Erdgas : Aggressiver Kurs im östlichen Mittelmeer: 6 zentrale Eckdaten

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In den vergangenen Wochen hat sich der Konflikt im östlichen Mittelmeer gefährlich zugespitzt. Griechenland und die Türkei ließen Kriegsschiffe auffahren, weshalb die Angst vor einer Eskalation des Konflikts zwischen den beiden NATO-Staaten größer wurde. Der Konflikt ist kompliziert und vielschichtig. Die wichtigsten 6 Fragen und Antworten.

1. Worum streiten die Türkei und Griechenland?

Beide Länder erheben Anspruch auf Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Der Streit geht aber viel weiter zurück. Die Einflusszonen im Mittelmeer sind ungeklärt und waren daher er immer wieder Anlass für Reibungen in den traditionell schwierigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, aber auch die Souveränität einiger unbewohnter Inseln ist nach wie vor umstritten. Auch Durchfahrtsrechte sind ein Thema. Die reichen vermuteten Öl- und Gasvorkommen unter dem Meeresboden der Region haben den langjährigen Konflikt nun massiv angeheizt.

2. Welche anderen Länder sind in den Konflikt involviert?

Auch Zypern beansprucht die Bodenschätze, die zu einem großen Teil vor der Küste der Insel liegen, für sich. Unterstützung erhalten Griechenland und Zypern von den Mittelmeerländern Ägypten, Israel und Frankreich. Die Türkei ist regional weitgehend isoliert, hat sich aber die Unterstützung Libyens gesichert.

Mit der Regierung des Bürgerkriegslandes Libyen hat Ankara Ende 2019 ein umstrittenes "Memorandum of Understanding" abgeschlossen, das die Ansprüche beider Staaten im Mittelmeer regelt und in dem Griechenland praktisch nicht vorkommt. Griechenland wiederum hat Abkommen zur Festlegung der Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) mit Ägypten und Italien geschlossen. Die Abkommen stehen zueinander in Widerspruch.

3. Was ist eine AWZ, Festlandsockel und Hoheitsgewässer?

Hoheitsgewässer gehören zum Staatsgebiet. Schiffe anderer Staaten dürfen nur durchfahren. Die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) ist wichtig für Fischerei und Windkraft, sie reicht bis zu 200 Seemeilen. Der Festlandssockel gilt als Verlängerung des Festlandes am Meeresgrund. Jeder Küstenstaat hat Anspruch auf einen Festlandssockel von mindestens 200 Seemeilen oder darüber hinaus. Hier sind die Förderung von Bodenschätzen wie Erdöl und Erdgas möglich. Im Falle der Türkei ist dies aber wegen der nahe gelegenen griechischen Inseln schwierig. Die winzige Insel Kastellorizo liegt etwa kaum drei Kilometer vor der Küste der Türkei und ragt in die Hoheitsgewässer hinein.

Streitpunkt ist daher unter anderem, ob die griechischen Inseln einen Festlandsockel und eine Wirtschaftszone haben. Griechenland ist dieser Meinung, die Türkei bestreitet dies. Der Ansicht Ankaras nach haben Inseln - auch große wie Kreta und Rhodos - nur Hoheitsgewässer.

4. Wer hat in dem Streit Recht?

Das internationale Seerecht gibt hier keine klare Antwort. Die Türkei ist außerdem wegen des Streits dem UNO-Seerechtsübereinkommen von 1982 nicht beigetreten. Während die Türkei ihren Anspruch damit begründet, dass es über die längste Küste von allen Anrainer im östlichen Mittelmeer verfügt, verweist Griechenland auf seine Inseln, die nahe vor der türkischen Küste liegen. Im Falle Zypern wird die rechtliche Lage dadurch verkompliziert, dass Zypern geteilt ist und die Regierung nur den Süden der Insel kontrolliert. Die Türkische Republik Nordzypern wird bis heute jedoch nur von der Türkei anerkannt.

Im Streitfall müssten sich die beiden Länder auf eine vertragliche Grenze einigen oder an ein internationales Schiedsgericht wenden. Wie ein solches Schiedsgericht entscheiden würde, ist laut Seerechtsexperten nicht klar. Sie gehen davon aus, dass sich ein Gericht um eine faire Lösung bemühen würde, wobei einerseits die Länge der Küsten aber auch die Inseln eine Rolle spielen würden.

5. Warum hat sich der Konflikt in den vergangenen Woche zugespitzt?

Die Türkei hat mehrere Erkundungsschiffe ins Mittelmeer entsandt. Die Schiffe waren bisher nahe der griechischen Inseln Kreta und Kastellorizo sowie Zypern aktiv. Griechenland und Zypern kritisierten, dass die Bohrungen in ihren Seegebieten erfolgen und damit illegal sind. Das türkische Forschungsschiff "Oruc Reis" verließ am Wochenende die von Griechenland beanspruchten Gewässer. Ankara betonte aber, dass dies kein Einlenken der Türkei bedeute.

