Antriebstechnik : ATB beantragt Insolvenz - in Spielberg bleibt nur F&E

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© Helene Waldner

Der steirische Antriebshersteller ATB Spielberg GmbH hat am Landesgericht Leoben Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung gestellt. Dies teilten das Unternehmen und auch die Creditreform mit. Es sind rund 800 Gläubiger und 400 Arbeitnehmer betroffen. Rund 360 Mitarbeiter wurden zuvor beim Frühwarnsystem des AMS zur Kündigung angemeldet. Details dazu: Steirische ATB: 360 von 400 Mitarbeitern müssen gehen >>

Hersteller ist seit neun Jahren in chinesischer Hand

Das Unternehmen mit Sitz im obersteirischen Spielberg befindet sich im Besitz der chinesischen Wolong-Gruppe. Den Aktiva von rund 26 Mio. Euro sollen Passiva von rund 28,3 Mio. Euro gegenüberstehen, was eine Überschuldung von rund 2,3 Mio. Euro ergibt.

Wie das Unternehmen bereits vorige Woche eingeräumt hatte, haben die Covid-19-Krise und der schwierige Absatzmarkt zu schaffen gemacht. ATB ist einer der führenden europäischen Hersteller von Elektromotoren und elektrischer Antriebstechnik, vor allem im Gartengeräte- und Haushaltsbereich. Das Unternehmen mit Sitz im obersteirischen Spielberg befindet sich im Besitz der chinesischen Wolong-Gruppe.

Coronakrise hat die Lage deutlich verschärft

Laut Creditreform haben starke Umsatzrückgänge und der daraus resultierende Preisdruck an den Absatzmärkten sowie die allgemein unsichere gesamtwirtschaftliche Situation hat die Lage nochmals verschärft. Das Unternehmen soll allerdings fortgeführt werden. Am Standort in Spielberg soll lediglich die Forschung und Entwicklung, der Vertrieb und die Logistik verbleiben. Es soll ein Distributionszentrum aufgebaut werden. Den Gläubigern wird eine Quote von 30 Prozent binnen zwei Jahren angeboten.

Standort Spielberg im Nachteil

Produziert wird derzeit an zwölf Standorten, eben in Spielberg sowie in den deutschen Niederlassungen Welzheim, Mönchengladbach und Nordenham, im britischen Leeds und Norwich, im chinesischen Wuhan und Shaoxing, im polnischen Tarnow, in Eindhoven (NL) sowie in Subotica und Bor. Weltweit sind mehr als 3.500 Mitarbeiter beschäftigt.

Laut Unternehmen war die Produktion in Spielberg bereits seit Jahren nicht mehr wirtschaftlich, nur aufgrund von Zuschüssen durch den Eigentümer konnten signifikante Verluste laufend ausgeglichen werden. Mit der Corona-Krise sei dies jedoch nicht länger darstellbar. Die Gespräche mit dem Betriebsrat würden weiterhin laufen, um "Lösungen im Rahmen der innerbetrieblichen Sozialpartnerschaft zu erreichen", hieß es bei ATB. (apa/red)

Im Fall von ATB Spielberg wurde bekannt, dass die Überschuldung des Unternehmens höher sein dürfte als nach ersten Meldungen. Die Passiva betrugen laut AKV und KSV nach Liquidationswerten rund 43 Mio. Euro, die Aktiva rund 6 Mio. Euro. Die Überschuldung beläuft sich gemäß diesen Zahlen auf rund 37 Mio. Euro. Betroffen von der Insolvenz sind rund 300 Arbeiter und rund 100 Angestellte, wie die beiden Kreditschützer am Dienstag mitteilten. Die Finanzierung des Fortbetriebes soll über die Gesellschafterseite erfolgen.

Laut AKV waren die Ergebnisse bei ATB bereits 2017 massiv rückläufig, sodass sich der Bilanzgewinn von rund 1,11 Mio. Euro zum Jahresende 2016 in einen Bilanzverlust von rund 7,35 Mio. Euro zum Jahresende 2018 gedreht hatte.

Dumpingpreise und Verlagerung in Billiglohnländer

Gründe waren laut KSV u.a. der steigende Kostendruck. Restrukturierungsmaßnahmen führten zwar zu einer Straffung der operativen Kosten, die Ertragslage wurde jedoch nicht nachhaltig stabilisiert.

Mitbewerber lagerten die Produktion zunehmend in kostengünstigere Länder aus, und die Herstellung wurde zudem immer spezialisierter, u.a. durch individuellere Kundenwünsche. Dazu kamen zuletzt die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Ohne weitere Gesellschafterzuschüsse würde sich in den nächsten Jahren kein Turnaround bewerkstelligen lassen, hieß es. Die nachhaltige Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit könne im Rahmen der momentanen Geschäftstätigkeit nicht gewährleistet, keine ausreichenden liquiden Mittel mehr gesellschafterseitig zur Verfügung gestellt werden.

Im Insolvenzantrag wurden laut AKV die Aktiva zu Liquidationswerten mit rund 6 Mio. Euro beziffert, wobei auf Sachanlagen, Gesellschaftsanteile (die ATB Spielberg GmbH hält eine 100-prozentige Beteiligung an der Motorenwerke Subotica d.o.o. in Serbien, Anm.) und Finanzanlagen rund 4,128 Mio. Euro entfallen. Lagerbestände und Forderungen usw werden mit 1,872 Mio. Euro beziffert. Die Passiva ebenfalls zu Liquidationswerten werden mit rund 42,95 Mio. Euro angegeben, wobei insbesondere die Verbindlichkeiten gegenüber Dienstnehmern inklusive Abfertigungs-und Pensionsansprüchen zum Tragen kommen. Kreditinstituten schuldet man rund 4,5 Mio. Euro. Aus Lieferungen und Leistungen bestehen Verbindlichkeiten von rund 4,6 Mio. Euro. Eingepreist wurden auch Verbindlichkeiten von rund 15 Mio. Euro, welche aus Schadenersatzforderungen aus Vertragsauflösungen usw. erwartet werden.

Abstimmungen mit dem Betriebsrat laufen

Laut Christian Jammerbund von der Gewerkschaft GPA-djp werden in den nächsten Tagen in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat gemeinsam mit der Geschäftsführung von ATB Lösungen gesucht, um die sozialen Auswirkungen abzufedern. Heribert Grasser von der Gewerkschaft PRO-GE zufolge war der Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Vorfeld inakzeptabel. Durch die laut Grasser nicht erfolgte Kurzarbeits-Verlängerung seien falsche Hoffnungen geschürt worden. Die steirische Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) sicherte Unterstützung zu, dass mit Hochdruck an Maßnahmen für die betroffenen Beschäftigten gearbeitet werde. (apa/red)