Maschinenbau : ABB-Österreich-Vorstandschef Chalupecky: „Das stimmt uns zuversichtlich“

ABB Chalupecky
© ABB

Noch ist die Schutzmaske in der Brown-Boveri-Straße 3 omnipräsent. In Gängen, Aufzügen und Teilen des Produktionsbereichs bedeckt das Stoffstück - mal kleidsamer, mal nutzwertiger, aber immer akkurat - Mitarbeitergesichter. Das ist kein Zufall. Im 2019 neu bezogenen ABB-Hauptsitz in Wiener Neudorf ist die Schutzmaskenpflicht bis auf Widerruf aufrecht. Man gehe auf Nummer sicher, die Mitarbeitergesundheit geht vor, sind sich Vorstandsvorsitzender Franz Chalupecky und Martin Kohlmaier, Leiter des Antriebssegments und seit Mai Vorstandsmitglied, einig.

Bemerkenswerten Arbeitsethos hätten die Mitarbeiter die letzten Wochen an den Tag gelegt. Davon nicht ausgenommen die im kleineren Umfang genutzte Kurzarbeit. Seit April wird diese in Anspruch genommen, punktuell wird sie vermutlich bis in den Herbst verlängert. Bis dahin soll sich der positive Trend der letzten Wochen für ABB in Österreich fortsetzen. Zwar entwickelt sich das Produktgeschäft aktuell tendenziell besser als das System- und Anlagengeschäft, die Automobil- und Zulieferindustrie erlebte schon vor Corona einen Dämpfer. Doch der Abbau von Reiserestriktionen und damit verbundenes Neugeschäft könnte nun schneller als erwartet etwas von der wirtschaftlichen Dynamik früherer Tage zurückbringen.

Zuversichtlich stimmen auch weitere Entwicklungen am Markt. „Im Bereich Elektrifizierung etwa registrieren wir bereits seit der Wiedereröffnung der Baumärkte eine Aufwärtsbewegung“, sagt Chalupecky.

Dezentralisierung

Über dem Gesamtjahr steht aufgrund der immer noch ungewissen Entwicklungen von COVID-19 ein Fragezeichen. Zumindest eine Tendenz zeichnet sich vorsichtig ab. „Ich erwarte mir in Österreich unter den gegebenen herausfordernden Rahmenbedingungen eine relativ zufriedenstellende Entwicklung und keinen gravierenden Einbruch des Geschäfts“, sagt Chalupecky. Das erste Quartal lief annähernd nach Plan, obwohl die Pandemie da schon ihren Schatten vorauswarf. In den Sommermonaten soll nun entgangenes Lockdown-Geschäft gutgemacht werden. Das ABB-Portfolio sei ein starkes Fundament für den Wiederanlauf der Industrie, gibt man sich selbstbewusst. Über 70 Millionen Geräte hat ABB weltweit digital in einem Ökosystem vernetzt, unter der Marke Ability wird unter anderem smarte Sensorik für die Remote-Überwachung von Motoren vertrieben, aber auch in der Robotic baut ABB die smarte Digitalisierung weiter aus.

Die angestrebte Dezentralisierung, die der neue CEO Björn Rosengren auf die Agenda setzte „wird uns noch schneller machen und näher an den Kunden bringen“, heißt es in Wiener Neudorf. ABB geht von seiner Matrixorganisation ab und setzt künftig auf eine vertikale Spartenstruktur mit 18 globalen Divisionen mit voller Profit- und Loss-Verantwortung. Corona sei zudem „ein Beschleuniger für neue digitale Formen der Zusammenarbeit wie die virtuelle Inbetriebnahme oder Werkabnahme“, beobachtet Vorstand Martin Kohlmaier. Der Mangel an MINT-Absolventen bleibt evident. Zum Selbstläufer bei der Suche nach qualifiziertem Personal soll deshalb der Studiengang Robotik werden, den ABB gemeinsam mit dem Campus 1 der FH Wiener Neustadt und dem FabLab Mödling aufgesetzt hat. „Diese Kooperation wird auch in unserer Organisation Früchte tragen“, ist Vorstand Martin Kohlmaier überzeugt.

Lob für Regierungsarbeit

An einer „Renaissance der Produktion in Europa“, die Wirtschaftsministerin Schramböck für die Zeit nach Corona von Brüssel einfordert, würde ABB-Vorstand Franz Chalupecky Gefallen finden. Wettbewerbsfähig produzieren ließe sich in Österreich und Europa nur „durch verstärkten Einsatz von Roboter- und Automatisierungstechnik“, heißt es in Wiener Neudorf. Dass die Politik durch Investitionsförderungen positive Stimmung erzeugt, sei „mehr als nur ein Goodie“, sagt Chalupecky.

Die Investitionsprämie sei ein goldrichtiger Schritt. „Wer jetzt Geld in die Hand nimmt, braucht die Gewissheit, dass eine Investition auch abgesichert ist“, sagt der Vorstandschef. Von den Kommunen würde er sich freilich auch etwas wünschen. Nämlich, dass die Schuldenlast durch Corona nicht in kurzfristigen Sparpaketen resultieren. „Das wäre ein Sparen zur falschen Zeit“ und würde „die Konsumanreize zunichte machen“, so Chalupecky.