AMAG-General Gerhard Falch : „Wollen wir weiter nur aus Europa liefern?“

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Falch, als ich vor fünf Jahren hier in Ranshofen war, ist es mir noch gelungen, ohne einer einzigen Person zu begegnen bis direkt an Ihren Schreibtisch zu gelangen ...

Gerhard Falch: Wirklich? Das haben Sie mir damals aber nicht erzählt ...

... heute kontrolliert der freundliche Werksschutz die Betriebsgrenzen, und eine Empfangsdame managt Ankömmlinge. Wie bezeichnend sind diese Veränderungen für die vergangenen fünf Jahre Ihres Wir-kens hier in Ranshofen?

Falch: (lacht) Na, ich hoffe nicht sehr. Sie wissen, dass ich offene Türen, eine ehrliche und intensive Gesprächskultur und das Miteinander im Unternehmen schätze. Barrieren will ich keine aufbauen. Aber im Ernst: Dass aus unserem ambitionierten Investitionsprogramm der letzten Jahre auch kleine Teile für die Renovierung des Verwaltungsgebäudes vorgesehen waren, war klar. Das war damals in der Tat eines börsennotierten Technologiekonzerns nicht würdig.

Das laufende Investitionsprogramm ist 220 Millionen Euro schwer, unter anderem wird da neben einer Plattenfertigung und einem Warenlager ein völlig neues Warmwalzwerk gebaut. Warum?

Falch: Nun, wir fahren jetzt schon das dritte Jahr mit Volllast. Wir könnten viel mehr absetzen als wir zur Zeit produzieren können. Und der Ausbau versetzt uns in die Lage, den neuen Anforderungen am Markt nach neuen Produktdimensionen zu begegnen. Etwa im Automobilbereich. Autos werden speziell in der Premiumklasse tendenziell größer und sportlicher mit markigeren Konturen. Das verlangt breitere Flächen, die aus einem Stück produziert werden können. Mit der neuen Produktionsbreite von 2.300 mm werden wir da gut ins Geschäft kommen. Oder im Verpackungsbereich. Hier ist 900 Millimeter eine Standardbreite. Mit dem neuen Walzwerk können wir doppelt breit produzieren und die Bänder anschließend längs teilen, womit Kostenvorteile entstehen.

Das Investitionsprogramm trägt den Namen AMAG 2014. Das Jahr, in dem Helmut Wieser, den Sie sehr schätzen, Ihr Amt übernehmen wird. Ist Ihre Arbeit hier in Ranshofen eigentlich getan?

Falch: Die wesentlichen Weichenstellungen wie Börsegang und Großinvestitionsprogramm sind erledigt, aber ich bin bis März 2014 Generaldirektor der AMAG – und bis dahin arbeite ich, neben dem operativen Geschäft, das anspruchsvoll genug ist, mit meinem Team auch an einer Strategie für 2020. Ich will dem Unternehmen eine Ausrichtung, ein Ziel, einen Fokus für die Zukunft geben.

Das heißt, bis April 2014 bekommt die AMAG eine neue Strategie?

Falch: Ob wir das zeitlich hinkriegen, die Strategie bis dahin auch zu beschließen, kann ich nicht sagen. Es ist auch nicht so wichtig, ob der Beschluss noch im März 2014 erfolgt. Die generelle Linie wird bis zu diesem Zeitpunkt aber weitgehend klar sein. Bis dato hat der Aufsichtsrat alle Schritte der Strategie, die ich ihm vorgelegt habe, genehmigt.

Was ist denn der Inhalt dieser Strategie?

Falch: Wir müssen überlegen, wo und wie wir weiter wachsen können. Da liegt natürlich die Erweiterung der Bandkapazitäten nahe. Nachdem wir gerade das Warmwalzwerk ausbauen, müssen wir im Downstreambereich überlegen, wie wir die neuen Breiten am besten nutzen. Dann stellt sich für mich auch die Frage: Wo ist die Investition am wirtschaftlichsten? Gibt es die Möglichkeit, irgendwo irgendetwas zu akquirieren?

... etwa mit Ihren Kunden in die USA gehen, wie das die Voestalpine gemacht hat ...

Falch: Aus heutiger Sicht ist Europa der Zielmarkt Nummer 1. Aber ob es hier was gibt, ob man es bekommen kann ... Aber es stellt sich auch die Frage, ob der wachsende US-Markt eine Perspektive darstellt. Wir müssen uns die Frage stellen: Wollen wir weiterhin von Europa aus liefern? Oder doch einen finalen Fertigungsschritt in den USA andenken?

