon eine weiterführende Strategie und die sehe ich noch nicht." Grundlegende Bedenken hinsichtlich der Ertragsschwäche bei ThyssenKrupp würden durch Kerkhoffs Pläne nicht ausgeräumt, mahnten Experten von Barclays. Die Gewerkschaft IG Metall pocht darauf, dass die Aufspaltung ohne betriebsbedingte Kündigungen über die Bühne geht. Kerkhoff versicherte, es werde keinen größeren Abbau von Stellen geben.

Neuer, alter Vorstandschef des Unternehmens ist Guido Kerkhoff. Sieben Jahre lang stand der heute 50 Jahre alte Manager als Finanzchef an der Seite des im Sommer überraschend zurückgetretenen Konzernchefs Heinrich Hiesinger. Der studierte Betriebswirt galt dabei stets als enger Mitarbeiter seines Chefs und als Architekt der Stahlfusion mit dem indischen Tata-Konzern. Nach knapp drei Monaten als Interimschef wurde der ehemalige Telekom-Manager am Sonntag vom Aufsichtsrat einstimmig zum regulären Vorstandsvorsitzenden bestellt.

https://youtu.be/FNGBcIIGYeA Video: Guido Kerkhoff über die Stahlfusion von Tata Steel mit Thyssenkrupp aus dem Jahr 2017