Hintergrund : Zwei Jahre Handelskrieg: Frostiger Waffenstillstand von USA und China

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Zwei Jahre nach Beginn des Handelskrieges der USA mit China befinden sich die beiden größten Volkswirtschaften stärker als je zuvor auf Konfrontationskurs. Das aus China stammende neuartige Coronavirus zwang die Weltwirtschaft in die Knie und bescherte US-Präsident Donald Trump eine Krise, deren Folgen ihn im November den Wahlsieg kosten könnten.

Nach Strafzöllen über Waren im Wert von Hunderten Milliarden Dollar, unzähligen Drohungen und zähen Verhandlungen schien Mitte Jänner endlich ein guter Waffenstillstand geschlossen: Die USA und China unterzeichneten den ersten Teil eines umfassenden Handelsabkommens. Doch die Freude hielt nicht lange an.

Trump: "Die China-Pest war ein sehr schlechtes Geschenk an die Welt"

"Die Tinte war noch nicht trocken unter dem Vertrag, als die Pest herein schwebte", zürnte Trump zuletzt in Bezug auf das Coronavirus. Die "China-Pest" sei ein "sehr schlechtes Geschenk" der kommunistischen Führung an die Welt, sagte Trump. "Ich sehe das Handelsabkommen jetzt etwas anders als vor drei Monaten", sagte Trump im Garten des Weißen Hauses. "Mit China zurechtzukommen, wäre eine gute Sache, aber ich weiß nicht, ob das klappen wird", schloss Trump.

Große Liebe klingt anders. Seit der Ausbreitung der Coronapandemie ist China wieder Trumps ausländischer Buhmann Nummer eins. Peking wiederum ist angesichts der Schuldzuweisungen verärgert. Auch die jüngst angekündigten Sanktionen gegen Hongkong wegen der Einmischung Pekings in die Autonomie seiner Sonderverwaltungsregion tragen zu den Spannungen bei. Es fehlt auch nicht an weiteren Streitthemen: Visa für Journalisten und Studenten, die Sicherheitspolitik im Indopazifik-Raum sowie Beschränkungen bei Technologieexporten und Passagierflügen zwischen den Ländern sind nur einige der Zankäpfel.

Aus dem Handelskrieg ist eine Art Kalter Krieg geworden: Man betrachtet sich argwöhnisch, macht einander Vorwürfe und vertraut dem Partner nicht, aber keine Seite will den Konflikt erneut eskalieren lassen, denn die Coronapandemie hat beide Riesen geschwächt.

Am 15. Juni 2018 hatte alles angefangen: Mit Strafzöllen auf Einfuhren aus China in Höhe von 50 Mrd. US-Dollar (44,3 Mrd. Euro) gab Trump den ersten Schuss in dem Handelskrieg ab. Er wollte das Handelsdefizit mit China senken und kritisierte Pekings unfaire Handelsmethoden. Der Konflikt schaukelte sich hoch, bis Trump ein Jahr später fast auf alle Importe aus China im Wert von mehr als 500 Mrd. US-Dollar Strafzölle verhängt hatte - mehr als Peking mit Gegenzöllen beantworten konnte. Die Exporte gingen zurück.

Der Rückgang der Warenströme und die Unsicherheiten aufgrund des Handelskriegs dämpften auch das globale Wachstum. Im Jänner, gerade als die Coronapandemie in China begann, einigten sich beide Seiten zumindest auf eine Teilvereinbarung. Kernpunkt war das Versprechen Chinas, über zwei Jahre für 200 Mrd. US-Dollar mehr Waren in den USA zu kaufen - vor allem Öl und Gas (50 Milliarden), Industriegüter (80 Milliarden) und Agrar-Produkte (32 Milliarden).

Der Rückgang der Nachfrage in China und der Einbruch der Weltmarktpreise lassen jetzt aber zunehmend fraglich erscheinen, wie die Ziele erreicht werden können. Chinesische Experten sprechen schon von "höherer Gewalt". Experten des Peterson Instituts für Internationale Volkswirtschaft in Washington kamen zu dem Schluss, dass China seine Ziele bisher nicht mal zur Hälfte erfüllt.

"Die Grundlage des Abkommens ist die Marktwirtschaft, nicht Planwirtschaft", sagt Wirtschaftsprofessor Huang Weiping von der Volksuniversität (Renmin Daxue) in Peking. "Wenn die Händler nicht kaufen, kann die chinesische Regierung sie nicht zwingen." Chinas Premier Li Keqiang wiederum versichert, gut zusammenarbeiten zu wollen. "Beide Länder gewinnen durch Kooperation und verlieren bei einer Konfrontation." Eine Entkoppelung beider Volkswirtschaften wäre schädlich für beide Länder und den Rest der Welt, warnte er.

Trump hatte ursprünglich stets dafür geworben, ein umfassendes Handelsabkommen mit China abzuschließen. Trotz Strafzöllen als Druckmittel ließ Peking sich jedoch nicht einschüchtern. Trump musste dann eine Kehrtwende machen und das Teilabkommen als Erfolg verkaufen. Kritiker monierten, dass der Vertrag letztlich vor allem Probleme gelöst hat, die Trump selbst geschaffen hatte. Zudem gelten die meisten Strafzölle weiter - was das Wachstum schwächt.

Die US-Regierung hält sich in der Frage, ob Peking seine Versprechen aus dem Teilabkommen erfüllt, bisher eher bedeckt. Es scheint, als wolle man den Handelskonflikt nicht erneut anheizen: Die Wirtschaft in den USA befindet sich wegen des Coronavirus in einer schweren Rezession, es gibt so viele Arbeitslose wie seit Jahrzehnten nicht.

Zudem ist der Konflikt mit China für Trump politisch hilfreich: Er kann seinen Wählern gegenüber behaupten, dass er "hart mit China umgegangen" sei und einen "guten Deal" erreicht habe, der für die USA Milliarden einspüle. China ist für Trump ein nützliches Feindbild: In einem Wahlkampfvideo, das seit Kurzem im Fernsehen und in sozialen Medien läuft, wirbt seine Kampagne damit, dass Trump sich dafür einsetze, "Fabriken hier zu bauen anstatt in China". Trump will "Amerika wieder großartig machen" - und das gerne auf Kosten Chinas.

Trumps Politik hat eine Dynamik in Gang gesetzt, die Experten mit einem Wort beschreiben: Entkoppelung. China besinnt sich stärker als je zuvor auf seine eigenen Kräfte und setzt auch wegen der weltweiten Wirtschaftskrise auf heimische Nachfrage. Wegen der US-Restriktionen gegen chinesische Hightech-Unternehmen wie den Telekomriesen Huawei wird zudem die heimische Innovation angekurbelt, um unabhängig von US-Technologie zu werden. Manche US-Unternehmen wiederum versuchen in ihren Lieferketten, die Abhängigkeit von China zu reduzieren.

Bis auf Weiteres ist jedoch nicht mit einem Wiederaufflammen des Handelskonflikts zu rechnen, zumal beide Volkswirtschaften durch die Coronakrise geschwächt sind, wie Analyst Eric Robertsen von der Bank Standard Chartered dem Sender CNBC sagte. Die Risiken dabei wären heute für Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping deutlich größer, warnte er. "Beide Führungspersonen werden sehr aufpassen, nicht in einer frühen Phase die Erholung entgleisen zu lassen, die sie beide versuchen, zustande zu bringen", sagte Robertsen.

(Von Andreas Landwehr und Jürgen Bätz, dpa /APA/red)