Forum Alpbach : Viele Versprechen der Digitalisierung wurden noch nie eingelöst

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© APA/dpa/Ina Fassbender

Die Digitalisierung sei kein von Technik und Naturgesetzen vorgegebener Prozess, der von selbst abläuft, sondern könne von den Menschen gesteuert und in die richtigen Bahnen gelenkt werden, erklärte der Soziologe Jörg Flecker der APA am Rande der Alpbacher Technologiegespräche. Für die Industrie sei noch unklar, wie viel Automatisierung gut für sie ist, für die Arbeitnehmer, was nun aus ihnen wird.

Leere Versprechen von Industrie 4.0

"Technische Grundlagen ermöglichen nur etwas zu tun, geben aber nichts vor", meinte Flecker, der am Institut für Soziologie der Universität Wien forscht und bei den Technologiegesprächen am Freitag an einem Arbeitskreis zum Thema "Digitalisierung in der Industrie - Gestaltungsmöglichkeiten aus der Sicht von Betriebsrat und Geschäftsführung" teilnimmt. Die Digitalisierung entwickle sich demnach abhängig von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen. Unklar sei jedoch, nach welchen Kriterien diese Entscheidungen getroffen werden sollten.

"Oft hat man den Eindruck, als wäre ohnehin klar, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen das obere Ziel ist", sagte er. Erstens gebe es aber auch andere wichtige Kriterien, und zweitens sei nicht einmal klar, wie man die Digitalisierung am besten zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nutzt. "Das kann mit möglichst viel Automatisierung erfolgen oder der verstärkten Nutzung der Fähigkeiten der Menschen mit Unterstützung durch Automatisierung", so der Experte. Im Vorhinein wüssten Unternehmer nicht, welche Variante für ihre Produktion günstiger wäre.

Im Vordergrund steht die Technik und die Rendite - nicht der Mensch

Man müsse aber vor allem die Interessen der Menschen, also der Arbeitnehmer, mehr in den Vordergrund rücken, sagte Flecker. Viel zu oft stünde die Technik im Vordergrund, die eigentlich dem Menschen dienen sollte, und nicht umgekehrt. Derzeit gäbe es einen Trend zu technikzentrierten Produktionsprozessen, wo die Leute wie etwa im Warenlager des Internetkaufhauses Amazon wie menschliche Roboter verwendet und vom Computer gesteuert werden, kritisierte er. Dies würde "der Menschenwürde diametral entgegenlaufen". Stattdessen sollten die Maschinen die Menschen bei der Arbeit unterstützen und ihnen das Leben erleichtern.

"Das große Versprechen der Industrie 4.0 war seit Anbeginn der Diskussion, dass der Mensch für kreative Fähigkeiten frei wird, weil ihm die Maschinen und Computer die eintönigen Arbeiten abnehmen", so der Soziologe. Dieses Versprechen sei aber nie eingelöst worden. "Das passiert auch nicht von selbst, sondern es muss bewusste Entscheidungen geben, dass die einzelnen Menschen tatsächlich interessantere Aufgaben bekommen", betonte er. (apa/red)

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