Interview : "Wir müssen uns nicht fürchten"

Hannes Hecher Schiebel
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Herr Hecher, Schiebel sorgt derzeit für Schlagzeilen abseits der Wachstumsstory, die Sie erzählen: Die Marine von Myanmar, einem Land, gegen das ein weitreichendes EU-Embargo verhängt worden ist, zeigt auf Facebook Schiebel-Camcopter in vollem Manövereinsatz. Was sagen Sie dazu?

Hannes Hecher Die Wahrheit ist ein Kind der Zeit. 2016, zum Zeitpunkt als wir Camcopter an Myanmar geliefert haben, ist nach Jahrzehnten der Diktatur die Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi in die Regierung gekommen. Damals war Myanmar ein wohlgelittenes Mitglied der Weltgemeinschaft. Eine Rohingya-Krise war nirgends absehbar und – wichtig – es gab kein UN-Embargo, als wir diese Exportbewilligung erhielten.

Hat Schiebel 2016 an das Militär von Myanmar Drohnen verkauft?

Hecher Nein. Wir haben vom österreichischen Wirtschaftsministerium eine Exportbewilligung für einen Kunden in Myanmar bekommen und haben das Geschäft finalisiert. An der Aufklärung, was dann passiert ist, arbeiten wir.

Warum benötigen Sie für einen zivilen Kunden in Myanmar eine Exportbewilligung?

Hecher Unser Camcopter S-100 ist als Dual-Use-Gut klassifiziert, und unabhängig von dem Endkunden muss ein Export genehmigt werden.

Ist der Kunde Ihnen gegenüber in der Pflicht?

Hecher Der Kunde hat gewisse Auflagen aus der Exportbewilligung, die er einzuhalten hat. Eine Weiterveräußerung ist dabei nicht vorgesehen.

Was passiert, wenn er sich nicht daran hält?

Hecher Ich tue mir von hier aus schwer, die dortige Lage zu beurteilen. Das wird sich weisen.

Der Fall Myanmar ist kein Einzelfall. Es gab zuvor bereits Berichte über Lieferungen nach Libyen und Jemen, die militärisch verwendet wurden. Sind die vielfältigen Einsatzgebiete Ihrer Drohnen mehr Fluch oder Segen?

Hecher Ich muss mich wiederholen. Die politische Einschätzung der Länder hat sich gewandelt. Zum Zeitpunkt unserer Lieferungen gab es massive europäische Interessen an diesen Staaten. Von Embargos und Handelsbeschränkungen war damals keine Rede. Daher ist es jetzt nicht fair, uns in die Nähe von Waffenschmugglern oder sonstiger zwielichtiger Aktivitäten zu rücken.

Ist für Sie die Meinung der Ministerien der einzige Maßstab, an wen Sie eines Ihrer Produkte verkaufen?

Hecher Es gibt das österreichische Außenwirtschaftsgesetz, es gibt EU-Embargos, es gibt UN-Embargos – wir bewegen uns in einem Dickicht aus Vorschriften, die wir erfüllen wollen. Wir versichern uns weltweit, wer hinter den Anfragen und Geschäftsbeziehungen steht.

Gab es Anfragen, die formal korrekt erschienen, aber die Schiebel dann doch nicht bedient hat?

Hecher Ist auch schon vorgekommen. Aber wir geben keine Auskunft über einzelne Geschäfte. Auch nicht über jene, die wir nicht gemacht haben.

Wie bewerten Sie die Dual-Use-Regelung, die Ihre Drohnen bewilligungspflichtig macht?

Hecher Für mich ist die Dual-Use-Regelung eine Rahmenbedingung, die es einzuhalten gilt. Aber wir entwickeln uns weiter. Unsere Camcopter sind eine Plattform für viele nützliche zivile Zwecke. Wir stehen am Anfang, um aus unserer Nische einen globalen Markt machen. Unsere Technologie wird Mainstream werden, und dann wird sie nicht mehr dem Dual-Use-Regime unterliegen. Davon bin ich überzeugt.

