Künstliche Intelligenz im Maschinenbau : Maschinenbauer Fill in Gurten: TISAX-Zertifizierung soll Weg für AI ebnen

Alois Wiesinger, CTO Fill

"Angebote ließen sich auf widersprüchliche Spezifikationen durchforsten." Alois Wiesinger, CTO Fill

- © Antje Wolm

Rasend schnell erwischte Microsofts Chatbot-Technologie ChatGPT Beobachter auf dem falschen Fuß. Die jüngste AI aus dem Repertoire der Transformer-Methodiken schaffte etwas ungeheuerliches: Sie fusionierte die bislang nur getrennt auftretenden Felder der Künstlichen Intelligenz, Sprache, Bild und Text.

In einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz Identitäten durcheinanderwirbelt und womöglich die letzten Vertrauensbildungen des Geschäftsalltags erschüttert, sind die Herausforderungen für Unternehmen damit gewaltig: Sie müssen Sandboxes errichten, mit Künstlicher Intelligenz experimentieren und neue Engineering-Skills aufbauen. Die gute Nachricht: Viele stellen sich dem neuen Wettlauf. Entweder, um die Gewinnmaschine AI anzuwerfen, oder um Prozesse abzusichern oder künstlich zu optimieren. Bereits mittendrein im Paradigmenwechsel, schrauben sie an performanten KI-Systemen. INDUSTRIEMAGAZIN stellt die Industrial-AI-Vordenker der Industrie vor.

Neu formierte, fünfköpfige AI-Taskforce bei Fill in Gurten

Eine Technologie, die in Riesentempo heranrauscht - was kann das für einen Mittelständler bedeuten? Dieser Frage geht der Gurtener Sondermaschinenbauer Fill aus Gurten in einer neu formierten, fünfköpfigen AI-Taskforce auf den Grund. In den nächsten Jahren soll die Gurtener Produktion stärker automatisiert werden, autonom fahrende Fahrzeuge auffahren, insgesamt mehr Maschine-zu-Maschine-Kommunikation stattfinden.

Die durch Künstliche Intelligenz optimierten Terminpläne in den ineinander greifenden Intralogistik- und Fertigungsschritten werden "die Projekte beschleunigen", ist CTO Alois Wiesinger überzeugt. Und Wiesinger glaubt, dass Chat-Funktionalitäten in der Instandhaltung und Maschinenbedienung ihre Chance kriegen werden.

Gurtener Shopfloor von Fill

- © Antje Wolm

Schritt in Rechnerwolke vollzogen

Kundenseitig hat Fill aus Gurten den Schritt in die Rechnerwolke - ganz wie Autobauer, die hunderte ihrer Fabriken vernetzen - vollzogen. Optional sind die CNC-Maschinen (SYNCROMILL) an die Fill-Cloud angebunden, ein Feature der Künstlichen Intelligenz, das das "Warmfahren" der Maschine optimiert, ist zuschaltbar. Zu einem Paradigmenwechsel könnten, hofft Wiesinger, textbasierte Analysen durch ChatGPT oder andere Transformer-Methoden bei Ausschreibungen führen. So ließen sich Angebote, AGBs oder Vertragswerke auf kritische - und womöglich widersprüchliche - Spezifikationen "durchforsten", sagt er.

Vor Einsatz einer Künstlichen Intelligenz seien Unternehmen der Automobil- und Zulieferindustrie jedoch in der Pflicht, eine TISAX-Zertifizierung - sie hat die globale Informationssicherheit im Fokus und ist Folge der vermehrten Cloud-Anwender der Branche - zu ergattern. Fill ist in der Vorbereitung darauf, ist in Gurten zu hören.

KI-Tools zukaufen - oder selber programmieren?

Geht es nach Amazon oder Microsoft, sollen Funktionlitäten der Künstlichen Intelligenz künftig in den Cloud-Produkten integriert werden. Die Frage, ob die Innviertler künftig solche Produkte zukaufen oder selbst in die ChatGPT-Programmierung einsteigen, will CTO Wiesinger in der neu formierten Expertengruppe klären. Aktuell sei er "kein Fan" davon, die Software und andere Onlinedienste blind zu nutzen.

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Denn persönliche Daten hochzuladen, könnte auch bedeuten, dass Mitbewerber diese vielleicht einsehen könnten. Wiesinger selbst hat natürlich auch schon mit der Plattform experimentiert. ChatGPT die Frage zu stellen, wie ein IT-Organigramm eines modernen Maschinenbauunternehmens auszusehen habe, juckte Wiesinger. Das Ergebnis überraschte ihn. Zu über 90 Prozent deckte sich das Elaborat der AI mit seinen Vorstellungen.

Dieser Text ist Auszug einer Artikelserie zu Industrial-AI in INDUSTRIEMAGAZIN-Ausgabe 05/23.

ZUM UNTERNEHMEN

Fill ist ein familiengeführtes Maschinenbau-Unternehmen für die Industrien Automotive, Aerospace, Sport, Holz & Bau in Gurten, Oberösterreich. Die Erfolgsgeschichte beginnt am 1. Juli 1966 in einem gepachteten Objekt im oberösterreichischen Gurten. Josef Fill gründet den Schlossereibetrieb „Josef Fill Maschinenbau“. Heute hat das Unternehmen Niederlassungen in China, Mexiko und den USA. Es produziert komplexe Hightech-Anlagen und individuelle Lösungen für die produzierende Industrie. Im Innviertler Unternehmen hat sich seit der Übernahme durch Andreas Fill im Jahr 2000 die Zahl der damals 200 Mitarbeiter auf 1.000 verfünffacht.

Der langjährige Fill-Manager Alois Wiesinger ist seit 2020 CTO des Unternehmens.