Coronakrise : Coronakrise: 12 Stimmen aus der Österreichischen Industrie

Doppeltes Bild der Erdkugel
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Wie schnell sich die Situation innerhalb weniger Tage ändern könne sehe man an Italien, erzählt Clemens Zehetner, Leiter Marketing, Solution und IT des Prozessautomatisierers Endress+Hauser: "In Deutschland und der Schweiz produzieren wir voll. Wie schnell sich die Situation binnen wenigen Tagen ändern kann, negativ und auch äußerst positiv, sieht man in Italien. Im Werk in Pessano werden hauptsächlich Temperaturfühler produziert. Am 22. März wurden alle nicht lebensnotwendigen Produktionen in der Region geschlossen. Diese Maßnahme wurde zuerst bis dritten April beschränkt, dann auf 13. April verlängert. Durch konstruktive Kommunikation und die Unterstützung unserer Kunden erwirkten wir jedoch, nun wieder produzieren zu können“. Am französischen Standort habe es Einbußen gegeben, doch auch dort konnte der Prozessautomatisier die Produktion wieder steigern. „Im Moment ist die Prognose über eine zukünftige Entwicklung über mehrere Monate hinweg nicht möglich. Zu unklar ist noch die Situation auf allen Gebieten. Allerdings wünschen wir uns alle möglichst stabile Preise. Ich freue mich, wenn wir bald wieder alle sicher in unsere Firmen in die Büros zurückkehren können und auch Betreuungseinrichtungen und Schulen den Betrieb wieder aufnehmen.“

Abfertigung an der Grenze hat sich durch "Green Lanes" verbessert

Auf Mitarbeitersuche statt Kündigung oder Kurzarbeit setzt derzeit der CEO von Schur Flexibles, Michael Schernthaner. Da man alle Mitarbeiter, die auch nur kleinste Anzeichen einer Virus-Infektion – ob Corona oder nicht – zeigten, „rigoros“ nach Hause schicke, um die Produktion nicht zu gefährden, steigen die Krankenstände „um fünf bis zehn Prozent“. Deshalb brauche man in manchen Ländern zusätzliche Arbeiter, so Schernthaner. Als Unternehmen, das zur „kritischen Systemkette“ zählt, habe man aber Probleme, die Lieferkette aufrecht zu erhalten. So musste man etwa den Transportweg aus dem griechischen Werk von der Fähre auf die Schiene verlagern, was ein bis zwei Tage mehr Zeit koste. "Wir hatten einige Probleme, an der Grenze durchzukommen. Wir haben auf EU-Ebene für eine priorisierte Abfertigung an den Grenzen gekämpft." Das hat man nun geschafft: "Unsere Waren dürfen nun als Teil der Supply Chain der kritischen Infrastruktur die Green Lanes nutzen. Davor kam es immer wieder zu Schwierigkeiten und Stillständen“, berichtet Schernthaner.

Der CSO von Orderfox, Oliver Lödl, geht davon aus, dass viele Produktionsschritte wieder nach Europa zurückkehren werden. Man sehe aktuell, was es bedeutet, wenn die Transport- und Produktionswege abgeschnitten werden. Und man sehe auch, welchen Stellenwert die Produktion im eigenen Land oder in Europa habe. „Man wird sich überlegen, ob man auch künftig alles in die Ferne vergibt oder ob es doch besser ist, zu einem minimal höheren Preis, in nächster Umgebung zu vergeben“, so Lödl. Eine Entwicklung, die dem CNC-Startup Orderfox zugute kommen könnte. Das Unternehmen startete vor knapp zwei Jahren. „Unser Unternehmen wurde von Richard Morscher gegründet, weil er erkannt hat, dass kleine Unternehmen nicht an große Aufträge herankommen und große Unternehmen nicht wissen, wie sie in kurzer Zeit ihre Aufträge vergeben können“, sagt Lödl.

Beim Automatisierer Pilz merke man, dass die Überlegung zu Safety&Security aufgrund gesetzlicher Vorgaben intensiviert werden, beschreibt Vertriebsleiter David Machenk. „Das merken wir auch in der verstärkten Anfrage nach unseren Dienstleistungen.“ Die Produktion sei nicht wesentlich erschwert, da Pilz die Produktion am Anfang der Krise, als das Epizentrum noch in China lag, „zum größten Teil nach Europa geshiftet haben. Und jetzt, da das Epizentrum nach Europa gewandert ist, werden die Werke in China an sechs Tagen die Woche produzieren und somit Ausfälle in Europa kompensieren.“ Man merke daher keinen keinen Rückgang im Order Intake. „Im Gegenteil. Ob dies so bleiben wird, lässt sich schwer beurteilen. Was aber Fakt ist, ist die Tatsache dass unsere Dienstleistungen vermehrt in Anspruch genommen werden, ähnlich der Zeit während der Finanzkrise 2009.“

