Außenhandel : Wie es mit dem Iran-Deal weitergeht: 9 wichtigste Fragen

Während des Atomabkommens waren Sanktionen gegen den Iran ausgesetzt, nun treten amerikanische Strafmaßnahmen wieder in Kraft. Was wollen die USA erreichen - und warum sollten sich ausländische Unternehmen, also auch österreichische, überhaupt an amerikanische Sanktionen halten?

Nach jahrelangem Ringen einigten sich die UN-Vetomächte, Deutschland und der Iran am 14. Juli 2015 in Wien auf ein Abkommen, das Teheran vom Bau einer Atombombe abbringen sollte. Am 8. Mai verkündete US-Präsident Donald Trump den Rückzug der USA aus der Vereinbarung. US-Sanktionen, die ausgesetzt waren, treten in der Nacht zu Dienstag (Mitternacht US-Ostküstenzeit/06.00 Uhr MESZ am Dienstag) wieder in Kraft.

Wirtschaftskammer: Lage genau analysieren

Österreichs Firmen sollten die Lage zunächst in Ruhe analysieren, heißt es von der Wirtschaftskammer. Aus Österreich seien vorerst nur rund fünf Prozent der Exporte betroffen - und dramatische Auswirkungen seien erst in drei Monaten zu erwarten, sagt der Wirtschaftsdelegierte in Teheran, Christoph Grabmayr. Noch seien Gespräche möglich - und eine individuelle Abschätzung nötig. Ausführlich dazu auf der nächsten Seite: WKÖ Aussenwirtschaft: Österreichs Firmen sollen eigene Lage in Ruhe analysieren >>

Folgend Fragen und Antworten zu der Situation allgemein:

(1) Warum hat Trump den Deal einseitig aufgekündigt?

Das Abkommen war von Trumps Vorgänger Barack Obama mit ausgehandelt worden, dessen politisches Erbe Trump zu demontieren versucht. Trump war allerdings schon immer ein Gegner des Deals. Bei der Aufkündigung im Mai kritisierte er unter anderem, dass durch das Abkommen wichtige Sanktionen ausgesetzt wurden. Diese Strafmaßnahmen - die nun schrittweise wieder eingesetzt werden - hätten aus seiner Sicht in Kraft bleiben sollen, um die Regierung in Teheran zu einer anderen Nahostpolitik zu zwingen. Der US-Präsident kritisierte außerdem, dass das Abkommen den Iran nicht daran hindere, doch eine Atombombe herzustellen.

(2) Stimmt das?

Nicht, wenn man der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) glaubt. Mit dem Abkommen unterwarf der Iran seine Urananreicherung bis zu 25 Jahre lang einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen durch die IAEA - und die Organisation hat dem Iran wiederholt bescheinigt, sich an die Abmachungen zu halten.

(3) Geht es Trump nur um die iranische Atombombe?

Nein. Trump sagte im Mai: "Der Deal tut nichts dafür, die destabilisierenden Aktivitäten des Irans einzuschränken, einschließlich seiner Unterstützung für Terrorismus." Die US-Regierung will den Einfluss Teherans im Nahen Osten zurückdrängen, wo die iranische Regierung in zahlreichen blutigen Konflikten mitmischt: Sie unterstützt Syriens Präsidenten Bashar al-Assad, die Hisbollah im Libanon, die Hamas im Gaza-Streifen, militante Schiiten-Gruppen im Irak und die Houthi-Rebellen im Jemen.

(4) Was für Sanktionen treten nun wieder in Kraft?

In einer ersten Runde wollen die USA erreichen, dass der Iran keine US-Dollar erwerben und nicht mehr mit Gold und Edelmetallen handeln kann. Auch der Handel mit bestimmten Metallen, Rohstoffen und Industriesoftware soll unterbunden werden. Zudem werden der Import iranischer Lebensmittel und Teppiche in die USA untersagt. 90 Tage später sollen dann besonders schmerzhafte Sanktionen wieder eingesetzt werden, mit deren Hilfe die Ölimporte anderer Länder aus dem Iran auf Null reduziert werden sollen. Gleichzeitig soll der internationale Zahlungsverkehr mit dem Iran lahmgelegt werden.

