IM-Expertenpool: Ausbildung : WirtschaftsingenieurInnen als Schnittstellenmanager moderner Arbeitswelten

Unsere Arbeitswelt verlangt nach Spezialisierung, sowohl für Berufe in der Produktion als auch in der Dienstleistung. Nach mehreren Jahren haben sich Menschen einen Wissens- und Erfahrungsschatz angeeignet, der sie für Arbeitgeber und/oder Kunden wertvoll macht. Je seltener das Wissen, desto wichtiger die Wissensträger – und es gibt auch eine Korrelation mit dem Einkommen. Doch so notwendig eine Spezialisierung ist, so gefährlich kann sie für einzelne sein. Früher waren „Nischenjobs“ mit einer Pragmatisierung ausgestattet, hätte es doch am „freien Markt“ kaum geeignete Verwendungen für viele Stelleninhaber mit sehr engen Fachkenntnissen gegeben.

Nicht in die Tiefe, sondern in die Breite gehen

Unsere Wirtschaft ist schnelllebig und Technologien veralten. Wer sich nicht permanent fortbildet und dem Trend des lebenslangen Lernens folgt, dessen Spezialisierung kann rasch obsolet werden. In Österreich gibt es über 200 Lehrberufe und, je nach Zählweise, 2.000 - 3.600 Studienangebote an Universitäten und Fachhochschulen. An Berufsbezeichnungen finden sich über 12.000 Möglichkeiten. Gerade in großen Organisationen, wo viele unterschiedliche Professionisten tätig sind, kommt es häufig zu großen Herausforderungen in der Kommunikation. Juristen, Maschinenbauer, Controller, Marketingfachleute, Wissenschaftler, Unternehmer – sie alle sprechen unterschiedliche Sprachen, in dem Sinn, dass sie spezielles Vokabular verwenden, sich mit verschiedenen Themen befassen und heterogene Sichtweisen auf Dinge haben, abgesehen von unterschiedlichem Wissens- und Kenntnisstand. Komplexe, interdisziplinäre Projekte benötigen „Brückenbauer“, die zwischen den unterschiedlichen Akteuren vermitteln und „übersetzen“ können. Genau an dieser Schnittstelle ist das Wirtschaftsingenieurwesen angesiedelt. In den Naturwissenschaften bzw. der Technik sind es Physiker, die nicht in die Tiefe, sondern in die Breite ausgebildet werden. Physiker sind in der Regel nicht die größten Programmierer, Chemiker oder Mathematiker, können aber exzellent mit diesen drei und vielen weiteren Berufssparten auf Augenhöhe kommunizieren und zusammenarbeiten. Sie sind daher ob ihrer integrativen Fähigkeiten am Markt sehr gefragt. Ähnlich verhält es sich mit einer viel jüngeren Berufsspezies, den Wirtschaftsingenieurinnen.

Die Technische Hochschule Berlin führte vor etwa 90 Jahren den Studiengang „Wirtschaft und Technik“ ein, um Unternehmensnachfolger auszubilden. Die Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt führte ein vergleichbares Angebot vor 50 Jahren ein, das ehemalige Ostdeutschland bildete „Ingenieurökonomen“ in vergleichbarer Weise aus. In Österreich lässt sich Wirtschaftsingenieurwesen an Universitäten und Fachhochschulen studieren. Die Fachhochschule Technikum Wien ist hier ein Vorreiter, wo ein Schwerpunkt der WirtschaftingenieurInnen auf internationaler Ausbildung liegt, und wo das 3-Säulen-Modell, im Sinne von Technik, Wirtschaft und Sprache & Persönlichkeitsentwicklung, auch dafür sorgt, dass Studierende nicht nur fachlich, sondern auch persönlich weitergebildet und -entwickelt werden. Das Studium, allgemein gesprochen, beinhaltet technische und wirtschaftliche Inhalte und schult vernetztes Denken. Englische Sprachkenntnisse werden ebenso vermittelt und vertieft wie Fachkenntnisse zu Recht. Das Tätigkeitsfeld reicht von Unternehmertum über Fachkarrieren zu Führungsrollen in unterschiedlichsten Bereichen.

Für WirtschaftsingenieurInnen gibt es kein klassisches Rollenbild

In der Arbeitswelt findet gerade ein massiver Wandel durch zunehmende Digitalisierung statt. Bereits vollzogen sind Dienstleistungsorientierung und Globalisierung und nun werden Prozesse weiter flexibilisiert und optimiert, indem mehr und mehr Daten gesammelt und ausgewertet werden können. So, wie WirtschaftsingenieurInnen in Produktion, Logistik und anderen Bereichen den Wandel der letzten Jahrzehnte erfolgreich begleitet haben, stehen sie nun vor der Herausforderung, Organisationen beim Meistern der Digitalisierung zu unterstützen. In der akademischen Ausbildung wird darauf Bedacht genommen. Wir bilden unsere Studierenden dazu aus, Probleme zu lösen, die wir heute noch nicht kennen, mit Methoden, die wir heute noch nicht verfügbar haben. Dazu ist eine breite Ausbildung, die Querbeziehungen zwischen den Fachdisziplinen herstellt, unabdingbar.

Haben Spezialisten oder Generalisten die besseren Jobchancen?

Und wer hat nun die besseren Jobchancen, Spezialist oder Generalist? Es sind die Generalisten, aus zwei Gründen: Zum einen haben ForscherInnen mehrfach die „Generalistenverzerrung“ nachgewiesen: Personaler lassen sich von „breiten“ Lebensläufen beeindrucken. Zum anderen sind Generalisten rascher in neue Prozesse und Themen eingearbeitet, was einer flexibel zu agierenden Organisation mehr Möglichkeiten verschafft, ihre Mitarbeiter einzusetzen. Es ist davon auszugehen, dass Wirtschaftsingenieure auch in Zukunft eine sehr gefragte Spezies sein werden, sowohl in großen internationalen, als auch in kleinen Organisationen. Auch für die Selbständigkeit ist eine Ausbildung als Wirtschaftsingenieur eine exzellente Basis. Denn während die Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter in großen Organisationen addiert werden, müssen sie bei einem Unternehmer miteinander multipliziert werden, so dass Wirtschaft und Technik angemessen vorhanden sein müssen, um Erfolg zu haben.

Maximilian Lackner ist Studiengangsleiter für den Master "Internationales Wirtschaftsingenieurwesen" an der FH Technikum Wien.