Internationale Märkte : WIIW: Türkei steckt in einer kurzen und scharfen Rezession

Die Türkei wird jetzt mehrere Quartale eine Rezession durchlaufen. Davon geht das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) aus. Besonders für 2019 hat das Institut seine Türkei-Prognose stark gekürzt, gleich um 3 Prozentpunkte. Auf das ganze Jahr 2019 gesehen dürfte aber ein kleines einprozentiges Wachstum der türkischen Wirtschaft verbleiben. Dann soll es wieder aufwärts gehen.

Für 2020 sind sogar wieder 4 Prozent veranschlagt. Der WIIW-Ökonom Richard Grieveson geht von ein paar schmerzlichen Quartalen für die Türkei aus. Das Land steckt in der tiefsten Krise seit einer Dekade. Die türkische Rezession werde tief, aber relativ schnell vorbei sein. Es sei sehr spät, aber - etwa von der Notenbank - schließlich doch reagiert worden. Ein Unsicherheitsfaktor sei, was in dieser Krise mit dem in der Türkei sehr starken Bankensektor passiere. Grieveson ist aber optimistisch, dass die Kreditwirtschaft die Probleme stemmen wird.

Türkische Firmen hätten über Jahrzehnte gelernt, mit tiefen Krisen umzugehen, meinte der Ökonom am Mittwoch bei der Herbstprognose seines Instituts in Wien. Ein Risikofaktor sei zur Zeit aber, dass es um "Regulierungsqualität", Unabhängigkeit von Institutionen bzw. "Rechtsstaatlichkeit" vor allem in Ländern wie der Türkei oder Polen heute schlechter bestellt ist als in den vergangenen Jahren.

Für die türkische Wirtschaft sind die WIIW-Ökonomen mittelfristig aber positiver gestimmt als etwa für Russland. Beide Volkswirtschaften sind die mit Abstand größten in der gesamten Region Mittel/Ost/Südosteuropa. Russland werde, so das WIIW, weiter nur verhaltene Wachstumsraten seiner Wirtschaft aufweisen können.

Russland hat vergleichsweise wenig Schulden, dafür aber große Strukturprobleme und ein schlechtes Investitionsklima. Die Sanktionen haben die Direktinvestitionen noch gedrückt. Die WIIW-Experten glauben, dass Russland seine Wirtschaft ohne ausländische Investitionen nicht wird modernisieren können. Und China als bereits wichtigster Importpartner werde die Technologieimporte aus Westeuropa nicht ersetzen können. Demnach dürfte das russische Wachstum auch die nächsten Jahre unter 2 Prozent verharren.

Insgesamt sind die externen Risiken für die Konjunktur in Mittel/Ost- und Südosteuropa größer geworden, weil das Umfeld schlechter geworden ist, meint das WIIW. Das Wachstum sei nach wie vor robust, habe seinen Höhepunkt aber überschritten. "Der Ausblick ist noch recht gut, aber nicht so gut wie noch heuer im Frühling", so das WIIW. Das Tempo der Expansion wird 2019 und 2020 in Summe langsamer. Überhitzungsrisiken sind jedenfalls gebannt.

Zu den Hauptrisiken auch für die Region Mittel/Ost/Südosteuropa zählen globale Handelskriege sowie die Gefahr, dass die Krise in der Eurozone zurückkehrt (Stichwort: Italien), aber auch absehbar kleinere EU-Subventionsbudgets, wenn die Briten aus der EU aussteigen. Das trifft vor allem die osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten, die zwischen 2 und 5 BIP-Prozent aus dem EU-Haushalt erhalten. Auch das kann Wachstum kosten.

Akuter geworden ist der Arbeitskräftemangel in der Region. Auch das gilt laut WIIW als ein Mittelfristproblem für Wachstum. In einigen Ländern könne dies durch Einwanderung aus Nachbarstaaten abgefedert werden. Kurzfristig sorgt der Arbeitskräftemangel für deutliche Lohnanstiege, die den privaten Konsum stützten. "Wir sehen schon, dass Firmen weiter nach Osten gehen", so die WIIW-Experten. Die meisten großen Konzerne seien schon in der Region vertreten. Viel investiert werde gerade in die Automatisierung. Tschechien oder die Slowakei haben es etwa bei Roboter-Einkäufen unter die Top-20 der Welt gebracht. (apa/red)