(5) Was soll mit den Sanktionen erreicht werden?

Die Sanktionen werden die wirtschaftliche Lage im Iran weiter verschlechtern. Der Autor des Buches "The Art of Sanctions" ("Die Kunst der Sanktionen"), Professor Richard Nephew von der Columbia-Universität in New York, meint, Trump setze auf wachsende Unzufriedenheit im iranischen Volk über wirtschaftliche Probleme, was den Druck auf die Regierung in Teheran erhöhen werde. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Sanktionen den Menschen im Iran "echten Schaden" zufügen. "Inflation, Arbeitslosigkeit, auf diesen Wegen wird die iranische Bevölkerung am meisten geschädigt werden."

(6) Was ist Trumps Ziel?

Trump will die Regierung im Iran zu einem Politikwechsel drängen - oder sie womöglich ganz zum Abdanken zwingen. US-Außenminister Mike Pompeo forderte, die Regierung in Teheran müsse ihr "bösartiges" Verhalten im Nahen Osten beenden. Trump sagte vor wenigen Tagen überraschend, er sei bereit, sich mit der iranischen Führung zu treffen. Dabei müsse ein "sinnvolles" Atomabkommen herauskommen, "nicht die Verschwendung von Papier, die der andere Deal war". Wie genau ein solches neues Abkommen aussehen sollte, sagte er nicht.

(7) Hat Trump nicht gerade eine Vereinbarung mit Nordkorea erzielt?

Ja. Dabei handelte es sich - anders als im Fall des Iran - aber nicht um ein Abkommen mit konkreten Kontrollen. Mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un traf Trump eine vage Absichtserklärung, die keine konkreten Schritte zur atomaren Abrüstung oder gar Kontrollmechanismen enthält. Dennoch lobt Trump die Vereinbarung mit Kim, während er den Iran-Deal bei jeder Gelegenheit verurteilt.

(8) Wie hat der Iran auf die drohenden Sanktionen reagiert?

Der iranische Präsident Hassan Rouhani hat mehrfach damit gedroht, bei einem US-Ölembargo die Straße von Hormus zu schließen und damit den internationalen Ölexport am Persischen Golf zu blockieren. Die USA sollten wissen, "dass Frieden mit dem Iran die Mutter aller Frieden ist", sagte Rouhani kürzlich. "Genauso wie ein Krieg die Mutter aller Kriege wäre." Trump drohte Rouhani auf Twitter mit Konsequenzen, "wie sie wenige zuvor in der Geschichte erleiden mussten".

(9) Warum sollten sich Firmen aus Österreich und Europa überhaupt an US-Sanktionen halten?

Theoretisch sind sie dazu nicht verpflichtet. Allerdings würden die US-Behörden sie bei Verstößen von Geschäften in den USA ausschließen - und der US-Markt dürfte für die allermeisten deutschen und österreichischen Firmen wichtiger sein als der iranische. In einer zweiten Sanktionsrunde im November wollen die USA den internationalen Zahlungsverkehr mit dem Iran lahmlegen. Dann dürfte es für ausländische Firmen auch praktisch schwierig werden, noch Geschäfte mit dem Iran zu machen.

(Von Can Merey und Farshid Motahari, dpa/APA/red)

Angesichts des Wiederauflebens der US-Sanktionen gegen den Iran sollten österreichische Firmen ihre eigene Situation ohne Panik bewerten und individuelle Entscheidungen treffen, empfiehlt der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Teheran, Christoph Grabmayr. Pauschale Lösungen gebe es nicht.

