Kurzarbeit : Wittmann-Battenfeld-CEO Weingraber: "Es war unsere Pflicht, zu handeln"

Thomas Topf Wittmann Battenfeld
© Thomas Topf

Die Übergabe der Geschäftsführung läuft idyllisch, fast so, als hätte man in einer Familiensaga Platz genommen. Es gibt freundliche Worte von der Eigentümerfamilie für den Neuen. Solidaritätsadressen von der Belegschaft. Und Unternehmensgründer Werner Wittmann höchstselbst streut Neo-CEO Rainer Weingraber, dem "Generalisten mit hoher Affinität zum Maschinenbau", der Mitte März die Geschäfte von Langzeit-Chef Georg Tinschert übernehmen soll, Rosen. Doch in das Kottingbrunner Nachfolge-Idyll mischt sich in diesen Tagen Sorge.

An den wichtigen Kunststoffmärkten in Deutschland, USA und Asien gibt es Warnzeichen einer merklichen Konjunkturabschwächung, die sich bald darauf bewahrheiten sollen. In den Folgewochen hagelt es für den niederösterreichischen Spritzgießmaschinenbauer Auftragsstornos in Serie, vor allem der deutsche Markt ist wie durch einen bösen Zauber erstarrt. Im Juli zieht die neue Führung aus der sich immer stärker eintrübenden Konjunktur die Konsequenzen: 60 der etwas über 500 Mitarbeiter werden im Produktionswerk in Kottingbrunn im Juli zur Kündigung angemeldet.

Einschnitte, die mit weiteren Maßnahmen einher gehen: Im Werk wird ab Juli Kurzarbeit verhängt. Eine schmerzhafte Episode, wenngleich wirtschaftliche Notwendigkeit, wie man Mitte September in Kottingbrunn hört. Es sei "die Pflicht von jeder Eigentümerschaft, in einer solchen Situation zu handeln", sagt CEO Rainer Weingraber.

"Kaufmännische Sorgfalt".

Eine Sichtweise, die sich auch in der Belegschaft hält. Die Kurzarbeitsmaßnahmen fielen unter "kaufmännische Sorgfaltspflicht", kann man dort nachvollziehen. Werner Wittmann sei keiner, der aus der Emotion heraus Leute freisetzt, meint ein früherer Wittmann-Battenfeld-Entwickler. Viel eher dominiere die Ratio. "Er hat ein Gespür dafür, wann harte Maßnahmen unvermeidbar sind", sagt er. Der hohe Rückhalt in der Belegschaft hat Gründe. Ein Jahrzehnt lang ging es mit dem Unternehmen, das sich am Markt mit Attributen wie Ingenieurskunst und Qualität positioniert, schnurgerade bergauf. Werner Wittmann, der den Insolvenzfall Battenfeld Spritzgießtechnik 2008 in seine 1976 gegründete Unternehmensgruppe integrierte und sich dabei fair zu allen Beteiligten verhielt, holt Leute und entwickelt das Maschinenwerk zu einem topmodernen 500 Mitarbeiter-Betrieb.

2012 kommt es zu Werkserweiterungen, bei denen man mehr als nur eine Schuhnummer wächst. Ein weiteres Mal erweitert Wittmann im Jahr 2017: Die Produktionsfläche wird um 2.200 Quadratmeter aufgestockt. Auch im Verwaltungsbereich gibt es großflächige Erweiterungen, ein Entwicklungstechnikum eröffnet. 2018 erreicht die Wittmann-Gruppe ihr bisher bestes erstes Quartal und freut sich zu Jahresbeginn noch über prallvoll gefüllte Auftragsbücher fürs Gesamtjahr 2018. Doch im Frühjahr setzt es für die Kottingbrunner einen Dämpfer.

Vor allem aus der kriselnden Automobilindustrie bleiben Aufträge für Spritzgießmaschinenbauer aus, heißt es in der Branche. Vor allem der deutsche Markt fährt zurück. "Wir schwingen mit der Industrie mit", sagt CEO Rainer Weingraber. Auch der Schwertberger Maschinenbauer Engel, zu dem die Battenfelder ein besonders inniges Konkurrenzverhältnis pflegen, bekommt das zu spüren.

Erinnerungen werden wach

Im Juli und August, hört man im Werk Kottingbrunn, wird "urlaubszeitbedingt" noch nicht in dem Ausmaß kurzgearbeitet wie jetzt im Herbst. Angemeldet zur Kurzarbeit wird das gesamte Werk - rund 500 Mitarbeiter. Betroffen sei laut Geschäftsführung jedoch nur die Produktion. Von der Produktionsbelegschaft, rund 250 Mitarbeitern, arbeiten Stand September "weite Teile kurz", sagt Wittmann-Battenfeld-CEO Rainer Weingraber. Erinnerungen an 2009 werden wach: Schon damals wurde in Kottingbrunn zur Überbrückung der Krisenmonate kurzgearbeitet.

Und es sollte ein Mechanmismus greifen, der den späteren Erfolgslauf des Spritzgießmaschinenbauers besiegeln sollte: "Die Krisenjahre nutzte Wittmann als Ausgangspunkt für Innovation und eine Runderneuerung des Produktspektrums", sagt ein ehemaliger Wittmann-Battenfeld-Mitarbeiter. In dieser restaurativen Phase, die sich die Eigentümerfamilie einiges kosten ließ, wurden etwa die Großmaschinen "von der Pike auf neu designt" (O-Ton Ex-Mitarbeiter) und vollelektrische Maschinen rückten ins Portfolio. Auch diese Schwächephase wolle man für Innovation und Produkte nutzen, heißt es in Kottingbrunn. Angesichts der "notorisch gesättigten Märkte für Massenkunststoffe" eine richtige Strategie, meint ein Branchenkenner.