Wie schwierig ist es, als 300 Mitarbeiter großes österreichisches Unternehmen neben den großen Playern der US-Waffenindustrie zu bestehen?

Hecher Boeing arbeitet mit unserem Camcopter und ist ein Partner von Schiebel. Unser Produkt ist sehr entwicklungsintensiv. Wir haben einen Innovationsaufwand von 20 Prozent unseres Umsatzes. Wir durchlaufen alle Phasen – vom Early-User-Markt bis in den Mainstream-Markt, den wir uns aufbereitet haben. Dieser Markt war für die großen Konzerne bislang zu klein. Uns ist klar: Wenn der Absatz unserer Technologie wächst, wird er auch für andere Mitbewerber interessant.

Sie rechnen mit zunehmender Konkurrenz der Großen?

Hecher Darauf ein Sprichwort: Bereite dich auf das Schlechte vor und freue dich auf das Gute. Ich bin sicher, wir müssen uns nicht fürchten: Diese Unternehmen müssen erst die Lernkurve durchlaufen, die wir schon hinter uns haben.

Was können Schiebel-Drohnen in zehn Jahren, was sie nicht schon heute machen?

Hecher Wir sind technologische Vorreiter. Als wir 1995 begonnen haben, hat sich niemand vorstellen können, dass so ein Ding fliegen kann. Wir sind 2005 auf den Markt gegangen und haben die ersten Kunden gewonnen. Diese Jahre waren sicher schwierig. Potenzielle Kunden haben dem Camcopter nicht die Leistung zugetraut, über die er verfügt. Das hat sich vollkommen geändert. Wir sind heute in einer Position, uns in einem sich öffnenden Markt zu bewegen.

Der Flug einer Schiebel-Drohne wird luftfahrttechnisch gleich behandelt wie der Flug eines Jumbo Jets. Es braucht für jeden Start jede Menge Genehmigungen. Wie geht es auf dem Gebiet weiter?

Hecher Wir sind jetzt in der Lage, als eines der treibenden Unternehmen am Drohnenmarkt an der luftfahrttechnischen Zertifizierung für das Fliegen im freien Luftraum zu arbeiten. Wenn wir dies geschafft haben, können wir alle Visionen angehen.

Die da wären?

Hecher Aufgrund der zahlreichen Auflagen sind meist staatliche Unternehmen und Behörden unsere Ansprechpartner. Da geht es um Grenzschutz zu Lande und zu Wasser, Schiffs- und Gebietsaufklärung bis hin zur Inspektion von Ölbohrinseln und Überwachung von Umweltkatastrophen. Wenn uns die rechtlichen Möglichkeiten des freien Luftraums zur Verfügung stehen, öffnet sich der Markt für uns in alle Richtungen: Dann wird Überwachung von Agrarflächen mit Sensoren möglich, um den Fruchtstand oder die Bodentrockenheit zu eruieren. Die Lieferung von Daten für die Forstwirtschaft, Feuerbekämpfung, alle Bereiche werden für uns zulässig. Da habe ich völlig neue Potenziale. Das ist die Zukunft von Schiebel.

Wird sich ein Bauer eine 200 kg schwere Schiebel-Drohne kaufen?

Hecher Da gibt es spannende Geschäftsideen. Unsere Drohnen können an einem Tag eine Fläche von ganz Niederösterreich scannen und Daten sammeln. Der Landwirt hat auf seinem Smartphone eine Bezahl-App, auf der er jeden Tag den Zustand seiner Felder prüfen kann. Das lässt sich in vielerlei Richtungen weiterdenken.

Im Firmenbuch werden 99 Prozent der Schiebel Industries AG der Holdinggesellschaft Schiebel Industries AG LLC mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten zugeschrieben. Wem gehört Schiebel?

Hecher Schiebel ist ein Familienunternehmen.

Und Hans Georg Schiebel ist nach wie vor Mehrheitseigentümer?

Hecher Ja. Da steht der Name für das Unternehmen.