"Das dicke Ende kommt im November"

Die aktuelle erste Welle der Sanktionen sei noch der kleinere Teil, "das dicke Ende kommt im November", wenn in einer zweiten Stufe alle Geschäfte unterbunden werden sollen. Jetzt sind einmal unter anderem der Handel mit Buntmetallen, Autozulieferungen und manche Finanzgeschäfte betroffen. Daher gehe es derzeit erst um rund 5 Prozent der österreichischen Exporte in den Iran, die sich zuletzt auf etwa 300 Mio. Euro beliefen, also um einen "niederen zweistelligen Millionenbetrag".

Zahlungsverkehr als Hauptproblem

Das Hauptproblem seien aber die geplanten Einschränkungen für den Zahlungsverkehr, die auch Geschäfte zum Erliegen bringen dürften, die nicht unter die Sanktionen fallen bzw. aus humanitären Gründen ausgenommen sind wie Lebensmittel, Pharmazeutika oder Medizintechnik. Diese Waren dürfte man auch in Zukunft noch liefern - aber man bekäme kein Geld mehr dafür. Außer man akzeptiert Barzahlungen in Euro. Denn die USA wollen den Iran vom internationalen Zahlungssystem SWIFT abkoppeln.

Aussenwirtschaft berät zum Einzelfall

Kleine und mittelgroße Unternehmen ohne nennenswerte Präsenz in den USA könnten weiter im Iran zulässige Geschäfte machen, wenn sie die Finanzierung sichern können. Aber auch bei einer starken US-Präsenz müsse man nicht "in vorauseilendem Gehorsam Geschäfte abbrechen", wenn es um Produkte geht, die nicht unter die Sanktionen fallen. Aber selbst wenn keine Geschäfte mehr angestrebt werden, sollte man nicht die Kontakte an sich abbrechen, empfiehlt Grabmayr. Denn es werde ja nicht der Kontakt als solcher sanktioniert. Jedenfalls müsse jede Firma im Einzelfall entscheiden - die WKÖ berate gerne.

Koordiniertes Vorgehen der EU

Für die heimische Wirtschaft wäre es wichtig, dass der Zahlungsverkehr weiter sichergestellt wird, damit Lieferungen, die nicht unter EU- oder UNO-Sanktionen fallen, möglich bleiben. Dazu gebe es auf europäischer Ebene Versuche, weil das kein Land alleine machen wolle - "dazu ist die Furcht vor den Amerikanern zu groß". Denn die EU als Ganzes zu sanktionieren wäre für die USA dann doch etwas anderes als ein einzelnes EU-Land oder eine Institution. Auch müsse die EU sicherstellen, dass US-Sanktionen nicht in der EU durchgesetzt werden können, damit wenigstens Firmen ohne US-Präsenz weiter mit dem Iran Geschäfte machen können.

Grabmayr: Es gebe noch Chancen

Grabmayr sieht aber auch noch Chancen, dass es nicht zum völligen Stillstand des Handels kommt. Denn noch sind drei Monate Zeit und US-Präsident Donald Trump hat sich ohne Vorbedingungen zu Gesprächen mit dem Iran bereit erklärt. Im Iran sei Präsident Hassan Rouhani gesprächsbereit, aber das Land sei "kein Monolith", es sei noch nicht abzuschätzen, welche Position sich letztlich durchsetzen wird. Drei Monate seien heutzutage in der Weltpolitik eine lange Zeit, da könne noch viel geschehen, gibt Grabmayr zu bedenken.

Washington will gezielte Verunsicherung der Exporteure

Beabsichtigte US-Politik ist es aus Grabmayrs Sicht, dass es keine präzisen Erklärungen der US-Behörden gibt, was genau von den Sanktionen erfasst ist und welche Strafen drohen. "Da stellt man sich das Schlimmste vor, was passieren kann - wahrscheinlich schlimmer als die Realität". Außerdem könne man keine Gegenmaßnahmen ergreifen, wenn man nicht genau wisse, wogegen man auftreten müsse. Diese Politik der Unsicherheit werde auch von den US-Behörden kommuniziert, Ziel sei es letztlich, dass alle Geschäfte zum Erliegen kommen. Darum wohl seien auch "die schärfsten Sanktionen aller Zeiten" angekündigt. (APA/red)