Stromwirtschaft : APG: Salzburgleitung ist ein "Schlüsselprojekt" für Österreichs Netze

Die möglichst rasche Fertigstellung der 380-kV-Stromleitung in Salzburg für die Verbindung West- und Ostösterreichs ist "das Schlüsselprojekt" für eine sichere und stabile Stromversorgung im Land. Das betonten die Vorstände des Übertragungsnetzbetreibers APG. Dieses Netz helfe dabei, die Unterschiede in Stromproduktion und Verbrauch je nach Jahres- und Tageszeit auszugleichen.

Im Sommer gebe es Überschüsse beim Stromaufkommen - durch Wind-und Sonnenkraft sowie einen geringeren Bedarf -, im Winter dagegen weiterhin Defizite, sagte der technische APG-Vorstandsdirektor Gerhard Christiner. Durch die Dominanz erneuerbarer Energien im Osten funktioniere das Zusammenspiel nur über eine starke West-Ost-Netz-Achse.

Die Kosten der APG für das Redispatch zur Netzstabilisierung steigen voraussichtlich auch heuer weiter. Fürs Gesamtjahr geht man laut Christiner von rund 170 Mio. Euro aus, voriges Jahr waren es 148 Mio. und 2018 118 Mio. Euro. Die Aufwände werden immer höher, 2016 waren nur 29 Mio. nötig gewesen, bis 2014 immer nur einstellige Mio.-Beträge. Heuer bis Ende Juni kostete das Redispatch 67 Mio., voriges Jahr bis dahin 42 Mio. - im zweiten Halbjahr fallen immer mehr an. Bisher musste die APG heuer bereits an 128 Tagen Eingriffe im Strommarkt vornehmen, um das System stabil zu halten. Solche Sicherheitsmaßnahmen seien unerlässlich, weil die Energiewende voranschreite, der Netzausbau aber hinterherhinke.

Österreich müsse sich überlegen, wie viele Kraftwerksreserven man wolle und was einem das wert sei, betonte Christiner. Die Erneuerbaren allein könnten das Stromsystem nicht stabilisieren - neben Netzausbau und Redispatch seien Speicher und die Sektorkopplung erforderlich. "Wir werden das alles brauchen, um die 100 Prozent Erneuerbaren zu schaffen." Derzeit sei das System zu träge. Deshalb errichte man auch die schon in Bau befindliche Weinviertel-Leitung (zum Weiterleiten des zunehmenden Wind- und PV-Stroms) und habe Pläne für den Großraum Linz in OÖ, in die auch der Stahl- und Technologiekonzern voestalpine eingebunden sein soll. Die Voest will ja längerfristig Stahl auf CO2-ärmere Weise mit Hilfe von Wasserstoff erzeugen. Nötig dafür seien aber erst einmal Stromüberschüsse, betont Christiner. Erst dann mache es Sinn, in die Wasserstoff-Wirtschaft zu gehen. Derzeit sei Österreich ein Stromimportland.

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Für die Kontrahierung von Kraftwerksleistung aus thermischen Einheiten verfügt die APG über eine bis Ende September, Anfang Oktober 2021 laufende Regelung, die bis 2023 verlängert werden könnte, allerdings muss das schon ein Jahr vorher fixiert werden - die Zeit drängt also. Eine Neuregelung sollte auch stärker Komponenten die Demand Response (also nachfrageseitige Laststeuerungs-Maßnahmen) und andere Flexibilisierungen enthalten, wünscht sich die APG laut Vorstand Thomas Karall. Auch vom heimischen Regulator E-Control und der europäischen Regulierervereinigung Acer würde das begrüßt.

In der Coronakrise war der österreichische Stromverbrauch stundenweise zur Gänze durch Elektrizität aus erneuerbarer Erzeugung gedeckt, wie dies - bilanziell übers ganze Jahr gerechnet - eigentlich erst für das Jahr 2030 beabsichtigt ist. Grund war das Zurückfahren kalorischer Kraftwerke, deren Betrieb wegen der zeitweilig äußerst niedrigen Stromgroßhandelspreise nicht rentabel war. Nicht nur Wind- und PV-Strom, die in der Einsatzreihenfolge (Merit-Order) ganz vorne sind, sondern auch Atommeiler blieben im Markt. Diese seien auf hohe Laufzeiten ausgelegt, im Spätherbst (Oktober, November) könnte das klassischen Exportland Frankreich zum Stromimporteur werden. Auch Deutschland sowie die Schweiz und Tschechien blieben auch in der Coronakrise klassische Exportländer. Dort deckte sich auch Österreich ein.

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Im Osten unseres Landes seien in der Krise preisbedingt de facto keine thermischen Kraftwerke gelaufen, sagte Christiner. "Sehr kurzfristig haben wir also bereits einen Schritt in die erneuerbare Energiezukunft getan." Da sei man kurzfristig ins kalte Wasser geworfen worden. Die Versorgung und der Strommarkt hätten aber weiter gut funktioniert, und auch der Markt habe weiterhin die richtigen Signale geliefert, so der Technikvorstand. Das sei der Lackmus-Test im Echtbetrieb gewesen, es sei alles gut gegangen, so der kaufmännische Vorstand Karall. Nach einem dreiwöchigen Schließen aller APG-Baustellen laufe dort wieder alles nach Plan. In Summe verfüge man 50 Bauprojekte mit 135 Einzelbaustellen.

Heuer will die APG insgesamt 350 Mio. Euro investieren, in den kommenden zehn Jahren rund 2,7 Mrd. Euro. Damit stemmt man bis zum Jahr 2030 rund ein Siebentel der insgesamt für die heimischen Netze geplanten rund 18 Mrd. Euro. Mit dabei ist auch die Salzburg-Leitung, die bis 2025 fertig sein soll. Seit März 2019 liegt für die Leitung ein positiver Baubescheid vor, der aber beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) beeinsprucht wurde. Die Entscheidung steht noch aus, aufschiebende Wirkung gab es keine, daher wurde vergangenen Herbst mit den Arbeiten an allen sechs Baulosen begonnen. Die diesjährigen 350 Mio. Euro der APG führen zu 206 Mio. Bruttowertschöpfung und sichern unmittelbar und mittelbar 3.167 Arbeitsplätze, rechnete Anna Kleissner, die stellvertretende Geschäftsführerin des Economica-Instituts, vor.

Die Stromgroßhandelspreise fielen laut APG während des Lockdown in der Coronakrise um 40 bis 50 Prozent, stärker als der Verbrauch gesunken ist. Zeitweise seien die Großhandelspreise unter 20 Euro pro Megawattstunde (MWh) gelegen. Der Verbrauch sei am Tiefpunkt um circa 14 Prozent niedriger als ein Jahr davor gewesen, vorige Woche seien es minus 7 Prozent gewesen, zur Zeit etwa minus 10 Prozent. Noch stärker waren die Rückgänge im Lockdown ab März in Italien (bis zu fast -30 Prozent) und in Frankreich (bis zu -40 Prozent), in letzterem Fall, weil dort häufig mit Strom geheizt wird. (apa/red)