6. Wie verhält sich die EU?

Die EU unterstützt im Gasstreit ihre Mitgliedstaaten Zypern und Griechenland. 2019 verhängte sie gegen Ankara sogar Sanktionen. Sollte es keine Fortschritte im Dialog gebe, wollen die Staats- und Regierungschefs beim EU-Sondergipfel am 24. September über weitere Strafmaßnahmen beraten. Die einzelnen EU-Staaten haben in dem Konflikt aber unterschiedliche Zugänge.

Während die deutsche Regierung sich bemüht, in dem Konflikt zu vermitteln, steht vor allem Frankreich auf der Seite Griechenlands. Paris hat zur Unterstützung Griechenlands seine Marinepräsenz im östlichen Mittelmeer verstärkt. Österreich hat sich ebenfalls klar auf die Seite Athens gestellt und aus diesem Anlass einmal mehr einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert. (apa/red)

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) reist am Donnerstag nach Griechenland und Zypern. Mit seinem Besuch will er den beiden Ländern im Konflikt mit der Türkei den Rücken stärken. Nicht vorbeikommen wird Schallenberg in Athen auch am Migrationsthema. Die ohnehin schwierige Situation im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos hat sich nach dem Brand vergangene Woche dramatisch zugespitzt.

Offizieller Anlass der Reise des Außenministers ist aber der Gasstreit im östlichen Mittelmeer. Seit der Entdeckung reicher Gasvorkommen gibt es Streit um deren Ausbeutung. Neben Griechenland und der Türkei erhebt auch Zypern Anspruch auf die Seegebiete. Die drei Länder untermauerten ihren Anspruch in den vergangenen Wochen durch die Entsendung von Kriegsschiffen und Militärübungen, was Befürchtungen einer militärischen Eskalation aufkommen ließ.

Österreich hat sich wie Frankreich im Konflikt klar hinter Griechenland gestellt, während etwa Deutschland versucht, zwischen Ankara und Athen zu vermitteln. Mit seinem Besuch untermauert Schallenberg "Österreichs volle Solidarität mit Griechenland und Zypern", wie das Außenministerium erklärte. In Athen trifft der Außenminister am Donnerstag seinen griechischen Amtskollegen Nikos Dendias.

Die beiden Chefdiplomaten haben sich zuletzt Mitte August in Wien getroffen. Dendias war anlässlich des Besuchs des US-Außenminister Mike Pompeo in Wien kurzfristig angereist, um mit diesem über Gasstreit zu beraten.

Thema sein wird bei dem Besuch in Griechenland aber auch die Migration. Ein Besuch Schallenbergs in dem größten griechischen Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos ist nicht geplant. Tausende Menschen haben durch Brandstiftung durch Bewohner des Lagers und den darauf folgenden verheerenden Brand vergangen Woche ihre Unterkunft verloren und sind nun obdachlos. Die Lage ist angespannt. Die ÖVP lehnt eine Aufnahme von Flüchtlingen ab. Stattdessen bot Österreich Griechenland Soforthilfe mit 400 vollausgestatteten Zelten für 2.000 Personen und Hygienepakete an.

Schallenberg war erst im März in Athen, auch damals wegen eines Konfliktes mit der Türkei. Im Streit um weitere Gelder für das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei, hatte Ankara im Februar erklärt, die Grenze zur EU sei für Migranten offen. Daraufhin machten sich Tausende Menschen auf den Weg, um aus der Türkei nach Griechenland und somit in die EU zu gelangen. Griechenland ließ sie jedoch nicht passieren. Dieser Streit ist vorläufig beigelegt. Griechenland befürchtet aber, dass die Türkei, die rund 3,7 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat, die Migranten auch im aktuellen Konflikt als Druckmittel einsetzen könnte.

Am Donnerstagabend reist Schallenberg weiter nach Zypern und trifft in Nikosia mit dem zypriotischen Außenminister Nicos Christodoulides zusammen. Am Freitag steht außerdem ein Besuch der UN-Pufferzone am Programm. Die Insel ist seit 1974 zwischen dem EU-Mitglied Zypern und der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern geteilt.

Thema wird auch in Zypern der Gasstreit sein, der mittlerweile sogar die EU-Außenpolitik gegenüber Weißrussland (Belarus) belastet. Zypern blockiert nach Angaben von EU-Diplomaten die Verabschiedung von EU-Sanktionen gegen die Verantwortlichen mutmaßlicher Wahlfälschungen in Weißrussland. (apa/red)