Beim Entsorgungsdienstleister Saubermacher wurden alle Mitarbeiter zur Corona-Kurzarbeit angemeldet, berichtet Aufsichtsratsvorsitzender Hans Roth. "Wir versuchen jetzt, alle arbeiten zu lassen, also auch die, die zurzeit gar keine Arbeit hätten, damit sie normal im Geschehen bleiben", beschreibt Roth. Die Entsorgungs-Dienstleistung führe Saubermacher weiterhin "ganz normal durch", so Roth, und auch die Sortieranlagen arbeiten im Drei-Schicht-Betrieb weiter. Die andere Hälfte des Geschäfts, jenes mit Gewerbekunden, sei allerdings stark zurückgegangen: "Wir fahren nur noch mit zehn bis 20 Prozent unserer Kapazität", so Roth. "Auch im Bauschutt-Geschäft, wo wir im Wiener Raum stark sind, haben wir stark reduziert."

Der Feuerwehrausrüster Rosenbauer hat wegen der Coronakrise den Sommerurlaub auf Ostern vorgezogen, um danach in Kurzarbeit mit „rotierenden halben Mannschaften“ weiterzufahren, so Konzernchef Dieter Siegel. Die Kurzarbeit sei vorerst auf drei Monate anberaumt, wobei man bei den Prozentsätzen flexibel sei. Da man derzeit voll ausgelastet sei, werde man die Produktionsmenge, die während der Kurzarbeit ausfallen, später im Laufe des Jahres nicht mehr aufholen können, "jede Kapazität, die wir verlieren, ist dahin". Das Kurzarbeitsmodell "ist eine tolle Sache", meint der Rosenbauer-Chef, dieses Modell werde jetzt sehr viele Arbeitsplätze retten. "Ich muss Ihnen aber sagen, dass es kein Geschäft ist, Kurzarbeit zu arbeiten", da der Fixkostenblock sehr hoch sei. Ungewollte Betriebsschließungen geben es derzeit nicht, und auch kundenseitige Risiken seien überschaubar. Nur die Abnahme der Fahrzeuge gestalte sich durch die Reisebeschränkungen schwierig. „Wir gehen hier mit virtuellen Abnahmen neue Wege“, so Siegel.

Einer der großen Lieferanten der Kunststoffindustrie in Vorarlberg ist der der Dornbirner 3D-Druck-Fertiger 1zu1. Für deren Geschäftsführer Hannes Hämmerle verschieben sich dieser Tage allerdings die Prioritäten: Ein kleiner Teil der Belegschaft verbrachte seine Urlaubstage in der mittlerweile abgeriegelten Arlberg-Region zum Skifahren, wo die Viruserkrankung Corona besonders grob wütet. Das bereitete Sorgen - doch alle Mitarbeiter des Dornbirner Zulieferers seien wohlauf und könnten ab nächster Woche wieder arbeiten, wie Hämmerle sagt. Was wiederum ein wenig Luft für das Tagesgeschäft verschafft.

Dort gibt es nicht nur schlechte Nachrichten. Zwar werden die Dornbirner das Corona-Kurzarbeitsmodell in Anspruch nehmen. Im 3D-Druck, speziell beim Protoyping und im Vakuumguss, seien die Anfragezahlen rückläufig, schildert Hämmerle. Dafür gibt es im Segment Tooling schöne Zuwächse: Alu-Werkzeuge und spritzgegossene Teile bis 100.000 Stück, die sonst aus Asien in Containern nach Europa geschippert werden, "sind gerade jetzt im DACH-Raum gefragt", sagt Hämmerle.

Beim Transferzentrenhersteller Anger Machining ist der Betrieb seit der Vorwoche beträchtlich eingeschränkt. Projekte in europäischen und amerikanischen Kundenwerken wurden gestoppt, „auch einzelne Projekte in Traun sind betroffen, „weil die Lieferkette unterbrochen ist“, berichtet Dietmar Bahn, Leiter des Business Developments in der Trauner Unternehmenstochter des taiwanesischen Maschinenbaukonzerns Tongtai. Die Kurzarbeit wird auch hier kommen. Doch Aufträge sind nach wie vor im Haus. „Die Fertigung einzelner Maschinen schreite voran, die Serienfertigung von Komponenten für Batteriewannen für den Volkswagen-Konzern sei im Dreischichtbetrieb „weiterhin in vollem Gang“, sagt Bahn. Weiters liefen im Frühjahr 2021 Elektromobilitätsprogramme von Premiumherstellern zur Serienfertigung an. Die Anlagen dazu würden jetzt bestellt. „Als Anbieter von schlüsselfertigen Lösungen und viel Erfahrung mit Batteriewannen und Profilen sowie Strukturbauteilen sei man hier „gut positioniert“, sagt Bahn - zumindest ein Stück weit Normalität also.

