Standort Österreich : Wifo und IHS: Länger als Ende April hält die Wirtschaft nicht aus

Die Wirtschaftsforscher des IHS und Wifo haben anstatt einer klassischen Konjunkturprognose nur mögliche Szenarien vorgestellt. Eines ist sicher: Die Coronakrise lässt die heimische Wirtschaft abstürzen, bringt ein hohes Budgetdefizit und steigende Arbeitslosenzahlen. Im günstigsten Fall soll es 2020 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 2 bzw. 2,5 Prozent geben.

Auf einen scharfen, kurzen Einbruch im ersten Halbjahr könnte bei einer Normalisierung laut IHS und Wifo wieder eine kräftige wirtschaftliche Erholung im zweiten Halbjahr und dann 2021 folgen. Dies wird auch V-Rezession genannt. "Es gibt ein großes Maß an Unsicherheit", sagte IHS-Chef Martin Kocher bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Prognose sei "sehr schwer" gewesen, weil die Rahmenbedingungen sich ständig geändert hätten. Auch für Wifo-Leiter Christoph Badelt war "eine seriöse Prognose mit hinreichender Sicherheit nicht gegeben". Das Ausmaß des Wirtschaftseinbruchs werde wesentlich davon abhängen, wie lange die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus in Kraft bleiben.

"Eine dringende Empfehlung"

Die Corona-Krise wird auf jeden Fall zu einem massiven Anstieg von Defizit und Staatsschulden führen. Laut Wifo wird der Staat heuer zumindest 21,5 Mrd. Euro neue Schulden machen. Das entspricht 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, wäre mehr als im Krisenjahr 2009 und das dritthöchste Defizit seit 1954. Eine weitere Verschlechterung ist möglich. Auch die Arbeitslosenquote soll Coronavirus-bedingt 2020 um 1 Prozentpunkt auf 8,4 Prozent steigen.

Im Gegensatz zu deutschen Wirtschaftsforschern wollten die beiden Ökonomen mögliche Worst-Case-Szenarien nicht präsentieren. Man werde nicht Horrorszenarien zeichnen, dies "bringe nur Panik", so Badelt. Die Wirtschaftsforscher wiesen aber darauf hin, dass eine Verlängerung des "Shutdown" über den April hinaus genau abzuwägen sei. "Es besteht die dringende Empfehlung, das Hochfahren der Wirtschaft wieder ernsthaft zu überlegen", sagte Badelt. Es sei natürlich eine Abwägung zwischen Gesundheits- und Wirtschaftsthematiken. Der Wifo-Chef plädierte dafür, Coronavirus-Hochrisikogruppen zu schützen, wenn die Wirtschaft wieder hochgefahren wird.

IHS-Chef Martin: Ein "Shutdown" über den April hinaus wäre verheerend

Für IHS-Chef Martin Kocher ist nicht vorstellbar, dieses Ausmaß des "Shutdown" über den April hinaus aufrechtzuerhalten. Sonst werde es auch größere wirtschaftliche Probleme in der Industrie und am Bau geben. Wenn der "Shutdown" in Österreich bis Mitte Mai dauern würde, dann erwartet das IHS einen BIP-Rückgang von 5 Prozent. "Wir können uns das wirtschaftlich nicht leisten", so Kocher. "Wir müssen es schaffen, die Industrieproduktion und den Bau aufrecht zu halten, unter Einhaltung der nötigen Sicherheitsabstände und der nötigen medizinischen Vorgaben."

Die heimischen Wirtschaftsforscher sind in ihrer Szenarioschätzung noch nicht von einer Weltwirtschaftskrise ausgegangen. "Wenn die USA einbricht, dann ist unsere Prognose deutlich zu optimistisch", sagte der prognoseverantwortliche IHS-Ökonom Helmut Hofer. Wenn die Wirtschaft in Österreich wieder hochfahre, dann könnten weitere Konjunkturmaßnahmen notwendig sein, so das Fazit der Wirtschaftsforscher.

Positive Worte für die Arbeit der Regierung Kurz

Badelt und Kocher lobten das 38-Mrd.-Euro-Hilfspaket der Regierung. Für den Wifo-Chef ist es wirtschaftspolitisch "völlig richtig", auch Kocher unterstützt die Maßnahmen der Regierung. Die Schwierigkeit liegt laut Badelt nun in der praktischen Umsetzung, wie schnell die Hunderttausenden Anträge bearbeitet werden können und Unternehmen wieder über Liquidität verfügen.

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Positives konnten die beiden Ökonomen über den heimischen Finanzsektor vermelden. "Ich glaube, wir haben einen Bankensektor, der wesentlich besser aufgestellt ist als in der Finanzkrise seinerzeit", so Wifo-Chef Badelt. Auch IHS-Chef Kocher glaubt nicht, dass die österreichischen Banken kurz- und mittelfristig Probleme bekommen würden durch die Ausweitung der Kreditvergabe an Unternehmen. (apa/red)