Wie ist der Stand bezüglich des Ausbaus der kanadischen Aluminiumschmelze Alouette? Immerhin sind die Aluminiumpreise derzeit im Keller ...

Falch: Auch hier wird weiter zu investieren sein. Drei Viertel aller Aluschmelzen weltweit schreiben angesichts der niedrigen Alupreise Verluste – nicht jedoch unsere Beteiligung in Kanada, eine der effizientesten Elektrolysen weltweit. Im Bereich Stromverbrauch pro Tonne Aluminium setzen wir Benchmarks. Auch die logistischen Rahmenbedingungen – insgesamt werden mehr als drei Millionen Tonnen Tonerde und Koks angeliefert und 600.000 Tonnen Primäraluminium abtransportiert – sind dank des tiefseeschifftauglichen Hafens in Kanada unschlagbar.

Weniger rosig ist die Wettbewerbssituation in der Gießerei. Immer mehr Mitbewerber wollen es Ihrem „grünen Aluminium“ nachmachen und versuchen, ihren Recyclinganteil zu erhöhen ...

Falch: Dass viele Wettbewerber unsere Strategie folgen, stimmt. Aber die sind natürlich noch weit von unseren Recyclingquoten von 75–80 Prozent entfernt. Es gibt Mitbewerber, die streben an, einen Recyclinganteil von 30–40 Prozent oder mehr zu schaffen. Ich stimme Ihnen also nicht zu, dass hier die Situation nicht rosig sei. Wir schaffen es, selbst die Bodenasche einer Müllverbrennungsanlage zu hochwertigem Aluminium zu verarbeiten. Das stellt andere vor unlösbare Aufgaben. Damit können wir etwa vom Mischpreis bei Schrotthändlern profitieren, wie das sonst kein anderer Mitbewerber kann.

Herr Falch, ein paar Zimmer weiter wird derzeit wohl schon an Ihrer letzten Bilanz als Generaldirektor der AMAG getüftelt. Hätten Sie sich dafür eigentlich ein einfacheres konjunkturelles Umfeld gewünscht?

Falch: Sie haben Recht mit der Ansage, dass die Zeit nicht einfach ist. Der Primäraluminiumpreis ist im Keller. Südeuropäische Mitbewerber im Gießereibereich drücken angesichts der Schwäche der lokalen Industrie, u. a. Auto, die Margen. Und ich sehe auch konjunkturell – hier ist Wolfgang Eder optimistischer als ich – nicht den großen Aufschwung 2014. Aber eines ist auch wahr: Wir konnten unseren Absatz im letzten Quartal weiter um 2,9 Prozent auf 274.000 Tonnen erhöhen. Für das Gesamtjahr erwarten wir trotz des hohen Margendrucks ein EBITDA von 116 bis 121 Millionen Euro, nach 133,8 Millionen Euro im Vorjahr. Und wir sind mittlerweile einer der wenigen Aluminiumhersteller, die mit der Aluminiumproduktion gutes Geld verdienen ...

Seit Sie 2007 hier das Ruder übernommen haben, ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Stellen Sie sich manchmal die Frage, was passiert wäre, hätten Sie früher hier mitgestalten können?

Falch: Eine nachträgliche Betrachtung ist rein hypothetisch und steht mir nicht zu. Seit meiner Berufung zum Vorstandsvorsitzenden im Jahr 2007 haben wir im Vorstandsteam und mit Unterstützung der Führungsmannschaft und Belegschaft die sich uns bietenden Chancen bestmöglich genutzt. Man muss dabei aufpassen, das sich rasant ändernde Marktumfeld richtig einzuschätzen, und zeitgerecht Entscheidungen treffen. Und das muss einem der Aufsichtsrat auch erst lassen. Jeder, der mich in die Funktion gesetzt hat, wusste, dass der Falch keiner ist, der administriert, sondern der Bewegung sehen wollte.

Sie sollen, wie man hört, dem Unternehmen ab 2014 als Aufsichtsratsvorsitzender zur Verfügung stehen ...

Falch: ... hört man das? Nun, ich bin dann 66 Jahre, wenn ich im April 2014 den Vorstandsvorsitz abgebe. Ich möchte mich aus der ersten Reihe zurückziehen. Möchte es mir ein bisschen besser gehen lassen. Aber ich werde in verschiedenen Aufsichtsräten bleiben, vielleicht das eine oder andere Mandat dazubekommen. Ob die Eigentümer der AMAG diesbezüglich auf mich zukommen, müssen Sie die selbst fragen...

Das Gespräch führte Rudolf Loidl