Finanzierung : Zinswende: Jetzt absichern?

Thomas Leissing hat die Gunst der Stunde genutzt. Der Geschäftsführer der in Tirol ansässigen Egger Holzwerkstoffe GmbH im Februar eine 120 Millionen Euro schwere Anleihe am heimischen Kapitalmarkt platzieren. Der Kupon von 5,75 Prozent pro Jahr ist für das Unternehmen zwar kein Schnäppchen, gegenüber dem klassischen Kredit ist man aber trotzdem zufrieden. „Wir streuen unsere Finanzierungen möglichst breit, um langfristig eine sichere Basis zu haben“, sagt Leissing. Zu den schon länger moderaten Leitzinsen haben sich kürzlich auch am Kapitalmarkt und bei den Banken die Rahmenbedingungen für Unternehmensfinanzierungen deutlich verbessert. Sollten sich die konjunkturellen Erholungstendenzen verhärten, muss sich die heimische Industrie auf eine empfindliche Verteuerung ihrer Verbindlichkeiten einstellen. Es ist eine verkehrte Welt: Nach 11,3 Milliarden Euro oder 9,1 Prozent im Jahr 2008 fiel das Wachstum bei Firmenkrediten in Österreich im Vorjahr mit 1,6 Milliarden Euro (1,2 Prozent) so mager aus wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Völlig diametral dazu explodierten die Anleiheemissionen von heimischen Unternehmen. Von 752 Millionen Euro 2008 stiegen sie auf 5,2 Milliarden Euro im Jahr 2009. „Viele Unternehmen nutzen die derzeit günstigen Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt und sichern sich zudem das niedrige Zinsniveau langfristig ab“, sagt Franz Hochstrasser, Vorstand der Erste Bank. Aber auch bei herkömmlichen Bankkrediten hat sich die Situation zur Jahreswende deutlich zugunsten der Unternehmen verbessert. Laut Statistik der österreichischen Nationalbank sind die Zinssätze für neue Unternehmensfinanzierungen im Jahresvergleich um rund 3 Prozent gesunken. Die meisten Experten rechnen jedoch noch heuer mit einer Trendwende bei den Zinsen und empfehlen dringend Absicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Doch die Frage bleibt: Welche? Und: Lohnt eine teure Absicherung überhaupt?

Auch ohne Haftungen und trotz höherer Bankmargen waren Unternehmensfinanzierungen durch das historisch niedrige Zinsniveau noch nie so billig wie jetzt. Mit 0,66 Prozent notiert der 3-Monats-Eurbor – der wichtigste Basisindikator für Gewerbekredite – um über 1,30 Prozent unter seinen Tiefstständen aus 2003 bis 2005. „Eine Anhebung der Leitzinsen im heurigen Jahr wäre ein falsches Signal für die Wirtschaft“, sagt Generaldirektor Ludwig Scharinger von der RLB Oberösterreich. Dennoch rechnet die Mehrheit der Analysten zumindest mit einer Leitzinserhöhung um 0,25 Prozent gegen Ende des Jahres (Prognosen siehe Kasten). Zu einem ersten leichten Ansteigen des Euribor-Zinssatzes dürfte das Zurückfahren der extrem großzügigen Liquiditätsversorgung durch die europäische Zentralbank in den nächsten Wochen führen. Notenbankpräsident Jean-Claude Trichet machte bereits erste Andeutungen.Wenngleich keiner der vom Industriemagazin befragten Experten in den nächsten Jahren mit einer Zinsexplosion durch eine Hyperinflation rechnet, sehen die Banker im derzeitigen Umfeld dennoch Handlungsbedarf. „Wir raten unseren Kunden zumindest einen Teil ihrer Verbindlichkeiten gegen steigende Zinsen abzusichern“, sagt Ludwig Scharinger von der RLB Oberösterreich. Die einfachste Form mit der höchsten Kalkulationssicherheit ist dabei der klassische Fixzinskredit. Je länger die Fixzinsvereinbarung, desto höher der Aufschlag zur variablen Variante. Bei 5jährigen Laufzeiten sind derzeit jährlich etwa 2 Prozent, bei 10jährigen rund 3 Prozent an Mehrkosten einzurechnen. Das gilt in ähnlicher Weise auch für Unternehmensanleihen. Hier genießt man im Gegensatz zum Bankkredit auch noch einen Liquiditätsvorteil. Denn die Kapitaltilgung erfolgt nicht laufend sondern zur Gänze erst am Ende der Laufzeit.Trotz Zinsabsicherung müssen Unternehmen grundsätzlich nicht auf die derzeit günstigen variablen Konditionen verzichten. „Durch den Kauf von sogenannten Zinscaps können Kreditnehmer die derzeit niedrigen Geldmarktsätze weiter nutzen und sich trotzdem nach oben absichern“, sagt Thomas Brunnbauer, Vertriebsleiter der Volksbank Krems-Zwettl AG. Zinscaps werden inzwischen von praktisch allen Banken in individuellen und flexiblen Ausführungen angeboten. Bei der RLB Oberösterreich greifen Kunden am liebsten zu einer zehnjährigen Absicherung gegen einen Anstieg des 3-Monats-Euribors von über 4 Prozent. Die Einmalkosten hierfür betragen derzeit 4,86 Prozent (bzw. rund 0,50 Prozent p. a.) vom abzusichernden Kreditbetrag. In den – großteils rezessionsbedingten - Niedrigzinsphasen seit Euroeinführung war die Investitionen in eine Zinsabsicherung kein besonders lukratives Geschäft. Dagegen hätte sich die Absicherungsprämie in den durch hohe Inflation geprägten 90er Jahren mehrfach amortisiert.