Das Coronavirus werde „tiefe Furchen in die soziale Landschaft ziehen“, sagt Automobilberater Engelbert Wimmer, Geschäftsführer von E&Co. Dem gegenüber steht ein Phänomen, auf das auch die krisengeplagte Autoindustrie in den nächsten Monaten hoffen darf. „Es wird einen Bounce-Back-Efffekt bei der Konsumneigung geben“, sagt Wimmer. In China sei dieser nach dem Coronavirus-Ausbruch heute bereits zu sehen. „Der einkommensstarke Mittelstand dehnt den privaten Konsum auf irrationale und übertriebene Weise aus“, sagt Wimmer. In den USA und in Europa sollte dieser Effekt nach ausgestandener Krise ebenso durchschlagen. Da würden Tesla oder auch ein Premiumhersteller wie Audi mit dem e-tron einen gewaltigen Höhenflug erleben, weil sie schon heute das Lifestyle-Segment bedienen. „Vielleicht schon in ein paar Monaten werden wir unsere Selbstkasteiung über Bord werfen können - und uns etwas Luxus gönnen“, so Wimmer.

Der Herstellers von Roboterkomponenten, Ferrobotics, sei voll lieferfähig, wie Geschäftsführer Ronald Naderer betont. 90 Prozent der Lieferanten seien im Umkreis von 25 Kilometern angesiedelt. „Die Bestände für die nächsten Wochen sind ausreichend“, so Naderer. Er erlebt weniger einen Versorgungsengpass als einen Nachfrageeinbruch in China – und voraussichtlich auch Deutschland. „Wir haben ausreichend Bestände, allerdings sind die Kunden im Augenblick eher abwartend“, sagt Naderer. Aufgrund langer Projektzeiten seien Anlagenbauer längerfristig ausgelastet. „Unsere Auftragsbücher sind zwar gefüllt und unsere Liquidität ist gut aufgestellt, daher können wir gut durchtauchen.

Günter Eichhübl, Geschäftsführer von Traktionssysteme Austria, zweifelt eher daran, ob Corona etwa an der grundsätzlichen Beschaffungsgeografie ändern werde. „Eine Rückverlagerung einst gegen Ost outgesourcter Beschaffungen schließe ich im großen Stil aus. Dazu ist die Arbeitsteilung weltweit zu sehr fortgeschritten und die Stückkostendifferenzen sind noch zu groß, als dass sich da was ändern würde.“ Auch der gefürchtete Corona-Einbruch der Beschaffung aus China habe nicht stattgefunden. „Immerhin kaufen wir zehn Prozent unseres Beschaffungsvolumens in China zu und bis auf ein paar wenige Produkte kommt das Bestellte pünktlich an. Der zeitlich eingepreiste Transportweg per Schiff wurde auf die Schiene - Stichwort neue Seidenstraße - verlagert. Das hat den Corona bedingten Stillstand unserer Lieferanten in China fast gänzlich ausgeglichen.“

Beim Medizintechnik-Hersteller Wild habe man das Kurzarbeitsmodell zwar evaluiert, so CEO Josef Hackl. Er sehe jedoch in der aktuellen Situation „keine Notwendigkeit“. Neben stabilen Datenverbindungen, die eine ungehinderte Kommunikation im Unternehmen und mit Kunden und Lieferanten erlaube, sei jetzt vor allem der große Produktmix von Vorteil. Schon länger setzen die Kärntner auf eine breite Streuung ihrer Produkte, um Volatilitäten auf Märkten abzufedern. Hackl registriert eine massive Produktverschiebung infolge der globalen Ausbreitung der Corona-Viruserkrankung. Gibt es Kunden, die aktuell deutlich nachließen, kompensiert Wild den Entfall unter anderem durch Mehrgeschäft in der In-vitro-Diagnostik - speziell der Auftragsfertigung von Komponenten für Blutanalysegeräte. „Es gibt hier bei den überwiegend in Zentraleuropa beheimateten Herstellern großen Bedarf“, sagt Hackl.