Traineeprogramme : Freifahrtschein zur Führungskraft

Noch bis vor wenigen Jahren waren Traineeprogramme eine höchst exklusive Angelegenheit. Genommen wurden nahezu ausschließlich Absolventinnen und Absolventen von Elite-Unis, die neben einem ausgezeichneten Abschluss mit einer Reihe von Praktika und zahlreichen Auslandsaufenthalten aufzuwarten hatten. Außerdem waren diese Programme zunächst ausschließlich im Wirtschaftsbe- reich Usus. Das hat sich grundlegend geändert. Im Kampf um die besten Köpfe gelten Traineeprogramme als mittlerweile als probates Mittel der den nahezu aus- Personalentwicklung, auf das auch immer mehr mittelständische Unternehmen zurückgreifen.

Besonders im Industriebereich hat sich diesbezüglich viel getan. Gesucht werden verstärkt Technik-AbsolventInnen. Nicht immer muss es ein Master-Studium sein, oftmals reicht auch ein Bachelor-Studium, zumal letzteres den Vorteil eines rascheren Einstiegs in das Berufsleben bietet. Sprich: Unternehmen können so früher ihren Fach- und Führungskräftenachwuchs effizient und firmenbezogen entwickeln.

Jobgarantie inklusive

Generell dauert ein Traineeprogramm zwischen einem und zwei Jahren. In dieser Zeit werden mehrere Abteilungen durchlaufen, ein sechsmonatiger Auslandsaufenthalt ist bei international ausgerichteten Unternehmen obligatorisch. Setzten Firmen bislang primär auf generalisierte Traineeprogramme, wird mittlerweile gerade im technischen Bereich, respektive bei AbsolventInnen von MINT-Studien, eine fachspezifische Ausbildung favorisiert. Neben der praxisbezogenen Mitarbeit im Unternehmen organisieren viele Firmen auch spezielle Weiterbildungsprogramme und Coachings. Mentoren begleiten die Trainees während des gesamten Programms.

Keine verbindlichen Richtlinien gibt es in puncto Bezahlung. Abhängig von Abschluss, Unternehmensgröße, Branche und Studienrichtung kann diese durchaus divergieren. Eine angemessene Vergütung ist jedoch Branchenusus. Mitunter verdienen Trainees mittlerweile sogar gleich viel wie Direkteinsteiger, in der Regel muss man sich aber mit zehn bis 20 Prozent weniger zufriedengeben. Schließlich investieren viele Unternehmen sehr viel Geld in eine adäquate Ausbildung ihres Führungsnachwuchses. Das ist auch ein Grund dafür, dass nahezu alle Firmen ihre Trainees nach Abschluss des Programms behalten. Üblich ist ein Job im mittleren Management, Personalverantwortung inklusive.

Christian Tauber, Kapsch Group: Feedback direkt an den Vorstand

Christian Tauber hat sich immer schon für Technik interessiert: „Die Faszination darüber, wie Computer funktionieren, und Spaß an der Mathematik waren für mich wegweisend.“ Studiert hat er dann Elektrotechnik an der TU Wien. Bereits während des Studiums hat der 28-Jährige an der Kapsch Karriere-Lounge teilgenommen, die Entscheidung, am unternehmenseigenen Traineeprogramm teilzunehmen, fiel Tauber nicht schwer. „Das Angebot war für mich ideal, weil man sich nicht sofort auf einen Bereich festlegen muss“, sagt er. Im Oktober des Vorjahres fing er bei Kapsch in Wien an, seit April dieses Jahres arbeitet er im Project Management Office der Kapsch TrafficCom in Austin, Texas. Das Programm selbst sei sehr offen angelegt: Eigenverantwortung und Eigeninitiative wären sehr wichtig und würden auch entsprechend gefördert. Gleichzeitig werde man umfassend betreut: „Die Vorbereitung auf die Stationswechsel und die anschließende Evaluierung sind optimal. Wir veranstalten auch regelmäßig Kamingespräche mit dem Topmanagement, um deren Erfahrungen und Tipps für unsere weitere Karriereplanung mitnehmen zu können“, sagt Tauber. Das Trainee-Umfeld würde eine gute Vernetzung im Unternehmen ermöglichen, sein bisher erworbenes Wissen vermittelt Tauber auch der kommenden Trainee-Generation: „Vor Kurzem haben wir das Assessment-Center für die Auswahl der Neuen, die im Oktober in ihrer ersten Station in Wien beginnen werden, geplant und moderiert.“

Das Traineeprogramm der Kapsch Group richtet sich an AbsolventInnen eines wirtschaftlichen oder technischen Masterstudiums und ist auf die Dauer von zwei Jahren ausgelegt. Halbjährlich wird die Abteilung gewechselt, ein sechsmonatiges Auslandspraktikum ist obligatorisch.

Alinejad Banafsheh, Verbund: Lernen, sich nicht zu fürchten

Alinejad Banafsheh ist kein Branchenneuling. Im Iran hat sie das Bachelorstudium Computer Hardware Engineering mit dem Fokus auf Elektro- und Digitaltechnik absolviert. Im Anschluss daran hat sie zwei Jahre lang bei Samsung in Teheran gearbeitet. Derzeit absolviert die 31-Jährige das IT-Trainee-Programm bei Verbund. Nach acht Monaten in der Konzerninformatik ist sie mittlerweile in der Abteilung „Erzeugung und Betriebssteuerung“ gelandet. Das Programm entspreche ihren hohen Erwartungen, nicht zuletzt deshalb, weil man Einblicke in viele unterschiedliche Unternehmensbereiche hätte: „Die Aufgaben sind sehr vielfältig und betreffen nicht nur klassische IT-Tätigkeiten.“ Als „ganz besonders“ empfindet die 31-Jährige, „dass man aktiv bei Veränderungen mitwirken kann und dass das Thema Flexibilität im Arbeitsalltag groß geschrieben wird“. Auch persönlich nimmt Banafsheh nach knapp zehn Monaten einiges mit: „Ich habe gelernt, Interesse am kontinuierlichen Lernen zu entwickeln, und ich habe gelernt, mich nicht vor Herausforderungen zu fürchten. Jede neue Station des Traineeprogrammes ist zunächst eine Herausforderung, die dann mit der Zeit aber einfacher wird.“ Ob sie VERBUND nach Abschluss des Traineeprogrammes die Treue hält? „Ich lasse das momentan noch offen“, sagt Banafsheh. Nachsatz: „Aber an sich möchte ich schon dort bleiben.“

Seit 2017 läuft bei Verbund ein Traineeprogramm für IT-Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger. Derzeit durchlaufen acht Trainees (vier Frauen und vier Männer, einer davon gehörlos) jeweils drei Stationen in den unterschiedlichen IT-Bereichen des Unternehmens (IT-Anforderungsmanagement, agile Softwareentwicklung, Netzwerktechnologie etc.). Die Dauer beträgt 24 Monate, 2018 soll ein neues Traineeprogramm ausgeschrieben werden.

Michael Kraussler, OMV: Line Manager, Buddy und Mentor

Dass Michael Kraussler aktuell in einer der spektakulärsten Fabriken des Landes ein Traineeprogramm absolviert, ist für ihn „ein absoluter Glücksfall“: „Die Raffinerie Schwechat ist tagsüber schon beeindruckend, aber nachts einfach ein Hingucker.“ Der Weg an die Wiener Peripherie führte den 30-Jährigen über die TU Wien. „2014 habe ich den Master, 2018, dann die Dissertation im Bereich Verfahrenstechnik gemacht. Während der Dissertation war ich für das COMET K1 Kompetenzzentrum Bioenergy2020+ tätig, im Anschluss daran habe ich die Chance ergriffen und zur OMV gewechselt“, sagt Kraussler. „Meine Erwartungen an das Programm wurden eigentlich schon in den ersten Wochen übererfüllt. Ich arbeite eigenverantwortlich, bin Teil des Teams, meine Arbeit wird geschätzt und die herausfordernde Komplexität einer Raffinerie macht mir Freude“, sagt er. Betreut wird der 30-Jährige vom Line Manager, also dem direkten Vorgesetzten, einem Buddy und einem Mentor. Die Unterstützung reicht von der praktischen Bewältigung des Arbeitsalltags über einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch bis hin zu fachlich kompetenten Tipps für Problemlösungen. Das Traineeprogramm läuft noch bis Ende Februar 2019. Und dann? „Natürlich ist es mein Ziel, im Technologiebereich der OMV weiter zu wachsen und Verantwortung für die Entwicklung von Projektideen zu übernehmen.“

Die Absolventenprogramme der OMV konzentrieren sich auf eine strukturierte und zügige persönliche Weiterentwicklung, den Erwerb interdisziplinären Wissens und übergreifender Fähigkeiten, die Auseinandersetzung mit Unternehmensprinzipien sowie den Aufbau eines Netzwerks und interkulturellen Austausch. Aktuell werden im Konzern in unterschiedlichen Bereichen Absolventenprogramme für 70 Personen pro Jahr angeboten.

David Mendler, Infineon: Arbeiten ohne Schulterblick

Angefangen hat alles mit dem Recruitment Day in Villach. „Das hat mich überzeugt“, erzählt David Mendler. „Mir hat gefallen, dass viele Führungskräfte daran teilnahmen und ich sie kennenlernen und so einen ersten Eindruck von der Arbeit bei Infineon gewinnen konnte.“

Mendlers Interesse an der Technik entwickelte sich über die Naturwissenschaft. Nach dem Gymnasium und dem Abschluss an der Wiener Alternativschule w@lz, studiert der heute 32-Jährige Technische Physik an der TU Wien. Seit Oktober des Vorjahres absolviert er das Junior Talent-Traineeprogramm bei Infineon, das sich an Absolventen technischer Studienrichtungen wendet. „Bisher war es so, dass ich nach einer kurzen Einlern-Phase die gleichen Aufgaben übernommen habe wie meine Kollegen, die schon länger in der Abteilung sind“, erzählt er. Wo er nach den 18 Monaten Ausbildung landen wird, ist für Mendler jetzt schon klar: „Meine Zielposition im Bereich Unit-Process Development, also Entwicklung von Fertigungsprozessen für Halbleiter, ist seit dem Programmstart definiert. In der Prozessentwicklung werde ich deshalb auch zwei längere Stationen absolvieren.“ Ein „Buddy“ und ein Mentor begleiten Mendler während des Junior Talent Programms, bevormundet fühlt sich der 32-Jährige allerdings nicht: „Ich kann sehr viele Aufgaben eigenverantwortlich vorantreiben. Also ich habe nicht das Gefühl, dass mir jemand ständig über die Schulter schaut.“

Das Junior Talent Programm von Infineon Austria richtet sich an Absolventinnen und Absolventen vorwiegend aus den Bereichen Elektrotechnik, Physik, Chemie oder auch Informatik und Automatisierungstechnik. Aktuell absolvieren 17 Trainees aus sieben Nationen dieses Programm, das 18 Monate dauert.

Davor Stosic, Siemens: Der Trainee als vollwertiger Mitarbeiter

Nach seinem bisherigen Ausbildungshighlight befragt, muss Davor Stosic nicht lang überlegen. „Das war der Auslandsaufenthalt in Istanbul“, erzählt er. „Ich hatte die Gelegenheit, beim Aufbau eines Business-Segments mitzuarbeiten.“ Der 30-Jährige absolviert seit Oktober 2016 ein zweijähriges Traineeprogramm bei Siemens.

Eigentlich hat Stosic eine Lehre als Sanitär-, Heizungs- und Klimatechniker gemacht. Später berufsbegleitend die Abend-HTL, ein Bachelorstudium (Elektronik) und schließlich an der FH Wiener Neustadt den Mechatronik-Master. „Die entscheidenden Faktoren mich bei Siemens zu bewerben waren, dass es sich um einen multinationalen Konzern handelt, der in zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern seit vielen Jahren eine Vorreiterrolle einnimmt.“ Nach Stationen mit Produkt- und Projektgeschäft ist Stosic mittlerweile im Energy Management von Siemens gelandet. Sein Tätigkeitsbereich dort: Mitarbeit im Vertrieb und Business Development für Elektromobilität, IoT, Energieübertragung und Microgrids. „Sehr gut finde ich die Anerkennung des Traineeprogramms innerhalb des Unternehmens. Als interessierter Trainee läuft man bei den verschiedensten Führungskräften offene Türen ein“, sagt Stosic. Derzeit führt der 30-Jährige „Bewerbungsgespräche“, was seinen zukünftigen Verbleib im Unternehmen betrifft. Schließlich endet das Programm im November.

Das CEE Trainee Programm von Siemens Österreich umfasst vier Stationen, eine davon im Ausland, die jeweils sechs Monate dauern. Ergänzend sind für jeden Trainee diverse Seminare in den Bereichen Projektmanagement, Sales und Persönlichkeitsentwicklung vorgesehen. Voraussetzung für Kandidaten des technischen Bereichs ist ein abgeschlossenes Master-Studium.