Steuertipp : Gestaltung von Lieferketten – wie wirken Incoterms auf die USt?

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Da mit Beginn des Jahres die Incoterms 2020 in Kraft getreten sind, evaluieren viele Unternehmen einen notwendigen Anpassungsbedarf bei bestehenden oder künftigen Liefergeschäften. Hierbei darf aber nicht übersehen werden, dass Incoterms zwar gewünschte Handelspraktiken in einer standardisierten Art und Weise beschreiben können, jedoch keine Regelungen zum Eigentums­ übergang der verkauften Waren enthalten. Die einzelnen Incoterms konkretisieren vor allem Pflichten wie etwa die Transportveranlassung, Versicherung der Waren, die Bescha fung von Frachtpapieren sowie Genehmigungen, und welche Partei die damit einhergehenden Kosten trägt. Außerdem definieren die Incoterms, an welcher Stelle der Gefahrenübergang vom Verkäufer an den Käufer stattfindet und welche Partei insofern für Schäden oder den Untergang der Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt verantwortlich ist.

Gerade die Regelung zum Gefahrenübergang birgt einen Stolperstein in sich, da hierbei sehr leicht eine Verwechslung mit der umsatzsteuerlichen Definition der Verschaffung der Verfügungsmacht passiert, die aber nicht zwingend deckungsgleich mit den verwendeten Incoterms ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes handelt es sich bei den in der Richtlinie enthaltenen Tatbestandsmerkmalen um eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts. Mangels Verweise auf andere Vorschriften ist beispielsweise Art. 14 RL 2006/112/EG „die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“ (=Lieferbegriff, Verschaffung der Verfügungsmacht) autonom und unabhängig von zivilrechtlichen Vereinbarungen über die Gefahr und Kostentragung auszulegen. Die zwi­schen zwei Parteien verwendeten Incoterms haben daher keine unmittelbare Auswirkung auf die umsatzsteuerliche Abwicklung einer Lieferung, sondern allenfalls Indizwirkung hinsichtlich der bekundeten Absichten i.Z.m der Abwicklung von Transporten und der damit einher­ gehenden Verantwortung.

Vor diesem Hintergrund bewirkt die Verwendung der Abholklausel „EXW“ sowie der Absendeklausel „FCA“ nicht automatisch, dass am genannten Übergabeort die Lieferung auch der Umsatzsteuer unterliegt. Für eine korrekte Faktura ist vielmehr der gesamte Warenweg zu beachten. Auch ist bei einer Lieferung „DAP“ in ein Zwischenlager des Kunden der Liefervorgang für die Umsatzsteuer noch nicht automatisch beendet, sofern der Kunde die Waren in ein anderes Land weitertransportiert und dem Lieferanten dieser Weitertransport bekannt ist. Laut dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof kommt es auf einen kontinuierlichen Transportvorgang an, der aus umsatzsteuerlicher Sicht auch bei einer geteilten Beförderung zwischen zwei Unternehmern vorliegen kann.

Bei Reihengeschäften, bei denen ein Gegenstand zwischen mehreren Unternehmern verkauft wird, jedoch aus umsatzsteuerlicher Sicht ein einheitlicher Transport vom ersten Unternehmer zum letzten in der Kette erfolgt, kann anhand der Incoterms abgeleitet werden, welcher Unternehmer in der Kette für den Transport zuständig ist. Sollte der Transport durch Incoterms und somit auch faktisch aufgeteilt werden, führt dies oftmals zu ungewollten steuerlichen Verschiebungen und meist zu ungeplanten Registrierungsverpflichtungen. Die Verwendung von Incoterms sollte daher immer auch mit der umsatzsteuerlichen Brille betrachtet werden, um Überraschungen vorzubeugen.

Mag. Günther Platzer ist Steuerberater und Partner der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, Linz.

Das EU-­MPfG, mit dem die Richtlinie (EU) 2018/822 in österreichisches Recht übernommen worden ist, verpflichtet Intermediäre (z.B. Steuerberater) oder den Steuerpflichtigen selbst dazu, bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen mittels Finanz Online an das BMF zu melden. Die auf diese Weise gesammelten Informationen sollen im Wege des internationalen Informationsaustausches anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden. Das EU ­MPfG wird mit 1.7.2020 in Kraft treten.

Das Gesetz sieht vor, dass nicht nur Steuergestaltungen ab diesem Zeitpunkt innerhalb einer 30­-tägigen Frist gemeldet werden müssen, sondern auch solche, die zwischen dem 25.6.2018 und dem 30.6.2020 umgesetzt worden sind. In diesem Rück­ wirkungszeitraum umgesetzte Steuergestaltungen sind bis zum 31.8.2020 zu melden.

Aufgrund der COVID­19­ bedingten Beeinträchtigungen hat die EU­-Kommission eine dreimonatige Verlängerung dieser Meldefristen vorge­schlagen. Demnach wären Altfälle spätestens am 30.11.2020 anzuzeigen. Für Gestaltungen ab 1.7.2020 würde die 30­tägige Meldefrist erst mit 1.10.2020 zu laufen beginnen. Folgemeldungen für marktfähige grenzüberschreitende Steuergestaltungen sollen erstmals am 31.1.2021 erforderlich sein.

Es ist davon auszugehen, dass der Richtlinienvorschlag von den Mitgliedstaaten angenommen wird. Das EU-­MPfG ist entsprechend anzupassen.

Prof. Dr. Stefan Bendlinger ist Partner der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH.