Erdgas : EU: Beziehungen zur Türkei "an einem historischen Wendepunkt"

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Im EU-Parlament sind Forderungen nach einem härteren Umgang mit der Türkei laut geworden. Beim Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs nächste Woche müssten auch neue Sanktionen zur Debatte stehen, sagte der Vorsitzende des Außenausschusses, David McAllister (CDU), in Brüssel. Vertreter nahezu aller Fraktionen forderten "volle Solidarität" mit den EU-Mitgliedern Griechenland und Zypern im Gas-Streit mit der Türkei.

Der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl plädierte dafür, alle Zahlungen aus EU-Steuermitteln an Erdogans Regime sofort einzustellen. Eine ähnliche Position vertritt Bundeskanzler Sebastian Kurz bereits seit Längeren. "Denn die absichtliche und andauernde Verletzung der griechischen und zypriotischen Hoheitsgewässer samt begleitender Kriegsdrohungen dokumentieren den traurigen Weg der Türkei zurück in eine düstere, vordemokratische Vergangenheit. Das dürfen wir nicht unterstützen", so Mandl.

Die Türkei ist immer noch EU-Beitrittskandidat, auch wenn die Gespräche über den Beitritt und die Vertiefung der Zollunion seit 2018 auf Eis liegen, so der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die Türkei rücke immer weiter ab von Rechtsstaatlichkeit und Grundwerten der EU, sagte der Außenbeauftragte. Der Konflikt über türkische Erdgassuche im östlichen Mittelmeer habe die Lage weiter verschlechtert.

"An einem historischen Wendepunkt"

Die Beziehungen mit der Türkei "befinden sich an einem Wendepunkt der Geschichte", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. In den nächsten Tagen müssten die Staats- und Regierungschef schwierige Entscheidungen treffen. Für neue Sanktionen brauche es allerdings die Einstimmigkeit der EU-Staaten - "und das ist bisher nicht der Fall".

Hintergrund ist ein heftiger Streit um die Ausbeutung neu entdeckter Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Die EU betrachtet türkische Probebohrungen in zyprischen und griechischen Gewässern als unrechtmäßig und hat Ankara bereits mit Sanktionen belegt. Im August hatten die EU-Außenminister mit einer Ausweitung der Strafmaßnahmen gedroht. Sie könnten demnach beschlossen werden, wenn diplomatische Vermittlungsversuche bis zum EU-Gipfel kommende Woche scheitern.

"Türkei ist ein schwieriger Akteur"

Europastaatsminister Michael Roth (SPD) bezeichnete die Türkei als "schwierigen Akteur". Mit Griechenland und Zypern müssten sich die anderen EU-Staaten "uneingeschränkt solidarisch" zeigen, aber dennoch deutlich machen, "dass es keine militärische Lösung geben kann". Beim Gipfel nächste Woche würden die Staats- und Regierungschefs dann auch "darüber verhandeln, was zu geschehen hat, wenn die Türkei ihrer Verantwortung nicht gerecht wird".

Der Fraktionschef der Linken, Martin Schirdewan, forderte einen Stopp aller Waffenexporte an die Türkei sowie das Ende des EU-Flüchtlingsabkommens. Die EU hatte sich darin infolge der Flüchtlingskrise 2015 zu Zahlungen an die Türkei verpflichtet, damit diese Migranten versorgt. Borrell und Roth verteidigten das Abkommen: Das Geld komme den Geflüchteten zugute und lande nicht in Ankaras Staatskasse. Für Waffenexporte seien zudem die Mitgliedstaaten verantwortlich, sagte Borrell.

"Türkei ist unser Nachbar, aber wir sind keine Freunde mehr"

Vergangenes Jahr waren bereits EU-Mittel für die Türkei gekürzt, Kontakte auf hochrangiger Ebene auf Eis gelegt und Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen ausgesetzt worden. Es folgten später Sanktionen gegen zwei Beteiligte an den umstrittenen Bohrungen, gegen die Einreiseverbote und Kontosperrungen verhängt wurden. "Die Türkei ist unser Nachbar, aber wir sind schon seit einiger Zeit keine Freunde mehr", beschrieb es der spanische Konservative Esteban González Pons. (apa/red)

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) reist am Donnerstag nach Griechenland und Zypern. Mit seinem Besuch will er den beiden Ländern im Konflikt mit der Türkei den Rücken stärken. Nicht vorbeikommen wird Schallenberg in Athen auch am Migrationsthema. Die ohnehin schwierige Situation im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos hat sich nach dem Brand vergangene Woche dramatisch zugespitzt.

Offizieller Anlass der Reise des Außenministers ist aber der Gasstreit im östlichen Mittelmeer. Seit der Entdeckung reicher Gasvorkommen gibt es Streit um deren Ausbeutung. Neben Griechenland und der Türkei erhebt auch Zypern Anspruch auf die Seegebiete. Die drei Länder untermauerten ihren Anspruch in den vergangenen Wochen durch die Entsendung von Kriegsschiffen und Militärübungen, was Befürchtungen einer militärischen Eskalation aufkommen ließ.

Österreich hat sich wie Frankreich im Konflikt klar hinter Griechenland gestellt, während etwa Deutschland versucht, zwischen Ankara und Athen zu vermitteln. Mit seinem Besuch untermauert Schallenberg "Österreichs volle Solidarität mit Griechenland und Zypern", wie das Außenministerium erklärte. In Athen trifft der Außenminister am Donnerstag seinen griechischen Amtskollegen Nikos Dendias.

Die beiden Chefdiplomaten haben sich zuletzt Mitte August in Wien getroffen. Dendias war anlässlich des Besuchs des US-Außenminister Mike Pompeo in Wien kurzfristig angereist, um mit diesem über Gasstreit zu beraten.

Thema sein wird bei dem Besuch in Griechenland aber auch die Migration. Ein Besuch Schallenbergs in dem größten griechischen Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos ist nicht geplant. Tausende Menschen haben durch Brandstiftung durch Bewohner des Lagers und den darauf folgenden verheerenden Brand vergangen Woche ihre Unterkunft verloren und sind nun obdachlos. Die Lage ist angespannt. Die ÖVP lehnt eine Aufnahme von Flüchtlingen ab. Stattdessen bot Österreich Griechenland Soforthilfe mit 400 vollausgestatteten Zelten für 2.000 Personen und Hygienepakete an.

Schallenberg war erst im März in Athen, auch damals wegen eines Konfliktes mit der Türkei. Im Streit um weitere Gelder für das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei, hatte Ankara im Februar erklärt, die Grenze zur EU sei für Migranten offen. Daraufhin machten sich Tausende Menschen auf den Weg, um aus der Türkei nach Griechenland und somit in die EU zu gelangen. Griechenland ließ sie jedoch nicht passieren. Dieser Streit ist vorläufig beigelegt. Griechenland befürchtet aber, dass die Türkei, die rund 3,7 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat, die Migranten auch im aktuellen Konflikt als Druckmittel einsetzen könnte.

Am Donnerstagabend reist Schallenberg weiter nach Zypern und trifft in Nikosia mit dem zypriotischen Außenminister Nicos Christodoulides zusammen. Am Freitag steht außerdem ein Besuch der UN-Pufferzone am Programm. Die Insel ist seit 1974 zwischen dem EU-Mitglied Zypern und der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern geteilt.

Thema wird auch in Zypern der Gasstreit sein, der mittlerweile sogar die EU-Außenpolitik gegenüber Weißrussland (Belarus) belastet. Zypern blockiert nach Angaben von EU-Diplomaten die Verabschiedung von EU-Sanktionen gegen die Verantwortlichen mutmaßlicher Wahlfälschungen in Weißrussland. (apa/red)